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Verletzbares Symbol amerikanischer Stärke

Das Pentagon ist der Sitz des amerikanischen Verteidigungsministeriums. Es gilt als mächtigste Behörde der Welt. Hier werden Kriege geplant, von hier aus werden die stärksten Streitkräfte der Welt geführt. Das Pentagon ist ein Ort, in dem es also um militärische Gewalt geht – aber auch um die hohe Kunst der Diplomatie. Streng abgeschirmt und geheimnisumwittert ist es ein Haus der Superlative. Einmal in seiner Geschichte wurde es hart getroffen.

Fliegerstaffeln der amerikanischen Luftwaffe und der Navy über dem Pentagon, der wichtigsten militärischen Schaltzentrale des Westens.

Foto: Ned Jonston / US Air Force

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Das Pentagon ist kein Ort, der Individualität und Innovation fördert“, sagte einmal die amerikanische Paralympics-Athletin Aimee Mullins. Sie besaß als junge Frau eine Sicherheitsfreigabe für das Pentagon und hatte Zugang zu streng geschützten Bereichen, weil sie dort als Geheimdienstanalytikerin arbeitete. Man mag es der heute 48-Jährigen glauben, dass sich jeder, der das amerikanische Verteidigungsministerium betritt, klein fühlt. Das Gebäude, die Operationszentrale der westlichen Welt, schüchtert ein.

Das fängt schon bei der strengen Symmetrie an. Die fünf 280 Meter langen kaltgrauen Betonfronten mit ihren jeweils fünf Stockwerken erscheinen wie die Kulisse aus einem Endzeitfilm. Die Säulenreihen vor den Eingängen symbolisieren Unnahbarkeit. Nichts an dem Bauwerk wirkt einladend. Die Parkplätze mit ihren 8.770 Stellflächen erinnern an das Glacis einer frühneuzeitlichen Festung mit freiem Schussfeld. Wenn es grau und nass ist in Washington wie in diesen Wintermonaten, wirkt das Pentagon noch abweisender als sonst. Es ist eine Architektur, die den Menschen klein und den Staat groß macht. Eine monströse Faszination geht von diesem Gebäude aus, der sich der Besucher schwer entziehen kann.

Das Pentagon war mit einer Nutzfläche von 600.000 Quadratmetern auf einer Gesamtfläche von 1.100 Hektar einst das größte Bürogebäude der Welt. Heute steht es nur noch an 14. Stelle. Allein fünf Gebäude in China sind inzwischen größer als das amerikanische Verteidigungsministerium, darunter ist auch das größte: das New Century Global Center, ein Multifunktionskomplex in der chinesischen Stadt Chengdu. Er hat mit knapp 1,8 Millionen Quadratmetern eine dreimal so große Nutzfläche wie das Pentagon.

Ein äußerst geschicktes Ensemble

Doch an Raffinesse kommt heute kaum ein anderes Bauwerk an das Pentagon heran. Die fünfeckige Form, die ihm den Namen Pentagon gegeben hat, und die fünffach hintereinander gestaffelten, von schmalen Hinterhöfen voneinander getrennten Querriegel – Ringe genannt – bilden ein äußerst geschicktes Ensemble. Das geradezu geniale Arrangement der Gebäudeteile führt zu einer überraschend großen Nutzfläche für einen relativ flachen Komplex mit nur fünf Stockwerken und einer Höhe von 32 Metern. Dieser geht allerdings nochmals in derselben Dimension in die Tiefe. Das Kapitol in Washington, Sitz des amerikanischen Parlaments, würde von seiner Fläche her alleine in jeden der fünf Gebäudeflügel des Pentagons passen.

Die Gebäudemanagerin des Pentagons, Lisa W. Hershman, salutiert 2020 am Jahrestag des 11. September mit einer Abordnung des Pentagon-Sicherheitsdienstes vor einer ausgerollten US-Flagge. (Foto: DoD / Lisa Ferdinando

Hier finden mehr als 23.000 Mitarbeiter Platz. Das entspricht der Einwohnerzahl von Starnberg oder Husum. Das Überraschendste aber ist, dass trotz einer Gesamtlänge der Korridore von mehr als 28 Kilometern jeder Punkt des riesigen Hauses von einem beliebigen Ausgangspunkt in weniger als sieben Minuten zu Fuß zu erreichen ist. Das ist das Ergebnis der fünfeckigen Gebäudeform und des Einbaus von 131 Treppen, 19 Rolltreppen und 70 Aufzügen. Die Aufzüge gibt es noch nicht lange. Fast alle wurden erst im Rahmen einer 17 Jahre dauernden Renovierung eingebaut, die 2011 ein – vorläufiges – Ende fand. Bis dahin hatte nur der Verteidigungsminister einen für ihn reservierten Aufzug. Menschen, die keine Treppen steigen konnten, mussten lange Rampen nutzen, um zu den einzelnen Stockwerken zu gelangen. Die Rampen gibt es immer noch – und hartnäckig halten sich Gerüchte über Bürostuhlrennen auf diesen schiefen Ebenen.

7.754 Fenster lassen Licht ins Innere. 16.250 Lampen erleuchten Flure, Dienstzimmer und Konferenzräume, Technik- und Kopierräume, Kaffeeküchen und Toiletten. 672 Feuerlöscher stehen für den Fall eines Brands bereit. 691 Trinkbrunnen stillen den Durst der Mitarbeiter. 4.200 Uhren zeigen ihnen an, wie lange es noch bis Dienstschluss ist. Der größte Schreibtisch des Gebäudes steht im Dienstzimmer des Verteidigungsministers, aktuell Lloyd James Austin III., ein pensionierter General. Austin kann von seinem Arbeitszimmer aus mit dem erwähnten Lift direkt in die unterirdische Operationszentrale fahren, dem National Military Command Center, wo alle Informationsstränge der amerikanischen Streitkräfte zusammenlaufen. Das Center besteht aus mehreren Arbeits-, Planungs- und Konferenzräumen und stellt das bestens geschützte Herzstück des Pentagons dar. Zur Zeit des Kalten Kriegs endete hier die nach der Kuba-Krise 1963 eingerichtete direkte Telefon- und Fernschreibverbindung mit dem Kreml in Moskau.

Planung und Bauphase

Dass das Pentagon einmal das Symbol amerikanischer (Militär-)Macht werden sollte, war nicht geplant. Ursprünglich befand sich auf dem Gelände in Arlington County im US-Staat Virgina, direkt vor den Toren der Hauptstadt Washington, das Anwesen des konföderierten Generals Robert E. Lee. Es wurde von der Regierung in Washington während des amerikanischen Bürgerkriegs beschlagnahmt. Im Zweiten Weltkrieg litt das damalige amerikanische Kriegsministerium unter akutem Platzmangel. Die Behörde war auf nicht weniger als 17 Standorte in ganz Washington verteilt. Angesichts der sich zuspitzenden Kriegslage in Europa gab der Kongress am 14. August 1941 die Mittel für den Bau einer neuen Ministeriumszentrale frei. Aber: Das Gebäude sollte nur temporär genutzt werden – für die Zeit, in der die USA kriegführende Macht sein würde. Der Kongress ging davon aus, dass nach dem Krieg die Streitkräfte wieder drastisch verkleinert werden könnten und man kein bombastisches Kriegsministerium mehr brauchen würde. Das Pentagon sollte daher entweder in ein Hospital oder ein Lagerhaus umgewandelt werden. Es kam bekanntlich anders.

Fünf Straßen rahmten das ursprünglich ins Auge gefasste Baugelände Arlington Farms ein, sodass die Form des Gebäudes von vorneherein feststand. Präsident Franklin D. Roosevelt verwarf jedoch diesen Bauplatz, weil er fürchtete, dass das neue Gebäude die Sicht vom Nationalfriedhof Arlington auf Washington beeinträchtigen könnte. So wurde einen guten Kilometer weiter flussabwärts am Ufer des Potomac River gebaut, die fünfeckigen Planungen aber wurden beibehalten.

Das Department of Defence ist das amerikanische Verteidigungsministerium. Es hat seinen Sitz im Pentagon. (Foto: picture alliance / dpa)

15.000 Arbeiter unter Leitung von Brigadegeneral Brehon B. Somervell und Oberst Leslie Groves vom Army Corps of Engineers zogen den Ministeriumsbau in Rekordzeit hoch: Nur 16 Monate dauerte es bis zur Fertigstellung. Im April 1942 zogen die ersten Ministerialen ein. Vier Monate nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor und dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg war die Kommandozentrale der Streitkräfte der Vereinigten Staaten für diesen Krieg halbwegs funktionsbereit, auch wenn es bis zur endgültigen Fertigstellung noch dauerte. Auf dem Höhepunkt des amerikanischen Kriegseinsatzes arbeiteten 33.000 Menschen im Pentagon, 10.000 mehr als heute.

Präsident Roosevelt hatte übrigens ein weiteres Mal eine weitreichende Entscheidung getroffen: Es durfte kein Baumaterial aus Deutschland und Italien verwendet werden. Damit war vor allem Marmor aus Italien gemeint. Also wurde das Pentagon aus Beton errichtet, was noch heute den Charakter dieses Gebäudes stark prägt. 435.000 Tonnen Beton und 43.000 Tonnen Stahl wurden verbaut. Die Baukosten explodierten schon damals. Aus den ursprünglich bewilligten 35 Millionen Dollar wurden 63 Millionen – was heute einem Wert von 900 Millionen Dollar entspräche.

Ministerium bleibt im Gebäude

Teile des Pentagons fielen in sich zusammen, als am Morgen des 11. September 2001 eine entführte Boeing 757 der American Airlines in das Gebäude stürzte. (Foto: US Navy / Bob Houlihan)

Das Pentagon blieb nach 1945 entgegen den ursprünglichen Plänen Sitz des Verteidigungsministeriums. An den Zweiten Weltkrieg schloss sich fast nahtlos der Kalte Krieg an. Die Welt wurde nach Niederringung des Nationalsozialismus nicht friedlicher. Die USA sahen sich vor neue Herausforderungen gestellt: der Blockkonfrontation, dem Korea-Krieg, dem Vietnam-Krieg, später dem Krieg gegen den Terror. Das Pentagon wurde als gut funktionierende Schaltstelle in all den Krisen, Konflikten und Kriegen der Nachkriegszeit gebraucht. Es wurde zu dem Symbol amerikanischer militärischer Stärke, seine fünfeckige Form bekam eine ikonografische Qualität.

1992 wurde das Gebäude zur National Historic Landmark erklärt, also zu einer Stätte, die für die Geschichte der Vereinigten Staaten von besonderer Bedeutung ist. Neun Jahre später fügte die Geschichte dem Pentagon ein weiteres, trauriges Kapitel hinzu: Am 11. September 2001 raste um 9.37 Uhr Ortszeit eine von fünf islamistischen Al-Qaida-Terroristen entführte Boeing 757 des American-Airlines-Flugs 77 mit einer Geschwindigkeit von 853 Stundenkilometer in die Westseite des Pentagons und durchschlug drei seiner fünf Ringe. 189 Menschen kamen dabei ums Leben: alle 64 Menschen an Bord der Maschine und 125 im Pentagon. Dass es nicht noch viel mehr Tote gab, ist einem glücklichen Zufall zu verdanken: Wegen der Renovierungsarbeiten waren ganze Gebäudeteile auf dieser Seite nicht besetzt. Der Anschlag zeigte, dass auch eines der wichtigsten und bestgesicherten Gebäude der Vereinigten Staaten nicht unverletzbar ist – eine bis heute nachwirkende traumatische Erfahrung für viele Amerikaner.

Für 500 Millionen Dollar wurde der schwer verwüstete Westflügel instandgesetzt, am 15. August 2002 schon zogen die ersten Mitarbeiter wieder ein. Heute erinnert ein Denkmal neben der Stelle, an dem das Flugzeug einschlug, an die Opfer dieser einzigen und einzigartigen Attacke auf das Zentrum der amerikanischen Sicherheit.

„How to excel in a bureaucracy“

Das Pentagon ist eine Mega-Behörde, die zu den wichtigsten Stationen für amerikanische Militärs und viele zivile Beamten auf ihrem Karriereweg gehört. Wer in den amerikanischen Streitkräften etwas werden will, muss eine oder mehrere Verwendungen im Pentagon abgeleistet haben. Um sich im Dienstsitz des Verteidigungsministeriums von der Größe einer deutschen Kleinstadt zurechtzufinden, gibt es hilfreiche Bücher, die alte Pentagon-Hasen Neulingen empfehlen. Eines der bekanntesten ist die Handreichung von Generalmajor i.R. Perry M. Smith und Oberst i.R. Daniel M. Gerstein mit dem vielsagenden Titel „Assignment: Pentagon. How to excel in a bureaucracy“. Dieser „Reiseführer“ durch die Welt des Pentagons erklärt dem Leser, wie die weltgrößte Militärbürokratie funktioniert und wie man darin glänzen kann, um anschließend einen Karriereschritt weiterzukommen.

Im Pentagon liefen von Anfang an wichtige Kommunikationsstränge zusammen, wie das Bild von Anfang der 1950er-Jahre zeigt. (Foto: IMAGO / Pond5 Images)

Das Buch „Naval Officer’s Guide to the Pentagon“ von Fred W. Kacher und Douglas A. Robb richtet sich speziell an Angehörige der Marine, die ins Pentagon versetzt werden. Vom Haushaltsprozess über das Redenschreiben bis hin zu den Beziehungen zu Institutionen außerhalb des Ministeriums – Weißes Haus, Kongress, Sicherheitsagenturen, Thinktanks – nehmen die Autoren den Neuling an die Hand und führen ihn durch das Labyrinth des Pentagons.

Deutsche Verteidigungsattachés

Frank Gräfe. (Foto: privat)

Wie das US-Verteidigungsministerium auf Deutsche wirkt, die beruflich mehrere Jahre mit ihm zu tun hatten, wollte loyal von zweien wissen, die so nah dran waren, wie nur wenige Ausländer: Dirk Backen und Frank Gräfe waren beziehungsweise sind noch Brigadegenerale der Bundeswehr und arbeiteten als Verteidigungsattachés in Washington. Backen war von 2012 bis 2016 in dieser Funktion, Gräfe von 2019 bis 2022. Backen wurde nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr Generalsekretär des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Gräfe leitet aktuell die Abteilung Einsatz im Kommando Luftwaffe in Berlin.

Deutsche Verteidigungsattachés genießen in Washington das Privileg, zu einer relativ kleinen Gruppe von ausländischen Militärs zu gehören, die qua Amt einen Hausausweis für das Pentagon bekommen. Zu dieser Gruppe gehören Militärattachés wichtiger NATO-Staaten, aber auch etwa von Japan oder Australien. Mit diesem Ausweis kann man zumindest den stark gesicherten Eingangsbereich des Pentagons durchqueren, ohne kontrolliert zu werden. Innerhalb des Hauses sind aber unter Umständen weitere Sicherheitsfreigaben notwendig, die auch ein deutscher Verteidigungsattaché nicht ohne Weiteres bekommt.

Backen erinnert sich: „Nach der ersten Sicherheitsschleuse ist man erstmal in ‚Pentagon City’, mit Food Court, Friseur, Supermarkt, Blumenladen und Geschäften für Last-Minute-Geschenke für Hochzeits- oder Geburtstage, wenn es abends mal wieder spät geworden ist. Den täglichen Bedarf kann man im Pentagon selbst allemal decken.“ Für die überwiegende Zahl der Mitarbeiter sind die Arbeitstage sehr lang. „In den USA ist es üblich, dass man vor dem Vorgesetzten kommt und nach ihm geht. Hinzu kommen lange Anfahrten, manche sitzen täglich zwei Stunden im Auto von zu Hause ins Büro“, sagt Backen.

Orientierung im Labyrinth

Ist man durch die Sicherheitsschleuse, fällt die Orientierung leicht. Ein Büro hat beispielsweise die Nummer 3D126. Die erste Zahl gibt die Etage an, auf der sich der Raum befindet. Es kann sich auch um einen Buchstaben handeln: B für Basement oder M für Zwischengeschoss (Mezzanine). Der nächste Buchstabe ist der Ring, also eine der inneren Gebäudereihen (A, B, C, D, E). Die folgende Ziffer gibt den Flur an, in dem sich der Raum befindet. Die beiden letzten Ziffern sind die Raumnummer auf dem jeweiligen Flur. Wer vor einem Zimmer auf seinen Gesprächspartner warten muss, kann dies quasi mit einem kostenlosen Museumsbesuch verbinden. „Das Pentagon ist dekoriert mit dem Leistungsportfolio der amerikanischen Streitkräfte – von der Berliner Luftbrücke bis zu humanitären Einsätzen unserer Tage. Das wird alles an den Wänden vieler Flure in kleinen Ausstellungen gezeigt“, sagt Backen.

Was Backen in seinen Jahren in den USA auffiel, war die Offenheit im Pentagon für Gesprächspartner, unabhängig von ihrer Stellung. „Es gibt zwar ein Protokoll, aber die Pentagon-Mitarbeiter bis hin zum Minister schauen pragmatischerweise weniger auf den Rang als auf das, was ein Besucher mitbringt, welche Informationen er hat, wie interessant seine Vorschläge sind.“ So bekam der heutige Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Jan Christian Kaack, seinerzeit als Referatsleiter im BMVg im Range eines Kapitäns zur See, bei einem Arbeitsbesuch in Washington prompt Termine bis auf die Ebene des Assistant Secretary of Defense, also ziemlich weit oben. Der Grund: Er war damals zuständig für die Sicherheitslage im Golf von Nigeria. Das habe die Amerikaner sehr interessiert, berichtet Backen.

(Foto: Brittany Chase / USAF via CNP / picture alliance)

Als deutscher Verteidigungsattaché muss man – wie jeder amerikanische Neuling im Pentagon – herausfinden, wer die richtigen und wichtigen Ansprechpartner sind. „Das Networking geht relativ schnell“, sagt Brigadegeneral Frank Gräfe, der Vorgänger des heutigen Verteidigungsattachés, Flotillenadmiral Axel Ristau. Gräfe fiel das leicht. „Als Luftwaffenoffizier ist man ja ohnehin amerikanisch geprägt. Die Beziehungen der deutschen Luftwaffe sind mit keinem Land so eng wie mit den USA. Wenn ich einen Mitarbeiter des Pentagons neu kennenlernte, der bei der US Air Force ist, fragte er mich sofort, wie es in Sheppard Air Force Base war und was aus diesem oder jenem Jahrgangskameraden geworden ist. In Sheppard AFB in Texas befindet sich eines der wichtigsten fliegerischen Ausbildungszentren unserer Luftwaffe. Das war eine Brücke, die uns sofort verband.“ Die grundsätzliche Unkompliziertheit der Amerikaner habe ein Übriges getan, um als Deutscher im Pentagon schnell Kontakte zu knüpfen.

Enge Verbindung zu den „think tanks“

Gräfe weist noch auf einen besonderen Aspekt hin, der in Washington prägend für die sicherheitspolitische Blase ist: die enge Verbindung zwischen dem Pentagon und den Denkfabriken. „Nach einem Regierungswechsel geht ein guter Teil der Mitarbeiter in die Thinktanks, um manchmal bei einem erneuten Regierungswechsel vier oder acht Jahre später erneut in eine Funktion im Pentagon zu kommen.“ Deshalb sei es wichtig, gute Kontakte auch in diese Einrichtungen aufzubauen. Und noch einen guten Grund gibt es, den Gräfe verrät: „Im Pentagon erfährt man die offizielle Haltung, in den Thinktanks die Hintergründe.“

Neben Pentagon und Denkfabriken gilt es für einen Verteidigungsattaché noch ein drittes Feld zu bespielen: das soziale Leben. Auf Empfängen, bei Einladungen zu Abendessen, im persönlichen Umfeld der Gesprächspartner werden häufig unvorhergesehene Kontakte geknüpft, die wertvoll sein könnten und durch die man die eine oder andere zusätzliche Information bekommt. „Man muss Empfänge mögen, sonst macht der Job keinen Sinn,“ sagt Gräfe. Er war in seiner Washingtoner Zeit praktisch an jedem Abend auf einem Empfang. „Oft genug auch auf zweien an einem Abend. Ich habe das sehr ernst genommen.“

Protokollarischer Schluckauf

Dirk Backen und Duncan. (Foto: privat)

Von einem Empfang im Pentagon selbst weiß Dirk Backen, Attaché von 2012 bis 2016, zu berichten, als zu Beginn von Backens Amtszeit der amerikanische Verteidigungsminister Leon Panetta hieß. Backen und seine Frau waren zu einem Weihnachtsempfang im Pentagon eingeladen. Viele Militärattachés, Thinktank-Granden und hochrangige Offiziere fanden sich in der Receiving Line ein, der langen Kette von Gästen, an deren Ende das Ehepaar Panetta jeden Gast persönlich begrüßte. Die Panettas hatten ihren Hund dabei, einen Golden Retriever namens Bravo, den sein Herrchen schon zur CIA mitgenommen hatte, als Panetta dort Direktor war. Die Backens sind ebenfalls Hundefans, sie haben einen Flat-Coated Retriever, der auf den Namen Duncan hört. „Meine Frau wurde vom Minister begrüßt, dann beugte sie sich hinunter zu dem brav daliegenden Bravo und streichelte ihn. Das war ein protokollarischer Schluckauf“, erinnert sich Backen, „denn normalerweise hat man als Gast im Pentagon einen Hund zu ignorieren.“ Panettas Hund genoss die Zuwendung und rollte sich über den Teppich. Backen: „Panettas waren hocherfreut, aber in der Schlange ging es natürlich erstmal nicht weiter.“

Eigentlich sind Hunde im Pentagon verboten. Es sei denn, der Minister bringt einen mit. Aber für ihn gelten vielleicht andere Regeln. Er hat ja auch seinen eigenen Fahrstuhl.

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