DAS MA­GA­ZIN

Mo­nat­lich in­for­mie­ren wir un­se­re Mit­glie­der mit der loyal über si­cher­heits­po­li­ti­sche The­men. Ab so­fort kön­nen Mit­glie­der auch im Be­reich Ma­ga­zin die darin auf­ge­führ­ten Ar­ti­kel lesen!

Mehr dazu
DER VER­BAND

Der Ver­band der Re­ser­vis­ten der Deut­schen Bun­des­wehr (VdRBw) hat mehr als 115.000 Mit­glie­der. Wir ver­tre­ten die Re­ser­vis­ten in allen mi­li­tä­ri­schen An­ge­le­gen­hei­ten.

Mehr dazu
MIT­GLIED­SCHAFT

Wer­den Sie Teil einer star­ken Ge­mein­schaft

Mehr dazu

loyal

Leh­ren aus dem Af­gha­ni­stan-De­ba­kel

Ein­greif­trup­pe, Ko­ali­tio­nen der Wil­li­gen, Na­tio­na­ler Si­cher­heits­rat: Nach dem af­gha­ni­schen De­ba­kel haben alte Vor­schlä­ge für eine bes­se­re deut­sche Si­cher­heits­po­li­tik Kon­junk­tur. Doch die Hür­den für einen Neu­start blei­ben. Es ist frag­lich, ob Ber­lin die rich­ti­gen Leh­ren zie­hen wird.

Ende der Eva­ku­ie­rungs­mis­si­on: Deut­sche Sol­da­ten nach der Lan­dung auf dem Flie­ger­horst Wunst­dorf.

Foto: Bun­des­wehr/Jana Neu­mann

Af­gha­ni­stanloyal

Die Mons­tranz deut­scher Außen- und Si­cher­heits­po­li­tik ist der so ge­nann­te „ver­netz­te An­satz“. Nach die­sem Kon­zept bil­den Di­plo­ma­tie, Mi­li­tär, Ent­wick­lungs­hil­fe und Co. einen bes­tens ab­ge­stimm­ten Rei­gen, mit dem die Bun­des­re­pu­blik mo­ra­lisch be­son­ders wert­vol­le Welt­po­li­tik ge­stal­tet – mehr als nur In­ter­es­sens­po­li­tik. 360 Grad, vor­aus­schau­end, prä­ven­tiv, nach­hal­tig. Kein At­tri­but darf feh­len, wenn es um das ver­meint­li­che Hoch­leis­tungs­werk­zeug geht. Am 14. Au­gust kam der Of­fen­ba­rungs­eid.

Die has­ti­ge Eva­ku­ie­rungs­ope­ra­ti­on der West­mäch­te für ihre af­gha­ni­schen Hilfs­kräf­te aus Kabul legte offen, was Deutsch­lands Außen- und Si­cher­heits­po­li­tik in Wirk­lich­keit ist. Ein stüm­per­haft ko­or­di­nier­tes Ne­ben­ein­an­der der Ak­teu­re, ohne klare Ziele und be­last­ba­re Am­bi­tio­nen. Ge­ra­de Deutsch­lands An­spruch hätte es ent­spro­chen, für seine Orts­kräf­te früh­zei­tig eine um­fas­sen­de Eva­ku­ie­rung zu pla­nen und durch­zu­füh­ren. Schlie­ß­lich war Ber­lin in 20 Jah­ren Af­gha­ni­stan-En­ga­ge­ment des Wes­tens ein do­mi­nan­ter Wort­füh­rer der Agen­da, mit und für die Af­gha­nen ein de­mo­kra­ti­sches Ge­mein­we­sen am Hin­du­kusch zu er­rich­ten. Ein­ge­tre­ten ist das Ge­gen­teil.

Ver­sa­gen im Aus­wär­ti­gen Amt

Das Aus­wär­ti­ge Amt ver­sag­te in sei­ner Lead­funk­ti­on. Es konn­te den Ver­lauf des af­gha­ni­schen Staats­zer­falls nicht er­fas­sen. Das In­nen­res­sort folg­te einer eng­stir­ni­gen Ab­schie­be­agen­da. Bei der Ent­wick­lungs­hil­fe woll­te man den Un­ter­gang der ei­ge­nen Ar­beit ver­drän­gen. Das Kanz­ler­amt ließ die Fehl­ent­wick­lung so lange lau­fen, bis das Heft des Han­delns nicht mehr in deut­scher Hand lag. Dabei hatte Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rin An­ne­gret Kramp-Kar­ren­bau­er schon im April die Not­wen­dig­keit aufs po­li­ti­sche Tapet ge­bracht, die von den Ta­li­ban be­droh­ten Orts­kräf­te „ver­ein­facht und schnell“ nach Deutsch­land zu holen.

Im Ka­ta­stro­phen-Mo­men­tum konn­te sich die „Frie­dens­macht Deutsch­land“ (Au­ßen­mi­nis­ter Heiko Maas) zum Glück auf ihren mi­li­tä­ri­schen Mus­kel Bun­des­wehr ver­las­sen, den sie üb­li­cher­wei­se gerne klein hält. In nur 48 Stun­den fuh­ren die Streit­kräf­te einen Eva­ku­ie­rungs­ein­satz hoch, mit dem sie in fast zwei Wo­chen mehr als 5.000 Men­schen aus Kabul aus­flo­gen. Dabei ist das Ret­tungs­kon­zept der Bun­des­wehr auf Eva­ku­ie­run­gen von le­dig­lich einer Hand­voll Staats­bür­gern aus nahen Kri­sen­re­gio­nen wie Nord­afri­ka aus­ge­legt.

Wie stets, wenn die Bun­des­wehr in die Rolle als Ret­ter kommt, über­schlu­gen sich die Lob­prei­sun­gen aus allen Tei­len der Po­li­tik, selbst von den Lin­ken. Dabei ging unter, dass die Af­gha­ni­stan-Er­regt­heit mal wie­der of­fen­bar­te, wie wenig sich weite Teile der Po­li­tik de facto für die Leis­tungs­fä­hig­keit der ei­ge­nen Streit­kräf­te in­ter­es­sie­ren. So äu­ßer­te SPD-Frak­ti­ons­chef Rolf Mützenich für die So­zi­al­de­mo­kra­ten, als Kabul be­reits an die Ta­li­ban ge­fal­len war, die Bun­des­wehr solle auch aus an­de­ren Lan­des­tei­len um­fas­send Men­schen eva­ku­ie­ren. Eine krude Vor­stel­lung. Dazu hätte es gro­ß­an­ge­leg­ter Luft­lan­de­ope­ra­tio­nen be­durft, wel­che die Bun­des­wehr nur mit ame­ri­ka­ni­scher Luft­un­ter­stüt­zung hätte durch­füh­ren kön­nen.

Eva­ku­ie­rung zeigt Ab­hän­gig­keit von den USA

Der Kanz­ler­kan­di­dat der Union, Armin La­schet, nann­te es eine „bit­te­re Ent­täu­schung“, dass die USA die Lufteva­ku­ie­rung nicht über den 31. Au­gust hin­aus fort­führ­ten. Eine An­ma­ßung. Die Ver­ei­nig­ten Staa­ten hat­ten bei den Ta­li­ban keine Ver­län­ge­rung er­wir­ken kön­nen. Eine Fort­füh­rung der Eva­ku­ie­run­gen wäre dann im Kriegs­zu­stand mit den Is­la­mis­ten er­folgt. Die Last einer mi­li­tä­ri­schen Es­ka­la­ti­on hät­ten zu­vor­derst die US-Streit­kräf­te ge­tra­gen. Nur deren Si­che­rung des Flug­ha­fens Kabul mit circa 5.000 Mann er­mög­lich­te die Tritt­brett­fah­rer-Eva­ku­ie­run­gen der Eu­ro­pä­er.

Die Kabul-Ope­ra­ti­on zeig­te im Brenn­glas, wie stark die mi­li­tä­ri­sche Leis­tungs­fä­hig­keit der Eu­ro­pä­er ge­gen­über jener der USA ab­fällt. Wäh­rend die USA in­ner­halb we­ni­ger Tage Trup­pen in Bri­ga­de­stär­ke zum Ein­satz brin­gen konn­ten; schaf­fen Eu­ro­pä­er nur Kom­pa­nie- oder Ba­tail­lons­grö­ße. Das mo­bi­le Flug­ab­wehr-Sys­tem Pha­lanx der US-Army wehr­te noch kurz vor Ab­schluss der Eva­ku­ie­rung einen Ra­ke­ten­an­griff ab. Etwas Ent­spre­chen­des könn­te keine eu­ro­päi­sche Armee ein­brin­gen. Zu einer Luft­ab­de­ckung mit Kampf­jets wären die Eu­ro­pä­er auch ge­mein­sam nur mit zu lan­gem Vor­lauf und Ab­stri­chen in der Lage. Dazu fehlt ihnen ein Basen-Netz­werk; ganz zu schwei­gen von feh­len­den Füh­rungs­ein­rich­tun­gen und der Be­reit­schaft, hohe Ver­lus­te hin­zu­neh­men.

Kein Kon­zept für EU-Ein­greif­trup­pe

Dabei war die Kabul-Eva­ku­ie­rung in In­ten­si­tät und Um­fang wohl ein sin­gu­lä­res Er­eig­nis. Für die Eu­ro­pä­er wäre es schon ein Fort­schritt, wenn sie zu­sam­men in ihrem Kri­sen­gür­tel von Nord­afri­ka bis ins Bal­ti­kum über­zeu­gend ein­grei­fen könn­ten. Die Ka­bu­ler Er­nüch­te­rung be­feu­er­te die Ideen einer schnel­len Ein­greif­trup­pe der EU in Bri­ga­de­grö­ße, die im Früh­jahr über eine Ko­ali­ti­on von EU-Staa­ten um Frank­reich und Deutsch­land zur De­bat­te ge­stellt wurde. Doch ein kla­res Kon­zept liegt bis dato nicht vor. Der bis­he­ri­ge An­satz der seit 2007 be­stehen­den EU-Batt­le­groups er­wies sich als un­taug­lich. Unter an­de­rem, weil die ro­tie­ren­den Trup­pen­stel­ler die Kos­ten tra­gen; also kein In­ter­es­se haben, mit den Batt­le­groups in Ein­sät­ze zu gehen, die sie nicht di­rekt be­tref­fen. Einen su­pra­na­tio­na­len Ver­band bei der EU-Kom­mis­si­on auf­zu­bau­en, ist un­rea­lis­tisch.

Ein ent­schei­den­der Hebel wäre die Be­reit­schaft in der EU, kon­se­quent über Ko­ali­tio­nen der Wil­li­gen und Fä­hi­gen mi­li­tä­ri­sche Schlag­kraft auf­zu­bau­en. Dies for­der­te zu­letzt An­ne­gret Kramp-Kar­ren­bau­er auf dem Tref­fen der EU-Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter in Ljublja­na mit Ver­weis auf Ar­ti­kel 44 des EU-Ver­tra­ges. Nach die­sem kön­nen die Uni­ons­län­der ge­mein­sam be­schlie­ßen, eine Grup­pe be­rei­ter Mit­glie­der mit Mis­sio­nen zu be­auf­tra­gen. Doch auch hier lau­ert die Kos­ten­fra­ge im Hin­ter­grund. In der Rea­li­tät ist vor allem Deutsch­land gegen die­sen prag­ma­ti­schen An­satz. Ber­lin be­treibt tra­di­tio­nell eine EU-Po­li­tik ma­xi­ma­ler Ein­be­zie­hung aller. Doch ein kleins­ter ge­mein­sa­mer Nen­ner ist in der Si­cher­heits­po­li­tik, wo es um klare Ef­fek­te geht, die schlech­tes­te Her­an­ge­hens­wei­se. Zur­zeit ist das bei der wir­kungs­lo­sen EU-Mis­si­on zur Über­wa­chung des Waf­fen­em­bar­gos gegen Li­by­en zu be­ob­ach­ten.

Na­tio­na­ler Si­cher­heits­rat wi­der­spricht Res­sort-Prin­zip

Um Deutsch­land nach dem Af­gha­ni­stan-De­ba­kel stra­te­giefä­hi­ger zu ma­chen, for­dern vor allem kon­ser­va­ti­ve Po­li­ti­ker jetzt wie­der ver­stärkt einen Na­tio­na­len Si­cher­heits­rat. Die Kern­idee: Ein Aus­schuss der Res­sorts um Außen- und Si­cher­heits­po­li­tik unter Vor­sitz des Kanz­lers, samt leis­tungs­fä­hi­gem Ar­beits­stab und Lei­ter in her­aus­ge­ho­be­ner Rolle. Die­ser soll die Mi­nis­te­ri­en ko­or­di­nie­ren. Al­ler­dings wa­bert die­ser An­satz schon seit Jahr­zehn­ten durch die deut­sche Po­li­tik, ohne dass eine Um­set­zung er­folg­te. Denn er wi­der­spricht der Tek­to­nik un­se­res po­li­ti­schen Sys­tems. Das eta­blier­te Res­sort-Prin­zip er­mög­licht den ein­zel­nen Mi­nis­te­ri­en die Pro­fi­lie­rung, auf die sie nicht ver­zich­ten wol­len. Spe­zi­ell das Aus­wär­ti­ge Amt ist tra­di­tio­nell Bühne für klei­ne­re Ko­ali­ti­ons­part­ner. Zudem fuh­ren die meis­ten Kanz­ler bis­her gerne die Linie, die Ver­ant­wor­tung für das heik­le Po­li­tik­feld Si­cher­heit bei den Mi­nis­tern zu be­las­sen.

Wenn der Af­gha­ni­stan-Schock ab­ge­klun­gen ist, wird sich nach der Bun­des­tags­wahl zei­gen, ob es zu wer­ti­gen Be­mü­hun­gen aus der Po­li­tik kommt, die Außen- und Si­cher­heits­po­li­tik Deutsch­lands bes­ser auf­zu­stel­len. Auf eine Er­nüch­te­rung soll­te man sich ein­stel­len.

Ver­wand­te Ar­ti­kel
loyal

Wil­der Wes­ten im Hohen Nor­den

Grön­land spiel­te lange keine Rolle in der in­ter­na­tio­na­len Po­li­tik. Mit Do­nald Trump hat sich das jetzt ge­än­dert. Die USA wol­len...

09.04.2025 Von André Uzu­lis
loyal

Von der Schlamm­zo­ne in den Sumpf

Seit Ja­nu­ar lebt Eu­ro­pa im Rhyth­mus der Exe­ku­tiver­las­se Do­nald Trumps. Alles geht nun sehr schnell. In Deutsch­land wurde dabei bis­lang...

07.04.2025 Von Jacob Ross
loyal

Im Reich des Nar­ziss­ten und des Ego­ma­nen

Für den Re­gens­bur­ger USA-Ex­per­ten Prof. Dr. Ste­phan Bier­ling ist die Ka­ta­stro­phe in den trans­at­lan­ti­schen Be­zie­hun­gen da. Er er­klärt, wie der...

02.04.2025 Von André Uzu­lis