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Neue Nor­ma­li­tät im Rand­meer

Russ­lands Po­si­ti­on hat sich in der Ost­see ra­di­kal ver­än­dert. Zu So­wjet­zei­ten be­herrsch­te der War­schau­er Pakt mit sei­nen Flot­ten weite Teile die­ses Mee­res. Heute ist Russ­land durch den NATO-Bei­tritt Schwe­dens und Finn­lands an den Rand ge­drängt und re­agiert mit Ag­gres­si­on und Pro­vo­ka­ti­on. Re­gel­mä­ßig kommt es zu Zwi­schen­fäl­len.

Die rus­si­sche Kor­vet­te Rezky im Sep­tem­ber beim Flot­ten­ma­nö­ver „Ozean 2024“ in in­ter­na­tio­na­len Ge­wäs­sern vor Japan. Bei „Ozean 2024“ übten die Rus­sen auch in der Ost­see.

Foto: pic­tu­re al­li­an­ce / dpa / TASS

Das Flot­ten­ma­nö­ver „Ozean 2024“, das Russ­land im Sep­tem­ber ab­hielt, war nicht nur kon­ti­nent-um­span­nend, son­dern auch das grö­ß­te sei­ner Art seit Zer­fall der So­wjet­uni­on. Mehr als 400 Kriegs­schif­fe, 120 Flug­zeu­ge und 90.000 Sol­da­ten nah­men nach An­ga­ben des Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums in Mos­kau daran teil – eine Übung der Su­per­la­ti­ve, wie sie die Welt seit drei Jahr­zehn­ten nicht mehr ge­se­hen hat. Er­probt wur­den Hoch­prä­zi­si­ons­waf­fen und die Zer­stö­rung feind­li­cher Stel­lun­gen. Die „Ozean“-Ma­nö­ver­rei­he war schon zu So­wjet­zei­ten ein Fix­punkt im Macht­ge­ba­ren des Kreml. Schon da­mals soll­te der Welt ge­zeigt wer­den, wie kriegs­be­reit die Flot­te des Rie­sen­reichs war. Das Übungs­ge­biet lag da­mals wie heute im Ark­ti­schen Ozean, im Pa­zi­fik, im Mit­tel­meer – und in der Ost­see.

Geo­gra­fisch ge­se­hen ist die Ost­see ein klei­nes Rand­meer, ver­steckt hin­ter dem Skan­di­na­vi­schen Ge­bir­ge und der Halb­in­sel Jüt­land, mehr Bin­nen­see als Meer. Nur drei Zu­gän­ge ver­bin­den die Ost­see mit dem At­lan­tik, einer schma­ler als der an­de­re: Gro­ßer und Klei­ner Belt sowie Öre­sund. Nicht we­ni­ger als 30 Jahre dau­ert es, bis das Was­ser der Ost­see ein­mal kom­plett aus­ge­tauscht ist. So klein und geo­gra­fisch rand­stän­dig die Ost­see auch ist – für die an­gren­zen­den Staa­ten ist sie von kaum zu über­schät­zen­der Be­deu­tung. So läuft bei­spiels­wei­se der fin­ni­sche Han­dels­ver­kehr zu 95 Pro­zent über die Ost­see. Selbst Russ­land ex­por­tiert nach wie vor ein Drit­tel sei­nes Öls über die Ost­see. Für Polen, die bal­ti­schen Staa­ten, Finn­land und Schwe­den stellt die Ost­see den ein­zi­gen Zu­gang zu den glo­ba­len See­we­gen dar. Fun­da­men­ta­le Wirt­schafts­in­ter­es­sen sind hier eng ver­wo­ben mit mi­li­tä­ri­schen Am­bi­tio­nen.

Die Ost­see ist mit 377.000 Qua­drat­ki­lo­me­tern Flä­che ein wenig grö­ßer als Deutsch­land – aber auf ihrem Was­ser und an ihren Ufern kon­zen­triert sich ein Mi­li­tär­ar­se­nal, das welt­weit sei­nes­glei­chen sucht. Russ­land und die NATO sto­ßen hier auf engs­tem Raum di­rekt auf­ein­an­der. Das war schon im Kal­ten Krieg so, aber in­zwi­schen haben sich die Ge­wich­te durch die neuen NATO-Mit­glie­der von Polen bis Finn­land stark zu Un­guns­ten Russ­lands ver­scho­ben, auch wenn seine Ost­see-Flot­te mit 45 Kriegs­schif­fen und U-Boo­ten und 3.000 Ma­ri­ne­sol­da­ten noch immer die stärks­te Ma­ri­ne in der Re­gi­on ist.

Ag­gres­si­vi­tät und Pro­vo­ka­tio­nen

Mos­kau ver­sucht seine ver­schlech­ter­te stra­te­gi­sche Po­si­ti­on durch zu­neh­men­de Ag­gres­si­vi­tät aus­zu­glei­chen. Die stän­di­gen rus­si­schen Pro­vo­ka­tio­nen ma­chen die Ost­see mehr und mehr zu einer ge­fähr­li­chen See­re­gi­on. „Die Ost­see wirkt be­reits seit Be­ginn der rus­si­schen In­va­si­on der Ukrai­ne im Jahr 2014 wie ein Brenn­glas der an­ge­spann­ten Be­zie­hun­gen zwi­schen der NATO und der Rus­si­schen Fö­de­ra­ti­on“, so Ju­li­an Paw­lak, wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter an der Hel­mut-Schmidt-Uni­ver­si­tät und des Bun­des­wehr-Thinktanks GIDS in Ham­burg im Ge­spräch mit loyal. Schon 2016 über­flo­gen rus­si­sche Bom­ber vom Typ SU-24 den US-Lenk­waf­fen­zer­stö­rer USS Do­nald Cook in der Ost­see, er­in­nert Paw­lak.

Die bal­ti­schen Staa­ten haben keine nen­nens­wer­te ei­ge­ne Luft­waf­fe. Die Luft­raum­über­wa­chung über­neh­men im Bal­ti­kum des­halb die NATO-Part­ner. Das Bild zeigt einen bri­ti­schen (vorn) und einen deut­schen Eu­ro­figh­ter auf dem est­ni­schen Mi­li­tär­flug­platz Ämari. ( Foto: Bun­des­wehr / Hoff­mann)

In­zwi­schen mel­den Me­di­en fast jede Woche ir­gend­ei­nen Zwi­schen­fall in der Re­gi­on. So be­we­gen sich rus­si­sche Mi­li­tär­flug­zeu­ge ohne Flug­plan, Trans­pon­d­er­ken­nung und ohne Kon­takt zur Flug­si­che­rung im in­ter­na­tio­na­len Luft­raum. Mal han­delt es sich um Auf­klä­rer vom Typ IL-20M, mal um SU-24-Bom­ber. Zu­wei­len drin­gen die Rus­sen sogar in na­tio­na­le Ho­heits­ge­bie­te ein, wie im Juni ge­sche­hen, als ein rus­si­scher Bom­ber die schwe­di­sche Ost­see­insel Got­land über­quer­te. In den meis­ten Fäl­len ver­folgt die NATO die rus­si­schen Rück­sichts­lo­sig­kei­ten pas­siv, zumal wenn sich die Ma­schi­nen un­auf­fäl­lig ver­hal­ten oder schnell wie­der in den ei­ge­nen Luft­raum zu­rück­keh­ren. Immer öfter aber stei­gen Ab­fang­jä­ger der Al­li­anz auf und be­glei­ten die un­ge­be­te­nen Gäste – wie im Falle des Got­land-Zwi­schen­falls zwei schwe­di­sche Kampf­jets. Mitte Au­gust stie­gen deut­sche Eu­ro­figh­ter auf, um mal wie­der einen Rus­sen am Him­mel über der Ost­see in Au­gen­schein zu neh­men. Sie ban­nen damit auch die Ge­fahr für den zi­vi­len Luft­ver­kehr, die von den rus­si­schen Geis­ter­flie­gern aus­geht.

Ein be­son­ders ge­fähr­li­ches Spiel trei­ben die Rus­sen mit der Stö­rung des GPS-Emp­fangs über der Ost­see. Vor allem in der Ex­kla­ve Ka­li­nin­grad be­treibt Mos­kau ent­spre­chen­de Stör­an­la­gen. Die meis­ten GPS-Stö­run­gen wer­den im Be­reich Est­land und Lett­land re­gis­triert, aber auch Finn­land und Polen sind be­trof­fen, manch­mal auch Dä­ne­mark und der Nord­os­ten Deutsch­lands. Seit Be­ginn des rus­si­schen An­griffs­kriegs in der Ukrai­ne hät­ten die Stö­run­gen si­gni­fi­kant zu­ge­nom­men, sagen Ex­per­ten. Laut der fin­ni­schen Agen­tur für Trans­port und Kom­mu­ni­ka­ti­on Tra­fi­com gab es al­lein in den ers­ten vier Mo­na­ten die­ses Jah­res 1.200 GPS-Stö­run­gen – eine dra­ma­ti­sche Zu­nah­me. Im ver­gan­ge­nen Jahr lag die Zahl bei 239, 2022 bei 65 und 2021 bei acht. Vor allem für die Luft- und die Schiff­fahrt sind GPS-Stö­run­gen ge­fähr­lich. Zu­wei­len müs­sen Pi­lo­ten und Ka­pi­tä­ne auf ihr Wis­sen aus dem vor­di­gi­ta­len Zeit­al­ter zu­rück­grei­fen und mit Karte und Kom­pass na­vi­gie­ren.

„Drei­di­men­sio­na­les Schach“

Auf See rü­cken Schif­fe der rus­si­schen Ma­ri­ne west­li­chen Ein­hei­ten manch­mal be­droh­lich nah auf den Pelz. So ge­sche­hen kürz­lich bei einer Aus­bil­dungs- und Übungs­fahrt des deut­schen U-Boots U33 in der Ost­see. Ein rus­si­sches Auf­klä­rungs­schiff der Wi­schnja-Klas­se war U33 stän­dig auf den Fer­sen, spä­ter kamen zwei auf die U-Boot-Jagd spe­zia­li­sier­te Kor­vet­ten der Ste­re­guscht­schij-Klas­se hinzu, die Bo­jkij und die So­o­bra­zi­tel­nij – mit ge­fechts­mä­ßig auf­ge­rüs­te­ten Mann­schaf­ten. So­bald U33 ab­tauch­te, hielt eine der Kor­vet­ten auf die Stel­le zu, wohl in der Hoff­nung, dem U-Boot das Seh­rohr ab­zu­fah­ren. „Drei­di­men­sio­na­les Schach“ nen­nen die U-Boot-Fah­rer das Katz-und-Maus-Spiel mit den Rus­sen. Bis­lang ist es noch gut ge­gan­gen, aber es ist nicht aus­ge­schlos­sen, dass die Rus­sen bei die­sen Spiel­chen auch ein­mal ein NATO-Boot be­schä­di­gen und Men­schen­le­ben ge­fähr­den.

Er­höht wird diese Ge­fahr noch da­durch, dass Russ­land be­strebt ist, die See­gren­zen zu ver­schie­ben und somit Un­klar­heit schafft, wo in­ter­na­tio­na­le Re­geln über­haupt noch gel­ten. Im Früh­jahr ver­öf­fent­lich­te das rus­si­sche Au­ßen­mi­nis­te­ri­um einen Text, nach dem die noch zu So­wjet­zei­ten fest­ge­leg­ten See­gren­zen zu Finn­land, Est­land und Li­tau­en wegen an­geb­li­cher kar­to­gra­fi­scher Un­ge­nau­ig­kei­ten „an­ge­passt“ wer­den müss­ten. Das Pa­pier sorg­te in der Re­gi­on für Ent­set­zen. Der li­taui­sche Au­ßen­mi­nis­ter Ga­bri­e­li­us Lands­ber­gis nann­te es eine „of­fen­sicht­li­che Es­ka­la­ti­on“ und for­der­te eine ent­schie­de­ne Ant­wort des Wes­tens.

Die NATO muss in der Ost­see an­ge­sichts rus­si­scher Über­grif­fig­kei­ten be­son­ders wach­sam sein. Eine Sol­da­tin der Deut­schen Ma­ri­ne auf Pos­ten an Bord der Fre­gat­te Ham­burg. Im Hin­ter­grund zwei wei­te­re NATO-Ein­hei­ten. (Foto: Bun­des­wehr / Ro­de­wald)

Dass die Sorge um Grenz­ver­schie­bun­gen im Ost­see-Raum nicht nur auf rus­si­schen Stel­lung­nah­men be­ruht, son­dern diese hand­fest be­trie­ben wer­den, zeig­te sich zur sel­ben Zeit, als Rus­sen aus dem Grenz­fluss Narva zu Est­land meh­re­re Na­vi­ga­ti­ons­bo­jen ent­fern­ten. Sie soll­ten ei­gent­lich die Schiff­fahrts­rou­ten dort mar­kie­ren. Die est­ni­schen Grenz­schüt­zer staun­ten nicht schlecht, als sie an einem Mor­gen im Mai ent­deck­ten, dass 24 der 50 Bojen ver­schwun­den waren. Est­lands Grenz­schutz-Chef Egert Be­lit­sev sprach von „einem wei­te­ren Akt der Pro­vo­ka­ti­on sei­tens Russ­lands“. Und die est­ni­sche Re­gie­rungs­che­fin Kaja Kal­las sah darin „ein brei­te­res Mus­ter, bei dem Russ­land ver­sucht, mit sei­nem Vor­ge­hen Angst zu säen.“

Spio­na­ge unter dem Deck­man­tel der For­schung

Mos­kau will vor allem mög­li­che Schwach­stel­len des Wes­tens iden­ti­fi­zie­ren. Dazu be­treibt es mas­siv Spio­na­ge ent­lang der In­fra­struk­tur. Wie ver­letz­lich die ist, hatte die Spren­gung der Nord­stream-2-Pipe­line im Sep­tem­ber 2022 ge­zeigt – ein Vor­fall, der bis heute trotz eines er­gan­ge­nen Haft­be­fehls gegen einen Ukrai­ner nicht auf­ge­klärt ist. Ein in­ter­na­tio­na­les Re­cher­che­pro­jekt meh­re­rer west­li­cher Me­di­en hat kürz­lich die Di­men­si­on der rus­si­schen Spio­na­ge in der Ost­see of­fen­ge­legt. Als For­schungs­schif­fe ge­tarn­te Spio­na­ge­boo­te durch­kreu­zen die Ost­see und kund­schaf­ten den Mee­res­bo­den mit­samt den dort lie­gen­den Ver­sor­gungs­lei­tun­gen und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­beln aus. An Bord sol­len auch be­waff­ne­te Kräf­te sein.

Am Tag der rus­si­schen Ma­ri­ne sprach Russ­lands Macht­ha­ber Wla­di­mir Putin im Juli in Sankt Pe­ters­burg – um­rahmt von Kriegs­mi­nis­ter Andrei Be­lous­sow und Ma­ri­ne-Ober­kom­man­deur Alex­an­der Moi­se­jew. (Foto: pic­tu­re al­li­an­ce / Sipa USA)

Eines die­ser Boote, die Go­riglez­han, wurde den Be­rich­ten zu­fol­ge von der Bun­des­po­li­zei mit­ten im Wind­park Ar­ca­dis Ost 1 vor Rügen trotz ab­ge­stell­ten Trans­pon­ders ent­deckt und von dort ver­scheucht. Unter dem Deck­man­tel der hy­dro­gra­fi­schen For­schung, so die Re­cher­chen, wer­den Daten- und En­er­gie­ka­bel, mi­li­tä­ri­sche In­fra­struk­tur und Wind­parks aus­spio­niert. Auch Droh­nen über Deutsch­land, so wie mehr­fach über dem Chem­Co­ast-Park Bruns­büt­tel ge­sich­tet, einem gro­ßen In­dus­trie­ge­biet für Un­ter­neh­men der Che­mie- und Mi­ne­ral­öl­wirt­schaft, dürf­ten von Rus­sen ge­steu­ert wer­den. Die Staats­an­walt­schaft Flens­burg er­mit­telt wegen des Ver­dachts der Agen­ten­tä­tig­keit zu Sa­bo­ta­ge­zwe­cken. Auch über Bun­des­wehr­lie­gen­schaf­ten wur­den un­iden­ti­fi­zier­te Droh­nen ent­deckt. Auf dem NATO-Stütz­punkt Gei­len­kir­chen in Nord­rhein-West­fa­len, wo eine der bei­den AWACS-Früh­warn­flot­ten des Bünd­nis­ses sta­tio­niert ist, wurde Ende Au­gust wegen einer Droh­nen­sich­tung die Si­cher­heits­stu­fe „Char­lie“ aus­ge­ru­fen. Das be­deu­tet: Es ist ein Zwi­schen­fall ein­ge­tre­ten oder es lie­gen Er­kennt­nis­se vor, dass eine Form von ter­ro­ris­ti­schen Ak­tio­nen gegen das Bünd­nis sehr wahr­schein­lich ist.

Was jahr­zehn­te­lang un­denk­bar schien, ist in­zwi­schen Wirk­lich­keit ge­wor­den: Aus Angst vor Mos­kau haben die tra­di­tio­nell neu­tra­len Ost­see­an­rai­ner Schwe­den und Finn­land Schutz unter dem NATO-Schirm ge­sucht und sind Mit­glie­der der Al­li­anz ge­wor­den. Im Grun­de ist die Ost­see seit­her ein NATO-Meer. Russ­land ver­bleibt nur noch ein Zip­fel Zu­gang am hin­ters­ten Ende des Fin­nischen Meer­bu­sens, wo Sankt Pe­ters­burg liegt, sowie die zwi­schen Polen und Li­tau­en ein­ge­klemm­te Ex­kla­ve Ka­li­nin­grad. Die­sen groß­flä­chi­gen Kon­troll­ver­lust ver­sucht es mit Ag­gres­si­vi­tät wett­zu­ma­chen. Russ­land tes­tet die Al­li­anz, wo es nur kann. Der fin­ni­sche Staats­prä­si­dent Alex­an­der Stubb spricht in die­sem Zu­sam­men­hang von einer „neuen Nor­ma­li­tät“. Es ist eine ge­fähr­li­che Nor­ma­li­tät, denn aus ihr kann je­der­zeit ein schwe­rer mi­li­tä­ri­scher Zwi­schen­fall er­wach­sen, wenn nicht sogar ein Krieg Russ­lands mit dem Wes­ten.

Der da­ma­li­ge NATO-Ge­ne­ral­se­kre­tär Jens Stol­ten­berg im Juni 2022 mit den Au­ßen­mi­nis­tern Schwe­dens und Finn­lands, Ann Linde und Pekka Haa­vis­to nach der Un­ter­zeich­nung der Bei­tritts­ge­su­che bei­der Län­der. (Foto: pic­tu­re al­li­an­ce / AA)

Zur Zeit der Block­kon­fron­ta­ti­on im Kal­ten Krieg war die Lage in der Ost­see be­re­chen­ba­rer als heute, die Claims waren ab­ge­steckt. Im Wes­ten be­fand sich die NATO mit den Ost­see­an­rai­nern Nor­we­gen, Dä­ne­mark und Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Die Auf­ga­be ihrer Ma­ri­nen war im Ernst­fall, die drei Ost­see-Aus­gän­ge zu ver­schlie­ßen, damit die mäch­ti­ge So­wjet­flot­te nicht in den Nord­at­lan­tik vor­drin­gen konn­te. Jagd­bom­ber, Mi­nen­le­ger, Schnell­boo­te und U-Boote waren für den Wes­ten da­mals das Mit­tel der Wahl. Die west­li­che Stra­te­gie war das, was man heute A2/AD nennt: anti ac­cess/area de­ni­al – das Dicht­ma­chen von Räu­men.

Bruch der Ko­ope­ra­ti­on

Der War­schau­er Pakt hin­ge­gen war of­fen­siv aus­ge­rich­tet: Die Ma­ri­nen der So­wjet­uni­on, Po­lens und der DDR wären im Ernst­fall zur Ver­ei­nig­ten Ost­see­flot­te ver­schmol­zen, die ver­sucht hätte, eine Ver­bin­dung zur so­wje­ti­schen Nord­flot­te her­zu­stel­len. Dazu war die An­lan­dung in Schles­wig-Hol­stein und die Er­obe­rung der Halb­in­sel Jüt­land vor­ge­se­hen, wes­halb der War­schau­er Pakt um­fang­rei­che am­phi­bi­sche Kräf­te vor­hielt. Die Pla­nun­gen des War­schau­er Pakts sahen vor, das ist seit der Öff­nung der Ar­chi­ve be­kannt, dass Ver­bän­de Po­lens, der Na­tio­na­len Volks­ar­mee der DDR und der So­wjet­ar­mee in­ner­halb kür­zes­ter Zeit bis in die Nie­der­lan­de, ja sogar bis an die fran­zö­si­sche Ka­nal­küs­te vor­sto­ßen soll­ten, auch unter Ein­satz einer gro­ßen Zahl tak­ti­scher Atom­bom­ben.

„Nach dem Fall des Ei­ser­nen Vor­hangs kehr­te Ruhe in die Ost­see sein“, sagt Kor­vet­ten­ka­pi­tän Helge Adri­ans, der zur­zeit als Gast­wis­sen­schaft­ler bei der Stif­tung Wis­sen­schaft und Po­li­tik in Ber­lin forscht, zu loyal. „1994 star­te­te die NATO das Part­ner­ship-for-Peace-Pro­gramm. Zu den ers­ten Mit­glie­dern zähl­te Russ­land. Es nahm in der Folge an ge­mein­sa­men Ma­nö­vern teil, wie etwa der US-Übung BAL­TOPS.“ In jener Zeit waren rus­si­sche Kriegs­schif­fe auch gern ge­se­he­ne Gäste bei der Kie­ler Woche. Das ist längst vor­bei. Die völ­ker­rechts­wid­ri­ge An­ne­xi­on der Krim 2014 durch Russ­land führ­te zu einem Bruch der Ko­ope­ra­ti­on. „Die Ost­see hat sich dar­auf­hin wie­der zu einem Meer der Kon­fron­ta­ti­on ent­wi­ckelt“, sagt Adri­ans.

An der of­fen­si­ven Aus­rich­tung der rus­si­schen Streit­kräf­te in der Ost­see hat sich seit So­wjet­zei­ten nichts ge­än­dert. Das Bild zeigt am­phi­bi­sche Ein­hei­ten bei einer An­lan­de­übung in der Ob­last Ka­li­nin­grad. (Foto: pic­tu­re al­li­an­ce / dpa)

Das Pro­blem für den Wes­ten: Wäh­rend die rus­si­sche Flot­te in der Ost­see ihre of­fen­si­ven Fä­hig­kei­ten be­hal­ten und teil­wei­se sogar, etwa durch Marsch­flug­kör­per, er­neu­ert hat, gab es auf NATO-Seite in den ver­gan­ge­nen 30 Jah­ren keine si­gni­fi­kan­te Ent­wick­lung der Fä­hig­kei­ten. Adri­ans weist dar­auf hin, dass sich Dä­ne­mark von sei­ner ge­sam­ten U-Boot-Flot­te sowie den Anti-Schiff-Flug­kör­pern und Deutsch­land sich von sei­nen Ma­ri­ne-Jagd­bom­bern ge­trennt hat. Auch an­ders­wo sieht es düs­ter aus: „Po­lens Ma­ri­ne al­tert zu­se­hends, die Ma­ri­nen der bal­ti­schen Staa­ten sind klein und ba­sie­ren haupt­säch­lich auf west­li­chen Zu­wen­dun­gen“, so Adri­ans. Po­lens Am­bi­ti­on, die mäch­tigs­te NATO-Land­macht in Eu­ro­pa wer­den zu wol­len, steht im kras­sen Ge­gen­satz zur Ver­nach­läs­si­gung sei­ner Ma­ri­ne.

NATO ver­stärkt Prä­senz

Al­ler­dings zeigt die NATO ins­ge­samt ver­stärkt Prä­senz. Vier in­ter­na­tio­na­le Batt­le­groups sind al­lein im Bal­ti­kum prä­sent. Schwe­den be­ab­sich­tigt, dem­nächst ein Ba­tail­lon nach Lett­land zu ent­sen­den, Deutsch­land will eine Kampf­bri­ga­de in Li­tau­en sta­tio­nie­ren. Dies ist drin­gend ge­bo­ten, denn die klei­nen Ar­me­en der bal­ti­schen Staa­ten rei­chen zur Ver­tei­di­gung kei­nes­falls aus. Weil sie über keine Luft­waf­fe ver­fü­gen, über­nahm die NATO dort be­reits vor ge­rau­mer Zeit das Air Po­licing, an dem sich auch immer wie­der die deut­sche Luft­waf­fe be­tei­ligt. In Finn­land ent­steht ein NATO-Haupt­quar­tier unter schwe­di­scher Füh­rung, das für die Ver­tei­di­gung der Nord­flan­ke zu­stän­dig sein soll. Es wird das seit 1999 be­stehen­de Mul­ti­na­tio­na­le Korps Nord­ost der NATO im pol­ni­schen Stet­tin er­gän­zen, das für Polen und das Bal­ti­kum zu­stän­dig ist. In Deutsch­land wurde so­eben ein tak­ti­sches NATO-Haupt­quar­tier er­öff­net, das die NATO-See­streit­kräf­te in der Ost­see führt.

Als Hin­zu­ge­winn für die Si­cher­heit im Ost­see­raum kann der NATO-Bei­tritt Schwe­dens und Finn­lands gar nicht hoch genug ein­ge­schätzt wer­den – nicht nur in Bezug auf den Ost­see­raum, son­dern dar­über hin­aus durch die Nähe zu den rus­si­schen Stütz­punk­ten auf der Halb­in­sel Kola, ma­ß­geb­li­cher Stand­ort von Russ­lands nu­klea­rer Zweit­schlags­fä­hig­keit. Die ge­fürch­te­te Su­wal­ki-Lücke, die schma­le Land­ver­bin­dung zwi­schen den NATO-Mit­glie­dern Polen und Li­tau­en, die als schwer zu ver­tei­di­gen gilt, treibt den NATO-Pla­nern durch den Bei­tritt Schwe­dens und Finn­land in­zwi­schen we­ni­ger Sor­gen­fal­ten auf die Stirn. Im Kriegs­fall könn­te jetzt näm­lich Est­land über Finn­land ver­sorgt wer­den und Lett­land und Li­tau­en aus Schwe­den über des­sen Insel Got­land. Adri­ans weist al­ler­dings dar­auf hin, dass dafür der Luft- und See­raum ab­ge­si­chert sein müss­te, und es müss­ten ge­nü­gend Trans­port­schif­fe zur Ver­fü­gung ste­hen.

US-Ma­ri­nes im Juni die­ses Jah­res bei einem Ma­nö­ver auf der schwe­di­schen Insel Got­land. Got­land gilt als Schlüs­sel zur Ost­see. Wer die Insel be­herrscht, be­herrscht die Ost­see, sagen Mi­li­tärs. (Foto: U.S. Ma­ri­ne Corps)

In jeder stra­te­gi­schen Über­le­gung zu einem künf­ti­gen Krieg im Ost­see­raum spielt Got­land eine ent­schei­den­de Rolle – auf rus­si­scher Seite eben­so wie auf west­li­cher. Got­land liegt mit­ten in der Ost­see und ist mit 3.000 Qua­drat­ki­lo­me­tern etwa so groß wie Rügen. Seit 200 Jah­ren herrscht dort Frie­den, sogar im Ers­ten und Zwei­ten Welt­krieg war das der Fall. Doch der rus­si­sche Krieg in der Ukrai­ne hat in Schwe­den zu einem Um­den­ken ge­führt. Die Be­völ­ke­rung hat einen star­ken Ver­tei­di­gungs­wil­len, die Re­gie­rung setzt knall­hart auf Ab­schre­ckung ge­gen­über Russ­land.

Got­land ist als Insel ein „un­sink­ba­rer Flug­zeug­trä­ger“ und ein Schlüs­sel­ob­jekt zur Be­herr­schung der ge­sam­ten Ost­see. Schon 2018 be­gann Schwe­den, die Insel zu re­mi­li­ta­ri­sie­ren. Stock­holm hat an­ge­kün­digt, die Mi­li­tär­prä­senz auf sei­ner wich­tigs­ten Insel mas­siv zu ver­stär­ken. Waren 2023 dort 400 Mann sta­tio­niert, so sol­len in den kom­men­den Jah­ren 4.500 Sol­da­ten dau­er­haft ver­legt wer­den. Schon heute sind Leo­pard-2-Pan­zer, CV-90-Schüt­zen­pan­zer und U-Boote der Got­land-Klas­se Teil des Ab­schre­ckungs­sze­na­ri­os rund um Got­land.

In die­sem Som­mer übten 12.000 NATO-Sol­da­ten aus 19 Län­dern auf der Insel. Dass Russ­lands Macht­ha­ber Putin ein Auge auf Got­land ge­wor­fen hat, zeig­te schon eine Stabs­rah­men­übung der rus­si­schen Ost­see­flot­te 2015. Dabei wurde trai­niert, wie Got­land im Hand­streich zu neh­men sei, um die Be­we­gungs­frei­heit der NATO in der Ost­see ein­zu­schrän­ken und einen stra­te­gisch äu­ßerst güns­ti­gen Vor­pos­ten für das nur 350 Ki­lo­me­ter ent­fern­te Ka­li­nin­grad zu ge­win­nen. Da­mals war Schwe­den noch neu­tral. Heute würde Russ­land bei einem An­griff auf Got­land den NATO-Bünd­nis­fall aus­lö­sen.

US-Ma­ri­nes des Com­bat Lo­gi­stics Bat­ta­li­on 6 trai­nie­ren neben fin­ni­schen Sol­da­ten des Vaasa Co­as­tal Bat­ta­li­on wäh­rend eines Küs­ten­auf­klä­rungs­ge­län­des zur Vor­be­rei­tung auf die Übung Free­zing Winds 22 in Syn­da­len, Finn­land. (Foto: U.S. Ma­ri­ne Corps)

Die zwei­te stra­te­gisch ex­trem wich­ti­ge Re­gi­on im Ost­see­raum ist die Ob­last Ka­li­nin­grad, das am wei­tes­ten in den Wes­ten vor­ge­scho­be­ne Ter­ri­to­ri­um Russ­lands. Das Ge­biet bei­der­seits des Flus­ses Pre­gel ist Teil des frü­he­ren Ost­preu­ßens und fiel der So­wjet­uni­on nach der Nie­der­la­ge des Drit­ten Reichs in die Hände. Haupt­stadt ist Ka­li­nin­grad, das frü­he­re Kö­nigs­berg. Die Ex­kla­ve ist mit 15.000 Qua­drat­ki­lo­me­tern Flä­che etwas klei­ner als Thü­rin­gen und hat keine di­rek­te Land­ver­bin­dung zu Russ­land. Von der Rus­si­schen Fö­de­ra­ti­on ist es durch Li­tau­en be­zie­hungs­wei­se Polen und Wei­ßruss­land ge­trennt. Die Küste ist 160 Ki­lo­me­ter lang. In der Ob­last Ka­li­nin­grad leben rund 950.000 Men­schen.

„Be­waff­ne­te Faust in der Ost­see“

Ka­li­nin­grad galt schon zu So­wjet­zei­ten als „be­waff­ne­te Faust der UdSSR an der Ost­see“. Im Kal­ten Krieg waren dort sage und schrei­be 500.000 Sol­da­ten sta­tio­niert. Auch heute ist es ein hoch­mi­li­ta­ri­sier­ter Be­zirk, ob­wohl Russ­land wegen der In­va­si­on in der Ukrai­ne Trup­pen aus dem Ost­see­raum ab­ge­zo­gen hat. Russ­land kann von hier aus mi­li­tä­risch so­wohl auf die pol­ni­sche als auch auf die li­taui­sche Ost­see­küs­te di­rekt ein­wir­ken – und zwar von der See­sei­te aus eben­so wie vom Land her. Es kann die Su­wal­ki-Lücke schlie­ßen, indem es einen Keil zwi­schen Li­tau­en und Polen bis zur wei­ßrus­si­schen Gren­ze treibt. Und es hat in Ka­li­nin­grad ato­mar be­stück­ba­re Mit­tel­stre­cken­ra­ke­ten der Typen Is­kan­der-M und Sar­mat sta­tio­niert, die in we­ni­ger als zwei Stun­den Ber­lin, Leip­zig oder Ko­pen­ha­gen er­rei­chen kön­nen. Dar­über hin­aus ver­leg­te Mos­kau 2022 Hy­per­schall­ra­ke­ten vom Typ Kin­chal in die Ob­last. Dass der Wes­ten an­ge­sichts der Be­dro­hung durch diese Waf­fen nun sei­ner­seits mit der Sta­tio­nie­rung von ame­ri­ka­ni­schen To­ma­hawk-Marsch­flug­kör­pern und Stan­dard-Mis­si­le-6-Ra­ke­ten in Deutsch­land re­agiert, ist nur fol­ge­rich­tig.

Ver­la­dung rus­si­scher Ra­ke­ten vom Typ Is­kan­der-M durch Sol­da­ten der rus­si­schen Ost­see-Flot­te. (Foto: pic­tu­re al­li­an­ce / dpa / Rus­si­an Navy Bal­tic Fleet Press)

In der NATO wird Ka­li­nin­grad als geo­stra­te­gi­sches Pro­blem wahr­ge­nom­men und als feind­li­che Fes­tung in­mit­ten hei­mi­schen Ge­biets an­ge­se­hen. Aus rus­si­scher Per­spek­ti­ve ste­hen den Vor­tei­len der weit west­lich ge­le­ge­nen Basis al­ler­dings er­heb­li­che Nach­tei­le ent­ge­gen, die der NATO zum Vor­teil ge­rei­chen. Trup­pen­zu­füh­run­gen sind nur über See oder auf dem Luft­weg mög­lich. Trotz stark aus­ge­bau­ter Flug­ab­wehr wäre Ka­li­nin­grad schwer zu ver­tei­di­gen oder bei einer Blo­cka­de zu ver­sor­gen. Eine see- und land­sei­ti­ge Blo­cka­de Ka­li­nin­grads durch die NATO läge daher auf der Hand. Ka­li­nin­grad könn­te auch von See her ins Vi­sier der NATO ge­nom­men und gleich­zei­tig von zwei Sei­ten im Nor­den und im Süden, aus Li­tau­en und aus Polen, in die Zange ge­nom­men wer­den. Würde die NATO nach einem rus­si­schen An­griff auf die Al­li­anz Ka­li­nin­grad ein­neh­men, würde das Bünd­nis einen er­heb­li­chen Teil des rus­si­schen Mi­li­tär­po­ten­zi­als im Ost­see­raum neu­tra­li­sie­ren. Kein Wun­der also, dass Mos­kau Ka­li­nin­grad als „ver­wund­ba­res Pro­blem“ an­sieht, wie GIDS-Ana­ly­ti­ker Paw­lak ge­gen­über loyal sagt: eine ge­fähr­de­te Insel mit­ten in Fein­des­ge­biet.

See­weg endet nicht in Sankt Pe­ters­burg

Vor einem ver­gleich­ba­ren Pro­blem steht Russ­land auch an sei­nem an­de­ren Ost­see-Zu­gang, in Sankt Pe­ters­burg. Dort sieht es sich den NATO-Mit­glie­dern Finn­land und Est­land ge­gen­über. Einer Blo­cka­de des Fin­ni­schen Meer­bu­sens durch die NATO könn­te Russ­land nur ent­ge­hen, indem es die Was­ser­we­ge im Hin­ter­land von Sankt Pe­ters­burg nutzt. Dort hätte Russ­land an­ders als in Ka­li­nin­grad zu­min­dest einen Hin­ter­aus­gang, schrei­ben Göran Swis­tek und Mi­cha­el Paul von der Stif­tung Wis­sen­schaft und Po­li­tik in einer Ana­ly­se von Ja­nu­ar 2023 zur Geo­po­li­tik im Ost­see­raum. Denn: „Der See­weg endet nicht in Sankt Pe­ters­burg, son­dern setzt sich über Flüs­se, Seen und Ka­nä­le nach Süden ins rus­si­sche Kern­land, nach Nor­den zum Wei­ßen Meer fort – einem Ne­ben­meer der Ark­tis, die immer eis­frei­er wird.“ Und tat­säch­lich hat Russ­land auch schon er­folg­reich geübt, klei­ne­re Kriegs­schif­fe über diese in­ne­ren Was­ser­we­ge von der Ost­see ins Weiße Meer zu ver­le­gen. Da der ma­ri­ti­me Gü­ter­ver­kehr in Sankt Pe­ters­burg nach Re­cher­chen der Au­to­ren aber bei 300 Mil­lio­nen Ton­nen liegt, darf be­zwei­felt wer­den, ob Russ­land im Ernst­fall die­sen Um­schlag al­lein durch Bin­nen­schif­fe im Hin­ter­land aus­glei­chen könn­te.

So mar­tia­lisch, ag­gres­siv und pro­vo­kant Russ­land auch im Ost­see­raum auf­tritt – die Bei­spie­le Ka­li­nin­grad und Sankt Pe­ters­burg zei­gen, dass Pu­tins Im­pe­ri­um ver­letz­lich ist. Auf die Frage von loyal nach der grö­ß­ten Ver­wund­bar­keit Russ­lands ver­wies Si­cher­heits­ex­per­te Mi­cha­el Paul von der SWP je­doch auf etwas ganz an­de­res: Die grö­ß­te Ver­wund­bar­keit Russ­lands liege, so Paul, „po­li­tisch und mi­li­tä­risch im au­to­ri­tä­ren Sys­tem, das kei­nen Wi­der­spruch dul­det und be­ra­tungs­re­sis­tent ist und daher mehr und mehr Fehl­ent­schei­dun­gen pro­du­ziert.“


Po­di­um zum „Hot­spot Ost­see“

Der Re­ser­vis­ten­ver­band hat sich auf der Mün­che­ner Si­cher­heits­kon­fe­renz im ver­gan­ge­nen Jahr in einer Po­di­ums­dis­kus­si­on mit der Si­tua­ti­on im Ost­see­raum be­schäf­tigt. Über­schrie­ben war die Ver­an­stal­tung mit dem Titel „Hot­spot Ost­see – Zur stra­te­gi­schen Di­men­si­on der ma­ri­ti­men NATO-Ost­flan­ke“. Ver­bands­prä­si­dent Oberst d.R. Prof. Dr. Pa­trick Sen­s­burg hob die Be­deu­tung der Ost­see für Eu­ro­pa, ja für die glo­ba­le Macht­ba­lan­ce her­vor: „Die wach­sen­de Span­nung im Ost­see­raum konn­te schon seit Jah­ren wahr­ge­nom­men wer­den. Die Rus­si­sche Fö­de­ra­ti­on hat sich zum Ziel ge­setzt, ihren Ein­fluss auf die Staa­ten an ihren West­gren­zen aus­zu­deh­nen.“ Dabei spie­le die Ost­see eine wich­ti­ge Rolle. An der Dis­kus­si­on nah­men neben Sen­s­burg der est­ni­sche Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Hanno Pev­kur, sein fin­ni­scher Kol­le­ge Mikko Sa­vo­la, Flotil­len­ad­mi­ral Sa­scha Helge Rack­witz, der Mi­li­tär­his­to­ri­ker Sönke Neit­zel und Ver­bands-Vi­ze­prä­si­dent für Si­cher­heits­po­li­tik Oberst a.D. Joa­chim San­den teil.

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