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Marine in fünf Tagen

Wie die gesamte Bundeswehr ist die Marine auf der Suche nach neuem Personal. Um junge Menschen anzusprechen, veranstalten die Seestreitkräfte MINT-Tage. Das sind fünf Schnuppertage für technikinteressierte Jugendliche ab 16 Jahren. Diese kommen bei der Zielgruppe erstaunlich gut an.

Ein volles Programm: Die 18 jungen Teilnehmer der MINT-Woche vor dem Flottendienstboot Oste in dessen Heimathafen Eckernförde.

Foto: Vivian Simon

bundeswehrloyalMarinemint

Es sind die ersten Stunden an Tag eins der MINT-Woche. Locker geht es zu, das Motto: erst einmal ankommen und die Kieler Kasernenluft schnuppern. Doch in den nächsten Tagen wartet ein straffes Programm auf die 18 Teilnehmer der MINT-Woche: Sie sollen erfahren, wie es ist, zur See zu fahren und die komplexe Technik der Marine kennenlernen.

MINT bedeutet: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik – Disziplinen, die die Bundeswehr unbedingt braucht. Doch wer sind die 18 Jugendlichen, die gerade in Kiel angetreten sind? Sie kommen aus allen Teilen Deutschlands. Die jüngsten sind 16 Jahre alt, die ältesten 25 Jahre. Manche haben ihr Abitur schon in der Tasche, andere gehen noch aufs Gymnasium. Was sie eint: Sie interessieren sich für naturwissenschaftliche und technische Themen, kurz für die MINT-Fächer. Unter den Teilnehmern sind sechs Frauen. Die Marine hat viel Technik zu bieten und die Teilnehmer werden in den nächsten Tagen einen Eindruck von den technischen Möglichkeiten bei der Marine bekommen. Sie werden das Minensuchboot Pegnitz und das Flottendienstboot Oste kennenlernen und Lasertechnik in einem Labor der Bundeswehruniversität Hamburg ausprobieren. Aber auch Strammstehen und im Gleichschritt Marschieren stehen auf dem Programm.

Jeder muss seine Aufgabe erfüllen

So zum Beispiel beim Marsch zum ersten Essenfassen. Doch mit Disziplin geht das Ganze noch nicht über die Bühne: Ruckelei und Gedränge beim Aufstellen vor der Unterkunft. Die erste Reihe steht, wenig später auch die zweite. Die etwa 15 Minuten im Gleichschritt zum Essenfassen – die Zweier-Rotte eiert noch gewaltig. Nach dem Essen wartet ein Vortrag von Oberstabsbootsmann Hans-Georg Szyza, Leiter des Truppenbesuchszentrums in Kiel, auf die jungen Leute. „Die Marine ist ein spannender, aber auch herausfordernder Arbeitsplatz. Mit Samthandschuhen wird hier niemand angefasst, jeder muss seine Aufgabe erfüllen. Wenn 100 Kilo geschleppt werden müssen, müssen 100 Kilo geschleppt werden“, sagt Szyza. Die Teilnehmer schreckt er mit dieser Ankündigung nicht. Sie hören weiterhin interessiert zu. Komfortbonus für Frauen? Fehlanzeige, so Szyza. Aber: Passen Mensch und Aufgabe partout nicht zusammen, werde innerhalb der Bundeswehr nach Lösungen gesucht.

Im Labor der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg lernen die Jugendlichen, wie ein Laser funktioniert. (Foto: Vivian Simon)

Marine ist mehr als Meer – das wird auch den jungen Menschen in der MINT-Woche schnell klar. Kampfschwimmer, Schiffsärzte, Sanitäter, Minentaucher, Informatiker, Piloten, Infanteristen, Personalmanager – zu Wasser und zu Land sind Spezialisten gefragt, die Hand in Hand zusammenarbeiten.

Eine besondere Berufsspezies, das schildert eine Soldatin in der Ausbildungsanlage Führungs- und Waffeneinsatzsystem in Eckernförde, seien die Sonaristen („Sonis“). Mit ihren Kameraden im U-Boot zählen sie zu den leisen Jägern der Marine. Ihre Aufgabe ist es, zur Lagebilderstellung auf See beizutragen und durch gezielte Auswertung von Geräuschpegeln im Wasser seegehende Einheiten zu identifizieren und zu klassifizieren. Das ist ist im Ernstfall überlebenswichtig für U-Boot-Mannschaften, die in ihren Booten lautlos in der dunklen Tiefe fahren und nicht entdeckt werden dürfen.

Schon vor den Schnuppertagen entschieden

Generell kommen die meisten Teilnehmer der MINT-Woche bereits sehr motiviert zu den Schnuppertagen. Manche haben sich gar schon vor den fünf Tagen bei der Marine für eine Karriere bei der Bundeswehr entschieden. So zum Beispiel der 16-jährige Ole Langkutsch aus Aurich. „Ich weiß seit meinem fünften Lebensjahr, dass ich zur Bundeswehr will. Ich will Marineflieger werden, wenn ich das Abi habe.“ Schon als Junge habe er mit seinem Vater eine Bundeswehr-Messe besucht, das habe ihn begeistert, erzählt er. Seitdem war klar: Langkutsch will zur Truppe. Mit fünf? Erstaunlich.

Ausflug in die Welt der Kriegsführung: Anhand eines Modells erklärt ein Offizier der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg den MINT-Teilnehmern eine Kampfstrategie. (Foto: Vivian Simon)

Aber Langkutsch ist kein Einzelfall. Der 17-jährige Louis Schmitz aus Gärtringen erzählt, dass er erst vier Jahre alt war, als er zum ersten Mal in Kontakt mit der Bundeswehr kam. Schon damals habe er seinen Eltern gesagt, dass er zur Marine wolle. Inzwischen hat er, der mehrere Sprachen spricht, seinen Lebensweg geplant: Abitur, Marinesoldat auf Zeit, Jura studieren, Richter werden. Julia Dinse (23) aus Hamburg ist sich dagegen noch nicht so sicher, was sie werden will. Die Studentin der Ernährungswissenschaft ist geschichtsinteressiert und will ausloten, wo ihr Platz in der Marine sein könnte.

Die Teilnehmer sind bunt zusammengewürfelt und sehr verschieden in Alter, Herkunft und Berufsplänen. Doch sie eint, dass ihnen die fünf Tage in der Marine gut gefallen, sie immer motiviert und interessiert an den verschiedenen Programmpunkten mitmachen. So zum Beispiel bei den U-Booten in Eckernförde. Beim Besuch im U-Boot-Zentrum des 1. U-Bootgeschwaders wird das Interesse an der Marine mit jeder Frage, die aus Sicherheitsgründen nicht beantwortet werden darf, sogar noch größer. Wie schnell ist ein Torpedo? Lächeln und Schweigen. Wie tief kann ein U-Boot sinken? Lächeln und Schweigen. Wie schnell sind U-Boote? Lächeln und Schweigen. Darf der Kugelkompass mit Waffenschussanlage in der Operationszentrale fotografiert werden? Lächeln und Kopfschütteln.

Hybride Bedrohung stets im Blick

Wie immens wichtig es in Zeiten von russischer Sabotage und Spionage ist, Geheimhaltung zu wahren, erklärt ein Sprecher der Teilstreitkraft Cyber- und Informationsraum auf loyal-Anfrage: „Marineschiff, Kampflugzeug oder Panzer: Die hybride Bedrohung eines Angriffs auf IT-Systeme der Bundeswehr besteht permanent. Auch infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine sind die Systeme der Bundeswehr noch mehr in den Fokus des Gegners gerückt.“

Einblick in den Leitstand des Minensuchboots Pegnitz. (Foto: Vivian Simon)

Ab 2029 kommt zum Beispiel das Flottendienstboot der Klasse 424 neu in die Marine. Die neuen Flottendienstboote werden die alten aus den 1980er-Jahren ablösen und sind mit modernen elektronischen, hydroakustischen und elektrooptischen Sensoren ausgestattet. Sie werden die neuen „Augen und Ohren“ der Marine sein. Milliarden Daten werden auf dem „schwimmenden Rechenzentrum“ verarbeitet werden. Deshalb ist das Fahrzeug ein potenzielles Hochwertziel des Gegners. Das Personal, das seinen Dienst zukünftig auf dem FDB 424 leiste, werde bereits jetzt am künftigen System, in der IT-Sicherheit sowie Cyberabwehr geschult, so der Sprecher des Cyber- und Informationsraums der Bundeswehr.

Zurück zur MINT-Woche der Marine: Die jungen Leute besuchen gerade den Vorgänger der zukünftigen Flottendienstboote der Klasse 424, das Flottendienstboot Oste. Sie staunen, dass die Oste, ein 84 Meter langes Schiff, mit Sauna und Fitnessraum sogar einen gewissen Luxus bietet. Deutlich kompakter und enger geht es dagegen auf dem Minenjagdboot Pegnitz zu, auf dem die jungen Leute ein bisschen Seeluft schnuppern dürfen. Beim Auslaufen aus dem Kieler Hafen wird dabei „Niemals sang- und klanglos“ der Band Versengold gespielt und beim wieder Einlaufen ertönt „Bad Moon Rising“ von Creedence Clearwater Revival. Das sorgt für Gänsehautmomente nach einer Vier-Stunden-Tour auf der Ostsee. Die Fahrt dient dazu, das Marineleben auf See authentisch zu veranschaulichen.

Schlafen auf dem Schwangerschaftskissen

Die Pegnitz wird heute hauptsächlich zur Truppenwerbung eingesetzt; sie war bis 2024 zum Aufspüren von Flüchtlings- und Schlepperbooten im Mittelmeer unterwegs. Das Boot – befehligt von Kapitänleutnant Jenny Linken – hat gleich zwei Besonderheiten, die die MINT-interessierten jungen Besucher beeindrucken und amüsieren: Es gibt spezielle Austauschrunden für Frauen an Bord, denn „nicht immer will man alles in großer Runde an- oder besprechen. Frauenspezifische Themen gehören definitiv dazu“, so Linken, die meist mindestens zwei Soldatinnen – zum Beispiel Sanitäterinnen – mit an Bord hat.

Große Heiterkeit unter Deck: dass „Leben in der Lage“ keine leere Worthülse ist, schildert ein Unteroffizier in einer Vierer-Kajüte mit schmalen Betten. Wenn Mann gar nicht mehr wisse, wie er liegen solle, plaudert ein Soldat aus dem Nähkästchen, dann helfe zur Rückenstärkung auch mal ein Schwan­gerschaftskissen aus dem Fundus seiner Frau. Die Bilanz nach fünf Tagen Einblick in die Marine: Die jungen Menschen sind begeistert. Vier von den 18 wollen sich nun bei der Marine bewerben. Damit hätte die Marine ihr Ziel erreicht – die Nachwuchswerbung hat funktioniert. Doch ob das die Personalprobleme der Marine löst, bleibt abzuwarten. Es gab eigentlich 30 Plätze für diese MINT-Woche.


Die Autorin

Vivian Simon ist Buchautorin und Fachjournalistin mit dem Schwerpunkt „Change Management für Cybersicherheit“.

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