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Mehr als ein Stolperdraht

Das Multinationale Korps Nordost ist 25 Jahre alt geworden. Aus der Initiative von Deutschland, Dänemark und Polen 1999 ist ein Hauptquartier geworden, das inzwischen mehr als 400 Soldaten und Zivilangestellte aus 21 NATO-Nationen umfasst. Der Großverband soll die Nordostflanke des Bündnisses schützen. Mit der kommenden deutschen Kampfbrigade in Litauen wird das Korps noch stärker.

Generalleutnant Jürgen-Joachim von Sandrart führt derzeit das Kommando über das Multinationale Korps Nordost. Das Foto zeigt ihn bei der Probe für eine Zeremonie zum 25-jährigen Bestehen des Korps vor wenigen Tagen in Stettin.

Foto: Stephan Pramme

loyalmultinationales korpsnato

Am 18. September 1999 nahm ein ganz neuer Großverband im polnischen Stettin seine Arbeit auf. Das Multinationale Korps Nordost (MNCNE) sollte die Flanke im Nordosten des Bündnisgebiets absichern – damals noch ohne die baltischen Länder Litauen, Lettland und Estland, die erst 2004 der NATO beitraten. Polen als jüngstes Mitglied der Allianz gehörte 1999 neben Deutschland und Dänemark zu den Gründungsnationen. Aus einem ehemaligen Gegner wurde ein Freund. Die Gründung des Korps war auch eine geeignete Maßnahme, dem NATO-Neuling Polen die Integration in das Bündnis zu erleichtern. Mit dem Beitritt Litauens, Lettlands und Estlands in die NATO erweiterte sich2004 das Verantwortungsgebiet des Korps auch auf diese drei baltischen Staaten. Es folgte die Phase der Auslandseinsätze, die auch das MNCNE betraf. In Afghanistan verlor es bei insgesamt drei Einsätzen in den Jahren 2007, 2010 und 2014 zwei Soldaten, einen dänischen und einen polnischen Kameraden.

Seit der Rückkehr zur Bündnisverteidigung 2017 fungiert die Korps-Zentrale in den Baltic Barracks aus dem Jahr 1935 in Stettin nunmehr als High Readiness Force Headquarters, also als schnell einsetzbares Hauptquartier. Es stärkt damit die Reaktionsfähigkeit im Ostseeraum und ist ein Garant für den Frieden in der Großregion. Dem Korps sind drei Divisionen unterstellt, zwei multinationale und eine estnische. Ihnen zugeordnet sind vier multinationale Battlegroups jeweils in Estland, Lettland, Litauen und Polen. In Lettland ist die Battlegroup bereits zu einer Brigade aufgewachsen. Das ist auch für die drei anderen geplant. Die kommende deutsche Brigade in Litauen wird ebenfalls dem Korps unterstellt.

Einheitliche Befehlsgewalt für Polen und das Baltikum

Dem Großverband, der augenblicklich noch von dem deutschen Generalleutnant Jürgen-Joachim von Sandrart geführt wird, obliegt die einheitliche Befehlsgewalt für die NATO-Aktivitäten in Estland, Lettland, Litauen und Polen. Es trägt als höchstes NATO-Kommando die Verantwortung für die NATO-Bodentruppen, die bereits an der Nordostflanke der Allianz stationiert sind. Bei Bedarf ist es in der Lage, weitere Truppen zu befehligen, die im Krisenfall schnell verlegbar sind. In Kürze soll ein weiteres NATO-Hauptquartier im Ostseeraum entstehen: in Finnland, geführt von einem schwedischen General. Dann wäre die NATO-Struktur in diesem sensiblen sicherheitspolitischen Raum komplett.

Bei einer feierlichen Zeremonie an den Stettiner Hakenterrassen kündigte Generalleutnant von Sandrart Ende September die Aufnahme Litauens in den Kreis der drei Rahmennationen des Multinationalen Korps Nordost an. Damit zeichnet die NATO das Engagement des baltischen Staates für die gemeinsame Verteidigung aus.  Litauen stellt auch die Infrastruktur für die deutsche Kampfbrigade in dem Land zur Verfügung, die 2025 in Dienst gestellt werden soll. Ein Vorauskommando der Bundeswehr ist dafür bereits in Litauen. Im Interview mit loyal betonte Generalleutnant von Sandrart, dass diese Brigade eine signifikante Stärkung der Nordostflanke bedeute.  „Die Qualität der Brigade ist am oberen Ende der Skala anzusetzen“, sagte von Sandrart. Er zeigte sich zufrieden über die Tatsache, dass Deutschland damit mehr Verantwortung im Ostseeraum übernimmt: „Minister Pistorius hat mit der Brigade eine großartige Entscheidung getroffen. So wie es im Kalten Krieg wichtig war, dass unsere Verbündeten Verbände nah an der Grenze zum Warschauer Pakt stationiert haben, so zeigt Deutschland mit der Stationierung einer Brigade im Baltikum sein Eintreten für die gemeinsame Sicherheit.“

Klares Zeichen an Russland

In der Tat: Die bisherige Enhanced Forward Presence des Bündnisses im Baltikum, die von vier multinationalen Battlegroups dargestellt wird war wichtig, aber sie war eben nur als „Stolperdraht“ für russische Truppen gedacht, sollten die ins Baltikum einmarschieren. Mit der deutschen Brigade und dem Aufgehen der Battlegroups in regelrechten Brigaden lässt das Multinationale Korps diese Phase bald hinter sich und tritt ein in ein Verteidigungsmodell, das dem ähnelt, was es schon einmal zur Zeit des Kalten Kriegs mit der Strategie der Vorneverteidigung in der alten Bundesrepublik gab. Dieselbe Wirkung erhoffen sich die NATO-Planer von der Stärkung des Korps durch die Aufstellung der deutschen Litauen-Brigade ganz nah an der Bündnisgrenze. Das Zeichen an Russland ist damit klar – und es ist ja bekanntlich nur diese Sprache, die Präsident Putin versteht: die der Stärke.

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