Das Verteidigungsministerium hat eine neue Heeresstruktur gebilligt. Das sogenannte „Zielbild Einsatzkräfte Heer“ liegt der loyal-Redaktion vor. Es zeigt unter anderem die kommenden Mittleren Kräfte mit Maschinenkanonen-Boxer. Jene werden über drei Brigaden abgebildet (Details Mittlere Kräfte in loyal 4/2022). Bei der 10. Panzerdivision fällt die Rolle Mittlerer Kräfte der bisherigen Deutsch-Französischen Jägerbrigade zu. Bei der 1. Panzerdivision werden dazu die Panzerbrigade 21 und die Panzergrenadierbrigade 41 komplett umstrukturiert. Im Zielbild wird dies deutlich durch das taktische NATO-Zeichen für „Medium Infantry Brigade“. Unter anderem gibt die Panzerbrigade 21 ihr Panzerbataillon 203 an die Panzerlehrbrigade 9 ab. Die Noch-Panzergrenadierbrigade 41 ist jene mit dem Auftrag, die neue multinationale Kampfbrigade in Litauen aufzubauen, die dort um einen deutschen Kern entstehen soll. Interessant wird, ob und wie die Panzerwaffen-Verzahnung mit Polens Landstreitkräften weiter läuft. Deren Träger auf Seiten der Bundeswehr ist bis jetzt die Panzergrenadierbrigade 41. Deren Partner im polnischen Heer ist die 10. Panzerkavalleriebrigade. Die jüngsten Beschaffungsentscheidungen Polens wiederum laufen auf einen mittelfristigen Ersatz der polnischen Leopard-2 durch südkoreanische K-2 hinaus.
„New Force Model“
Die große Veränderung in der kommenden Heeresstruktur sind Verbände in Bataillonsstärke auf Divisionsebene sowie der Aufbau von Korpstruppen. Das sind die zentralen Maßnahmen mit Blick auf die Ambition der NATO, über ihr „New Force Model“ ab 2025 umfassend Truppen in Divisionsgröße mobilisieren zu könne. Die bisherige Response Force begnügt sich noch mit Rotationskontingenten in Brigadestärke. Für den deutschen Erstbeitrag zum „New Force Model“ in drei Jahren wird ein Kräftedispositiv „Division 2025“ aus dem Heer zusammengezogen. Hauptmanöverelemente sollen zwei mechanisierte Brigaden der 10. Panzerdivision sein, die auch ihre Divisionstruppen einbringt. Parallel dazu läuft die Ertüchtigung der 1. Panzerdivision. Sie soll ab 2027 die erste aus sich heraus gerüstete Division nach der Zielstruktur sein. Weitere markante Änderungen: Die Gebirgsjäger wechseln von der 10. Panzerdivision zur Division Schnelle Kräfte. Das Fallschirmjägerregiment 26 der Luftlandebrigade 1 wird in drei Bataillone aufgelöst.
Tiefe Integration der Reserve
Das Zielbild erfasst nur die aktiven Truppenteile, nicht die Heeresreserve aus Ergänzungstruppenteilen wie das Panzergrenadierbataillon 909. Damit die drei Divisionen im Kriegsfall durchhaltefähig werden, müssen sich die Reservetruppen nahtlos innerhalb kürzester Zeit aktivieren lassen. Dazu soll eine „tiefe Integration“ der Reserve in die aktiven Verbände erfolgen. Wie das belastbar umgesetzt wird, ist noch unklar. Eine große Herausforderung für die Bundeswehr, die zügig gelöst werden muss.
Couleurverhältnisse statt Zusammenlegung
Die jetzt festgelegte Heeresstruktur macht auch deutlich, dass sich Generalinspekteur Eberhard Zorn mit seinem zentralen Anliegen nicht durchsetzen konnte: Zorn zielte auf weniger Organisationsbereiche. Zuvorderst sollte Streitkräftebasis und Sanität aufgelöst werden, um deren Kräfte direkt ins Heer einzubringen. Jenes braucht massiv mehr Unterstützungskräfte für seine Divisionen, um diese künftig rasch mobilisieren zu können. Nun werden die Unterstützungskräfte wie Logistik weiterhin aus den Organisationsbereichen beigestellt. Die Größenordnung steht laut Zielbild noch nicht fest. Wahrscheinlich ist hier der Aufbau von sogenannten „Couleurverhältnissen“. Ein potenzielles Beispiel: Der Organisationsbereich Sanität generiert für jede Heeresdivision eine Sanitätsbrigade. Diese sind ihrer Division fest zugeordnet werden von dieser geführt. Auf Brigade-Ebene wird vor allem die Führungsunterstützung ausgebaut. Die Stabs- und Unterstützungskompanien gliedert das Heer in Stabskompanien sowie Fernmeldekompanien auf.
Schwachpunkt Artillerie
Auffällig an der geplanten Heeresstruktur ist, wie schwach die Artillerie bleibt. Dabei wird dieses Manko von der Streitkräfteführung vor allem seit Beginn des Ukrainekrieges ständig betont. Die zentrale Bedeutung leistungsstarken indirekten Feuers zeigen die dortigen Kämpfe eindrücklich. Die Bundeswehr verfügt seit Jahren nur noch über eine Rumpffähigkeit von vier Artillerie-Bataillonen. Nun kommen lediglich fünf hinzu. Deren Aufbau soll aber bis 2027 erfolgen, was sehr ambitioniert ist.
Doch die integrierten niederländischen Heeresbrigaden bleiben gänzlich ohne Artillerie. Ebenso ist keine Artillerie auf Korpsebene vorgesehen. Zum Jahresanfang galten noch Pläne, Regimenter zu formen. Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums im Februar gegenüber loyal: „Von derzeit vier vorhandenen Bataillonen, soll die Artillerietruppe auf drei Artillerieregimenter sowie ein zusätzliches Artilleriebataillon aufwachsen.“ Die Ursprungsplanung zur Ertüchtigung des indirekten Feuers der drei Felddivisionen, das „Bühler-Papier“ von 2017, sah sogar 14 Artillerie-Bataillone vor.
Baustelle Flugabwehr
Über die Artillerie-Bataillone wird das Heer zudem eine mobile Flugabwehr aufbauen, zeigt das Zielbild. Mit welchen Systemen das erfolgt, ist noch unklar. Die Verantwortung dazu liegt bei der Luftwaffe, die ihre Planungen noch nicht abgeschlossen hat. Auch die künftigen Systeme der Artillerie sind noch offen. So ist für die Mittleren Kräfte Rad-Artillerie vorgesehen, die es in der Bundeswehr noch nicht gibt. Zur neuen Artillerie laufen im Amt für Heeresentwicklung Untersuchungen samt Feinausplanung. Wann der Abschluss erfolgt, ist noch offen, so ein Heeressprecher gegenüber loyal.