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Mos­kau spielt wie­der mit

Wäh­rend Eu­ro­pa und die USA im neuen Ost-West-Kon­flikt mit Russ­land vor allem auf die Ukrai­ne schau­en, baut der rus­si­sche Prä­si­dent Wla­di­mir Putin die Po­si­ti­on sei­nes Lan­des auch im Nahen Osten aus und schafft dort neue Ab­hän­gig­kei­ten. Die Welt­öf­fent­lich­keit nimmt von die­ser mi­li­tä­ri­schen und wirt­schaft­li­chen Ex­pan­si­on kaum Notiz.

Rus­si­sche Kampf­flug­zeu­ge vom Typ Suchoi Su-35S bei der Dubai-Air­show 2021. Russ­land zeigt nicht nur Prä­senz bei Rüs­tungs­mes­sen im ara­bi­schen Raum, son­dern en­ga­giert sich auch mi­li­tä­risch in dor­ti­gen Kon­flikt­re­gio­nen wie Sy­ri­en.

Foto: imago images/SNA

Als am 9. No­vem­ber 1989 in Ber­lin die Mauer fiel, zer­brach ein Welt­reich im Osten. Die So­wjet­uni­on ver­lor in den fol­gen­den Mo­na­ten und Jah­ren nicht nur an Stolz und Selbst­wert­ge­fühl, son­dern auch an Macht und Ein­fluss in der Welt. Ein Netz von in­ter­na­tio­na­len Basen und mi­li­tä­ri­schen Ko­ope­ra­ti­ons­part­nern ver­schwand fast über Nacht. Viele ehe­ma­li­ge Ver­bün­de­te ori­en­tier­ten sich neu in Rich­tung Wes­ten – auch die im Nahen Osten. Der Traum vom Zu­gang zu „war­men Ge­wäs­sern“ war vor­erst passé.

Viele schätz­ten den Nach­fol­ge­staat Russ­land be­reits als nicht mehr ernst­zu­neh­men­den Kon­kur­ren­ten ein. Doch Mos­kau be­wies Durch­hal­te­stär­ke und stra­te­gi­sche Weit­sicht. Ruhig ana­ly­sie­rend, ab­war­tend, aber ziel­ge­rich­tet war der rus­si­sche Bär be­strebt, die vom Wes­ten hin­ter­las­se­nen geo­stra­te­gi­schen Leer­räu­me im Ori­ent zu fül­len. In­zwi­schen ist er zu­rück. Der hohe Ein­satz an „Blut und Schweiß“ in meh­re­ren Län­dern, wie zum Bei­spiel die kos­ten­in­ten­si­ve Un­ter­stüt­zung des Assad-Re­gimes in Sy­ri­en, hat Mos­kau zu­rück auf die Ebene der Ent­schei­der ge­ho­ben. Mi­li­tä­risch, fi­nan­zi­ell, öko­no­misch, aber auch di­plo­ma­tisch spielt Russ­land wie­der eine Rolle im Mit­tel­meer und Ara­bi­schen Golf.

Im lang­jäh­ri­gen Kräf­te­mes­sen mit den USA und in Vor­be­rei­tung mög­li­cher Stell­ver­tre­ter­krie­ge konn­te der Kreml sich im letz­ten Jahr­hun­dert in di­ver­sen Län­dern des Nahen Os­tens und des Ma­ghreb po­si­tio­nie­ren. Dabei ba­sier­ten ehe­mals die Be­zie­hun­gen der So­wjet­uni­on zu den ara­bi­schen Staa­ten zu­nächst auf einer ge­mein­sa­men an­ti­im­pe­ria­lis­ti­schen In­ter­es­sen­ge­mein­schaft. Diese geo­stra­te­gi­sche Be­deu­tung der Re­gi­on ge­riet nach dem Mau­er­fall zu­nächst in Ver­ges­sen­heit – auch wegen der hohen fi­nan­zi­el­len Be­las­tung. Die alten Ver­bün­de­ten und tra­di­tio­nel­len Waf­fen­käu­fer wech­sel­ten den An­bie­ter. Mos­kau konn­te es sich auch wirt­schaft­lich nicht mehr leis­ten, die Macht­pro­jek­ti­on der So­wjet-Ära auf­recht­zu­er­hal­ten. Zu sehr war es mit sich selbst und der Ost­erwei­te­rung der NATO be­schäf­tigt.

Mos­kau pro­fi­tiert in­di­rekt vom IS

Durch den Weg­fall der Ex­port­märk­te für Waf­fen in Af­gha­ni­stan, Li­by­en und im Irak sank der An­teil am welt­wei­ten Rüs­tungs­ex­port in den 1990-er Jah­ren von 38 auf 17 Pro­zent. Aber auch auf der po­li­ti­schen Ebene ver­lor das stän­di­ge Mit­glied im UN-Si­cher­heits­rat kon­ti­nu­ier­lich Ein­fluss und Durch­set­zungs­ver­mö­gen. Doch heute scheint sich das Blatt wie­der zu wen­den. Unter dem seit dem Jahr 2000 herr­schen­den Prä­si­den­ten Putin spiel­te das flä­chen­grö­ß­te Land der Welt vor allem sei­nen Reich­tum an Bo­den­schät­zen aus. Wäh­rend sich die USA als Schutz­pa­tron Saudi-Ara­bi­ens und der Golf­staa­ten in der Ver­gan­gen­heit rie­si­ge Ex­port­märk­te für mo­der­ne Waf­fen si­cher­ten, nutzt Russ­land ak­tu­ell be­son­ders die vo­la­ti­len Si­tua­tio­nen in den Bür­ger­kriegs­län­dern Sy­ri­en und Li­by­en. Dabei pro­fi­tiert Mos­kau in­di­rekt von der Ter­ror­or­ga­ni­sa­ti­on „Is­la­mi­scher Staat“, die seit 2013 die Ord­nung im Nahen Osten durch­ein­an­der­wir­belt.

Fast un­be­merkt und im Schat­ten des Kamp­fes der US-ge­führ­ten Ko­ali­ti­on gegen das Ka­li­fat des IS-Füh­rers al-Bagh­da­di stütz­te Putin den unter Druck ste­hen­den sy­ri­schen Re­gie­rungs­chef Ba­schar Hafiz al-Assad. Der im Zuge des Ara­bi­schen Früh­lings 2011 aus­ge­bro­che­ne mi­li­tä­ri­sche Kon­flikt zwi­schen sei­nem Re­gime und der Op­po­si­ti­on zieht sich in die Länge. Dem Wes­ten lief die immer stär­ke­re Ver­mi­schung von Op­po­si­ti­ons- und Ter­ror­grup­pen zu­wi­der. Zu häu­fig fan­den Hilfs­gü­ter und -gel­der den Weg in die Hände von IS und Co.

Der rus­si­sche Prä­si­dent Wla­di­mir Putin (3.v.l.)ist neben dem Iran der ein­zi­ge Ver­bün­de­te des sy­ri­schen Dik­ta­tors Bas­har al-Assad (2.v.l.). (Foto: imago/Rus­si­an Look)

In die­ses Macht­va­ku­um stieß Mos­kau ge­schickt und kon­se­quent vor. Der rus­sisch-sy­ri­sche Ver­trag von Au­gust 2015 er­öff­ne­te Putin voll­stän­di­gen Zu­gang zur neu ge­bau­ten Luft­waf­fen­ba­sis Hmeim­im im Nord­wes­ten Sy­ri­ens. Nur kurze Zeit spä­ter lie­fer­te der große Bru­der das Flug­ab­wehr­sys­tem S-400 zum Schutz der Luft­waf­fen- und Ma­ri­ne­ba­sis in Tar­tus gegen feind­li­che An­grif­fe. 2017 pach­te­te Russ­land nach dem Ver­lust der Stütz­punk­te in Ägyp­ten und Li­by­en für 49 Jahre mit Tar­tus end­lich wie­der eine Mit­tel­meer­ba­sis – und ist damit zu­rück an den war­men Ge­wäs­sern. Die Re­no­vie­rung der Lan­de­bahn in Hmeim­im er­laubt nun sogar den Start von Lang­stre­cken­bom­bern. Neben dem lang­fris­ti­gen Ein­nis­ten am Mit­tel­meer zielt Mos­kau al­ler­dings auch auf die Be­kämp­fung des Is­la­mi­schen Staa­tes. Mit di­ver­sen Luft­an­grif­fen ver­sucht Putin das Ein­si­ckern von IS-Kämp­fern in den Nord­kau­ka­sus zu ver­hin­dern.

Neben Sy­ri­en schaut Prä­si­dent Putin aber auch auf die alten Part­ner. Ge­mein­sa­me Ma­nö­ver mit der ägyp­ti­schen Ma­ri­ne und der Be­such der Fre­gat­te „Ad­mi­ral Ka­s­a­to­nov“ im Ja­nu­ar 2021 waren die ers­ten Schrit­te in Rich­tung Nil. Kairo bleibt je­doch nach Is­ra­el der zweit­grö­ß­te Emp­fän­ger ame­ri­ka­ni­scher Mi­li­tär­hil­fen und lässt so nur be­grenz­ten Spiel­raum für einen rus­si­schen Ein­fluss­zu­wachs.

Stell­ver­tre­ter­krieg in Li­by­en

An­ders sieht es hin­ge­gen im Bür­ger­kriegs­land Li­by­en aus. Dort ent­wi­ckel­te sich in Ab­we­sen­heit Wa­shing­tons ein neuer Stell­ver­tre­ter­krieg zwi­schen der Tür­kei und der EU auf der einen sowie Russ­land, den Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emi­ra­ten, Ägyp­ten und Frank­reich auf der an­de­ren Seite. Dabei un­ter­stützt Mos­kau fi­nan­zi­ell und ma­te­ri­ell über den Umweg der pri­va­ten „Wag­ner“- Söld­n­er­grup­pe den ost­li­by­schen Ge­ne­ral Haft­ar. Das seit 2019 im Bür­ger­krieg agie­ren­de pri­va­te rus­si­sche Si­cher­heits- und Mi­li­tär­un­ter­neh­men soll bis zu 3.000 Söld­ner – auch aus Sy­ri­en – im Ein­satz haben. Im Mai 2020 ver­leg­te die rus­si­sche Armee zu­sätz­lich MiG-29- und Su-24-Kampf­flug­zeu­ge auf den Flug­ha­fen al-Juf­rah im Osten des öl­rei­chen Lan­des am Mit­tel­meer.

Dar­über hin­aus spielt Putin auch auf dem öko­no­mi­schen Kla­vier, be­son­ders im En­er­gie­sek­tor. Auf Basis von Mil­li­ar­den­ver­trä­gen baut der Kon­zern Ro­satom bis 2026 Ägyp­tens ers­tes Atom­kraft­werk mit vier Re­ak­to­ren in al-Dabaa an der Mit­tel­meer­küs­te. Dar­über hin­aus in­ves­tiert der Kreml in das ägyp­ti­sche Gas­feld „Zohr“, das ver­meint­lich grö­ß­te in der Re­gi­on. Der Ros­neft-Kon­zern er­warb 30 Pro­zent der Ak­ti­en­an­tei­le und ver­sprach, bis zu zwei Mil­li­ar­den Dol­lar ein­zu­brin­gen. Der rus­si­sche Mil­li­ar­där Mik­hail Frid­man in­ves­tiert par­al­lel in das West-Nil-Delta-Gas­pro­jekt. In der Tür­kei er­rich­tet ein Kon­sor­ti­um unter Lei­tung der rus­si­schen Kon­zer­ne Ro­satom und Atom­stro­i­ex­port seit 2018 vier Atom­kraft­werks­blö­cke. In Amman er­hielt Ro­satom den Zu­schlag für den Bau von zwei Re­ak­to­ren; aus Kos­ten­grün­den wurde die­ses Pro­jekt je­doch vor­erst ver­scho­ben. An­fang 2018 ver­gab die li­ba­ne­si­sche Re­gie­rung zwei Li­zen­zen für die Erd­gas­för­de­rung in sei­nen Ho­heits­ge­wäs­sern an ein Kon­sor­ti­um aus der ita­lie­ni­schen Firma ENI, dem fran­zö­si­schen Un­ter­neh­men TOTAL und dem rus­si­schen Kon­zern No­va­tek.

Lö­sung des Sy­ri­en-Kon­flikts ohne Mos­kau un­denk­bar

Aber nicht nur mi­li­tä­risch und öko­no­misch, auch po­li­tisch ist der rus­si­sche Bär auf dem in­ter­na­tio­na­len Par­kett der Ent­schei­dungs­trä­ger im Nahen Osten zu­rück. Eine Lö­sung des Sy­ri­en-Kon­flikts ist ohne Mos­kau nicht mehr denk­bar. Als In­itia­tor des so­ge­nann­ten Ast­a­na-Pro­zes­ses or­ga­ni­sier­te Russ­land 2017 eine Art Par­al­lel­ver­an­stal­tung zur Frie­dens­in­itia­ti­ve der Ver­ein­ten Na­tio­nen. Auf ver­schie­de­nen Gip­fel­tref­fen, zum Teil in An­we­sen­heit der UN und von Ver­tre­tern der USA, sucht Putin mit sei­nen Haupt­part­nern Iran und Tür­kei nach Frie­dens­lö­sun­gen – na­tür­lich unter Bei­be­hal­tung sei­nes Pro­te­gés Assad. Die Zu­kunft des ala­wi­ti­schen Au­gen­arz­tes wird also nicht mehr in Wa­shing­ton, son­dern in Mos­kau, An­ka­ra und Te­he­ran ent­schie­den.

Im mi­li­tä­ri­schen Ver­gleich fällt die rus­si­sche Prä­senz in der Nah­ost­re­gi­on wei­ter­hin stark hin­ter der 6. US-Flot­te im Mit­tel­meer und der 5. im Per­si­schen Golf zu­rück. Doch das kann nicht über den neuen Ein­fluss Mos­kaus im Nahen Osten hin­weg­täu­schen. Russ­land kon­zen­triert sich auf die Aus­nut­zung von Lü­cken und Schwach­stel­len der ver­meint­li­chen Kon­kur­ren­ten. Es ver­mei­det ge­schickt di­rek­te Kon­fron­ta­tio­nen mit den USA und fo­kus­siert sich auf be­schränk­te stra­te­gi­sche In­ves­ti­tio­nen mit Lang­zeit­wir­kung. Das ist Prä­si­dent Putin in Sy­ri­en ge­lun­gen. Ob sich Mos­kau auch in Li­by­en und der Golf­re­gi­on mit­tel­fris­tig er­neut eta­blie­ren kann, hängt al­ler­dings vor allem vom En­ga­ge­ment Wa­shing­tons und der neuen Welt­macht China ab.

Über den Autor

Heino Matz­ken ist Ver­tei­di­gungs­at­ta­ché an der deut­schen Bot­schaft in Bei­rut. In die­sem Bei­trag gibt er seine per­sön­li­che Mei­nung wie­der.

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