Eine Mammutaufgabe
Die Ukraine arbeitet eifrig daran, ihre eigene Waffenproduktion zu stärken. Doch in der Vergangenheit angelegte Schwächen der Rüstung erschweren das wichtige Vorhaben.
Werden Topmanager von Ukraines Staatsrüstungskonzern Ukroboronprom bestallt, müssen sie in Kyjiw vor einem Nominierungskomitee antreten. Das klopft Fähigkeiten und Integrität der Kandidaten ab. Seit Neuestem sitzt ein Vertreter der deutschen Botschaft in dem Auswahlgremium. „Als Beobachter ohne Stimmrecht“, so ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin zu loyal. Die ungewöhnliche Maßnahme erfolgte auf Einladung des Ministeriums für strategische Industrien, das die Rüstung der Ukraine maßgeblich steuert. Neben Deutschland sind auch Beisitzer Frankreichs und Großbritanniens benannt. Sie sollen in der Herzkammer der ukrainischen Wehrwirtschaft gute Unternehmensführung demonstriert bekommen.
Ukroboronprom umfasst mehr als hundert Firmen mit 67.000 Angestellten. Das riesige Konglomerat ist zentral für die ukrainische Rüstungsstrategie. Deren Kernziel ist es, moderne Waffen in Masse selbst zu produzieren. Der Hebel dazu sollen Joint-Ventures heimischer Wehrunternehmen mit westlichen Partnern sein. Diesen Ansatz bewirbt die Ukraine in ihrer strategischen Kommunikation als „Allianz der Verteidigungsindustrien“. Zu deren Auftakt lancierte sie im Herbst 2023 ein großes Forum mit Wehrfirmen aus aller Welt in Kyjiw. Da ist es wichtig, gegen das Image der Ukraine als hoch korruptes Land anzugehen. Denn über die Partner sollen satte Investitionen und modernste Technologien in die eigene Wirtschaft fließen.
Für die Ukraine ist es essenziell, dass ihre Abhängigkeit von Waffenlieferungen abnimmt. Seit die US-Waffenhilfe im Kongress blockiert ist, sinkt der westliche Beistand. Das inkonsequente Engagement der Europäer kompensiert den Wegfall der USA nicht. Zudem würden Joint Ventures die Umrüstung auf NATO-Standards der Verbündeten beschleunigen. Das ist ein Muss für Logistik und Instandsetzung mit Blick auf einen längeren Abwehrkrieg gegen den Aggressor Russland. Um für Partnerschaften attraktiv zu sein, kann die Ukraine zweierlei einbringen: Partner können einerseits Waffen auf dem Schlachtfeld erproben und andererseits von der innovativen Drohnenrüstung der Ukraine profitieren.
Rüstungsindustrie auf Export ausgerichtet
Mit Blick auf ihren Rüstungssektor kämpft die junge Demokratie im dritten Kriegsjahr aber weiterhin mit massiven Schwächen, die in der Vergangenheit angelegt wurden. Die seit 1991 unabhängige Ukraine hatte zunächst andere Sorgen, als sich um ihre Wehrkraft zu kümmern. Wie im Westen wurde die eigene Rüstungsindustrie auf Absatzmärkte im Ausland getrimmt, um sie zu erhalten. In den Jahren vor Beginn des verdeckten Angriffskriegs 2014 lag die Ukraine sogar auf Rang acht der weltweit größten Waffenexporteure, so die Zahlen des Stockholm International Peace Research Institute SIPRI. Möglich war das, weil die Ukraine ein zentraler Rüstungshub in der Sowjetunion war – vor allem für Flugzeuge und Raketen. Sie versorgte ab den 1990er-Jahren Entwicklungs- und Schwellenländer wie Pakistan und China mit günstiger sowjetischer Wehrtechnik.
Die Ukraine zehrte von dieser Substanz, eine Weiterentwicklung ihrer Wehrwirtschaft gelang kaum. Damalige Versuche, die Wehrindustrie technologisch voranzubringen und mit Investitionen des Westens fit zu machen, scheiterten. Die Bundeswehr interessierte sich Ende der 1990er-Jahre für das Transportflugzeug AN-70 mit ausgereifter Technik des ukrainischen Herstellers Antonow. Entwickelt und gebaut wurde dann aber der Airbus A400M. Das war doppelt schlecht für die Ukraine: Aus der UdSSR erbte ihre Wehrindustrie eine enge Verknüpfung mit der des kommenden Todfeindes Russland. So war die AN-70 lange ein Gemeinschaftsprojekt mit Russland. Bis heute gibt es keine Serienproduktion der Maschine.
Wehrindustrie vor 2014 nochmals geschwächt
In den Jahren vor 2014 wurde die ukrainische Wehrindustrie nochmals geschwächt, indem ihre Basis Ukroboronprom gezielt korrumpiert wurde, so Viktoriia Vyshnivska und Svitlana Musiiaka im Gespräch mit loyal. Beide sind Analystinnen bei der Nichtregierungsorganisation Independent Anti-Corruption Commission (NAKO) in Kyjiw. Die NAKO berät die ukrainische Regierung speziell bei der Reform des Rüstungssektors mit Schwerpunkt Korruptionsvermeidung. Unter anderem sitzt die NAKO im Nominierungskomitee Ukroboronproms. Dort bringt sie ihre Background-Checks zu potenziellen Managern ein, zum Beispiel mit Analysen, ob Kandidaten politische Ambitionen haben und über Netzwerke verfügen.
Viktoriia Vyshnivska: „Die staatliche Rüstungsholding Ukroboronprom ist kein Relikt aus der Sowjet-Ära. Sie wurde 2010 von dem prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch gegründet. Ihr Konzept war russisch. Das heißt, die meisten ukrainischen Rüstungsunternehmen wurden in einer Machtvertikale zusammengeführt. Ihre Führungspositionen wurden de facto durch das Präsidialkabinett besetzt. Die Holdingstruktur ermöglichte die Verschiebung von Geldern zwischen den einzelnen Unternehmen, was der Geldwäsche im korrupten System Janukowitsch diente. Das war Gift für die Entwicklung der Rüstungsindustrie.“
Janukowitsch wurde bei der Euromaidan-Revolution vertrieben. Die folgende Annexion der Krim durch Russland 2014 und die verdeckte Invasion im Donbas ließen in der Ukraine die Erkenntnis reifen, Rüstungsreformen in Angriff zu nehmen. Svitlana Musiiaka: „Uns wurde klar, dass eine kleine Armee nach sowjetischem Vorbild, wie die unsere damals, eine große sowjetische Armee nicht besiegen kann. Allerdings waren die Ansätze einer Verteidigungsreform während der folgenden Präsidentschaft von Petro Poroschenko noch inkonsistent.“
Modernes Beschaffungsgesetz kam 2020
Erst mit Beginn der Präsidentschaft Wolodymyr Selenskyjs ab 2019 änderte sich das. Ein Jahr später verabschiedete das Parlament ein modernes Beschaffungsgesetz. Das beinhaltete erstmals eine mittelfristige Finanzplanung für Rüstungsinvestitionen von drei Jahren, eine klare parlamentarische Kontrolle, offene Ausschreibungen und den Aufbau eines Registers qualifizierter Wehrunternehmen. „Allerdings ist die Implementierung eine Mammutaufgabe. Die Ministerien müssen neue Prozesse entwickeln und einführen, diverse Untergesetze sind anzupassen, und das Register braucht ein effizientes IT-System“, so Svitlana Musiiaka.
Auch der staatliche Rüstungskonzern Ukroboronprom ist laut den beiden Korruptionsexpertinnen der NAKO auf dem Weg der Professionalisierung. Inzwischen habe der Konzern einen überzeugend besetzten Aufsichtsrat sowie eine Audit- und Compliance-Abteilung. Die Holding wurde jüngst in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, um einen erleichterten Zugang externen Kapitals zu schaffen. Die Aktienmehrheit hält der Staat.
Klagefreudige Branche
Folgt man ukrainischen Medien, werden Reformerfolge dort jedoch stark angezweifelt, und es gibt immer wieder Berichte zu spektakulären Korruptionsfällen. So laufen zurzeit Untersuchungen zu Unterschlagungen bei der Beschaffung von Mörserpatronen. Dazu wurde im Februar ein früherer Leiter der Beschaffungsabteilung des Verteidigungsministeriums kurzzeitig verhaftet. NAKO-Analystin Viktoriia Vyshnivska sieht es so: „Die ukrainischen Medien sind übermäßig kritisch. Sie konzentrieren sich meist auf einzelne Korruptionsfälle, die gut fürs Clickbaiting sind. Der Reformprozess wird oft ignoriert. Einen Fortschritt sehen wir darin, dass der Staat trotz des Krieges zivilgesellschaftliche Organisationen zur Überwachung und Beratung einbindet. Ein aktuelles Beispiel ist die Einrichtung des Antikorruptionsrates im Verteidigungsministerium.“
In ihrem neuesten Korruptionsindex nennt Transparency International die Ukraine neben Lettland als „größten Gewinner im Index der letzten elf Jahre.“ Die Ukraine verbesserte sich von Platz 144 auf Platz 104 von 180 Ländern. Das zeigt: Es gibt deutliche Fortschritte, allerdings von einem niedrigen Niveau aus.
Eine zentrale Herausforderung ist das Justizwesen für die klagefreudige Wehrbranche. Rüstungsunternehmen, die in der Ukraine aktiv sind, müssen damit rechnen, dass Streitfälle vor Gericht zu einem Spießrutenlauf werden. Svitlana Musiiaka: „Im Gerichtssystem gibt es immer noch ein gewisses sowjetisches Erbe. Die Verfahrensvorschriften sind formalistisch und starr, was dazu führt, dass sich die Prozesse über Jahre hinziehen können. Außerdem mangelt es an qualifizierten Richtern und Mitarbeitern. Das macht die Gerichte anfällig für Korruption. Einige der Vergaberechtsstreitigkeiten sind bei einem Bezirksverwaltungsgericht in Kyjiw zentralisiert, das für seine Korruptionsanfälligkeit berüchtigt ist. Eine solche Umgestaltung des Justizwesens geht nicht mit einem Fingerschnipsen.“
Kriegsrecht bremst Rüstungsreform aus
Der russische Angriffskrieg hat die Umsetzung der Rüstungsreform erschwert. Mit dem Kriegsrecht wurde das Beschaffungswesen erneut einer umfassenden Geheimhaltung unterworfen. Anstelle von Ausschreibungen dominieren Direktvergaben, über die es kaum Informationen gibt. Vor Kurzem kritisierte Vladislav Belbas, Geschäftsführer von Ukrainian Armor, einem privatwirtschaftlichen Hersteller gepanzerter Radfahrzeuge, dass es weiterhin keine langfristigen Verträge gäbe, obwohl das neue Beschaffungsgesetz dies vorsehe. Es bliebe bei Einjahresverträgen für den laufenden Haushalt. Das erschwere die Koordinierung mit den Zulieferern und damit die Auslastung der Produktionskapazitäten.
In Richtung von Joint Ventures, um die Produktion anzukurbeln, war die Ukraine in den letzten Monaten sehr erfolgreich unterwegs. Oleksandr Kamyschin, der rührige 39 Jahre alte Minister für strategische Industrien, präsentiert fast im Wochentakt Kooperationsvereinbarungen. Die deutsche Wehrindustrie ist unter anderem mit Diehl, MBDA, Helsing und Dynamit Nobel Defence vertreten. Allerdings sind es meist erst Absichtserklärungen, durch die noch keine einzige Waffe produziert wird. Bis es so weit ist, dauert es bestenfalls mehrere Monate. Es müssen Verträge abgeschlossen werden, es muss Fachpersonal ausgebildet werden, und die Technik muss aufgebaut werden.
Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat im vergangenen Herbst ein Joint Venture mit Ukroboronprom für mehrere Projekte vereinbart. Inzwischen gibt es Wartung und Instandsetzung mit Technikern vor Ort. Nächstes Ziel in einem Stufenplan ist die Vor-Ort-Fertigung von Fuchs-Transportpanzern mit aus Deutschland gelieferten Bausätzen. Dann soll die Herstellung von Munition und Flugabwehr folgen. Die angekündigte Produktion des Schützenpanzers Lynx und des Kampfpanzers Panther in der Ukraine sind laut einem Rheinmetall-Sprecher eher Projekte für eine Nachkriegsphase.
Infrastruktur ein latenter Schwachpunkt
So ist die Infrastruktur der Produktionsstätten in der Ukraine ein latenter Schwachpunkt wegen der russischen Luftangriffe. Neubauten sind deshalb nicht machbar. Der Rheinmetall-Sprecher zu loyal: „Wir gehen mit unserer Produktion in bestehende Werke.“ Die ukrainischen Rüstungsfirmen hätten ihre Herstellung seit Kriegsbeginn teils ins Ausland verlagert, aufgeteilt und dupliziert, um die Produktion am Laufen zu halten, so Maksym Polyvianyi, Vorsitzender der National Association of Ukrainian Defense Industries (NAUDI) – einem neuen Branchenverband der privatwirtschaftlichen Wehrfirmen der Ukraine, in der Washington Post. Das mache die Rüstung zwar widerstandfähiger, erschwere aber deren Ausbau.
Sehr weit mit einem Engagement in der Ukraine ist das deutsche Drohnen-Unternehmen Quantum Systems mit Sitz im bayerischen Gilching. Das beliefert die ukrainische Armee seit Kriegsbeginn mit hochwertigen Aufklärungsdrohnen. Quantum hatte schon ein Trainings- und Instandsetzungszentrum in der Ukraine. Seit April betreibt die deutsche Firma auch eine Drohnenproduktion an Ort und Stelle.
Matthias Lehna, Leiter des Quantum Systems Hauptstadtbüros Berlin, im Gespräch mit loyal: „Dort produzieren wir in diesem Jahr zunächst Ersatzteile wie Flügel, um die Instandsetzung für den Fronteinsatz zu beschleunigen – in den Folgejahren vielleicht auch ganze Drohnen. Hinzu kommt noch ein Entwicklungshub als Reaktion auf den durch den Krieg enorm beschleunigten Innovationszyklus.“ Die Deutschen haben ihre Investition dafür von sechs Millionen Euro über eine neue Freihandelszone der Ukraine namens „Diia-City“ eingebracht, die für 25 Jahre niedrige Steuersätze garantiert.
Quantum ist auch ein Beispiel dafür, wie das Label „Schlachtfelderprobt“, mit dem die Ukrainer locken, unternehmerisch genutzt wird. Der Drohnenhersteller hat auf Basis seiner dichten Schlachtfeld-Expertise ein Konzept für das Heer der Bundeswehr entwickelt, um dessen Gefechtsverbände mit einer zeitgemäßen Drohnenaufklärung auszustatten. Die Reliant-Drohne mit 100 Kilometern Reichweite für die Brigadeebene, das Modell Vector mit 35 Kilometern für die Bataillone und die Drohne Twister mit 15 Kilometern für Kompanien, Züge und Trupps. Dabei kommt Quantum auf massive Bedarfe, berechnet nach dem Verschleiß in „einem Jahr hochintensiven Krieges in der Ukraine“ – so das Konzeptpapier: 90 Reliant-Drohnen, 3.600 vom Typ Vector und 14.400 Twister-Drohnen.
Hybridlösung aus ukrainischer und US-Technik
Blickt man auf die bisherige Rüstungskooperation der Ukraine mit den USA fällt eine Besonderheit auf. Ihr kurzfristiger Ertrag ist eine Hybridlösung ukrainischer und US-amerikanischer Wehrtechnik. Seit Dezember vergangenen Jahres ist die erste Flugabwehrbatterie des Projekts „FrankenSAM“ im Einsatz. Der Projektname ist eine Wortkombination aus „Frankensteins Monster“ und „SAM“, was die englische Abkürzung für Boden-Luft-Rakete ist. Dabei handelt es sich um mobile Flugabwehrsysteme des sowjetischen Systems Buk, in die US-Raketen Sea Sparrow und Sidewinder integriert wurden. Produziert werden diese Raketen in der Lenkflugkörperfabrik des Wehrkonzerns Raytheon in Tuscon, Arizona. Lynndy Smith, Präsidentin des Wehrindustrieverbands Arizona Defense and Industry Coalition, ist seit Januar auch Aufsichtsrätin bei Ukroboronprom. Ihre Aufgabe in dieser Position ist es, bei der US-Rüstungsindustrie für Joint Ventures mit der Ukraine zu werben.
Der Stand von Ukraines Rüstungsstrategie der Selbstertüchtigung lässt sich kriegsbedingt schwer feststellen. In diesem Jahr soll Priorität Nummer eins die Munitionsproduktion sein, gefolgt von Drohnen und gepanzerten Fahrzeugen, so Denys Shmyhal, Ministerpräsident der Ukraine. Im diesjährigen Wehretat sind 6,2 Milliarden Euro für Beschaffung, Modernisierung, Entwicklung und Instandsetzung vorgesehen.
Abhängig von chinesischen Bauteilen
Beim Ausbau der Munitionsproduktion im Land verweist das Ministerium für strategische Industrien häufig auf die grundsätzliche Vereinbarung mit zwei ungenannten US-Firmen. Doch der Aufbau dieser Produktionslinie werde mindestens zwei Jahren dauern, so Minister Kamyschin im Kurznachrichtendienst X. Bekannt ist, dass die Ukraine hochwertige Waffen wie den Seezielflugkörper Neptun herstellen kann und zunehmend Langstreckendrohnen. Die Masse der Gefechtsfelddrohnen sind jedoch einfach herzustellende, kleine sogenannte First-Person-View-Modelle, die mit Kameratechnik und Joystick gesteuert werden. Bei ihnen sei die Ukraine ebenso wie Russland abhängig von chinesischen Bauteilen, so Samuel Bendett, Experte für Drohnenkriegsführung am Thinktank National Security Analysis in Washington, zu loyal. „Hier hat Russland mit seiner größeren Bevölkerung inzwischen dasselbe Ökosystem wie die Ukraine aufgebaut, mit zahlreichen Unterstützergruppen und Montagewerkstätten.“
Bei gepanzerten Fahrzeugen ist die Ukraine dabei, sich mit einer Radhaubitze aus eigener Produktion zu rüsten – der 2S22 Bohdana. Präsident Selenskyj gab Ende vergangenen Jahres bekannt, dass erstmals eine Monatsproduktion von sechs dieser Systeme gelang. Es ist allerdings unklar, ob das der Beginn einer ausbaufähigen Serienfertigung ist. Die Bohdana-Haubitze sowie die von Frankreich an die Ukraine gelieferte Radhaubitze Caesar gibt es beide auf einem Chassis des tschechischen Herstellers Tatra, das NATO-Standards entspricht. Bei Kampfpanzern kündigte die Ukraine an, die Produktion seines „BM Oplot“ auszuweiten – eine kampfwertgesteigerte Version des sowjetischen Modells T-84. Der Militärbranchendienst Janes hielt es 2022 für wahrscheinlich, dass eine größere Produktion frühestens 2025 beginnen könne, da eine Substituierung der diversen russischen Komponenten zeitaufwendig sei.
Fachkräftemangel verzögert Entwicklung
Eine grundlegende Herausforderung für die Rüstung ist der Konflikt zwischen dem Mobilisierungsbedarf für die Front und dem Mehrbedarf von Arbeitskräften für die Produktion. Auch in der Ukraine herrscht Fachkräftemangel. Nach der Wirtschaftszeitung Economichna Pravda fehlt es vor allem an Ingenieuren, was die Entwicklungsarbeit bei Waffensystemen verzögert. Auch die potenziellen Joint-Venture-Partner aus dem Westen haben ein Interesse daran, dass Arbeitskräfte, in deren Ausbildung sie investieren, verlässlich vom Front-einsatz freigestellt werden. loyal weiß aus der deutschen Wehrindustrie, dass dies Thema bei Gesprächen mit der Ukraine ist.
Laut dem Minister für strategische Industrien, Oleksandr Kamyschin, baut die Ukraine ihre Rüstungsproduktion monatlich aus. 2023 sei die Waffenproduktion verdreifacht worden. Wie stimmig das ist, lässt sich nicht feststellen. Fakt ist, dass der Ausbau der ukrainischen Rüstung von einem niedrigen Niveau ausgeht. Kurz vor Kriegsbeginn, im Dezember 2021, analysierte der damalige Verteidigungsminister Oleksij Resnikow den Stand der ukrainischen Beschaffung in der armeeeigenen Onlinezeitung ArmyInform. Seine Bewertung: Damals war die Beschaffung noch völlig dysfunktional. Die Armee erhielt nur kümmerliche 6,3 Prozent an Waffen und Gerät von dem, was das Rüstungsprogramm 2014 bis 2019 als Anspruch formuliert hatte.
Als Beispiel nannte Resnikow damals den Zulauf des neuen Schützenpanzers BTR-4. Dessen Stückzahlen wurden drei Jahre in Folge nicht erreicht. Die jetzige Produktionsrate ist unklar. Auch ein zur „Allianz der Verteidigungsindustrien“ angekündigter Rüstungsfonds der Ukraine existiert noch nicht. Ihn würde die Ukraine gerne mit Russlands eingefrorenen Devisenreserven von circa 300 Milliarden Euro befüllen. Die sind vor allem in Europa hinterlegt. Doch wie bei den Waffenlieferungen kann die Ukraine dem Fluch nicht entfliehen, von ihren wankelmütigen Alliierten abhängig zu sein. Die zaudern und verhandeln seit Monaten über eine Beschlagnahmung der russischen Gelder.