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Sanktionen: Ein Desaster für Russlands Wirtschaft?

Geht der russischen Rüstungsindustrie die Luft aus? Das war die Hoffnung hinter den Sanktionen, die die EU und die USA seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Jahr 2014 hatte. Eine neue Studie der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) ergibt: So einfach ist das nicht.

Nizhny Tagil, Russland - 10. Oktober 2019: In der Uralvagonzavod-Fabrik wird ein T-72B3 Kampfpanzer montiert.

(Foto: picture alliance/dpa/TASS)

russlandUkrainekrieg

Ja, die Sanktionen des Westens schwächen die russische Wirtschaft und die russische Rüstungsindustrie. Aber Russland verdient immer noch massiv an seinen Rohstoffverkäufen – und zwar wegen der steigenden Preise auf den Weltmärkten immer mehr. Und: Die russische Wirtschaft passt sich an: Fehlende (Ersatz-)Teile und Produkte, die bisher aus der EU oder den USA bezogen wurden, werden zunehmend von anderen Ländern wie der Türkei, Iran oder China geliefert. Das ist die Bilanz des Forschungspapiers „Russia’s War Economy: How Sanctions Reduce Military Capacity“, das die DGAP im Februar publiziert hat.

Doch es lohnt sich, tiefer in die Ergebnisse des Papiers der DGAP zu blicken. Zunächst die gute Nachricht: Weil ihnen wegen der Sanktionen wichtige Bestandteile für ihre allerneuesten High-Tech-Waffen fehlen, können die Russen diese nicht mehr produzieren. Vor allem bei speziellen Bauteilen im Bereich der Luft- und Raumfahrttechnologie, mikroelektronischen Teilen oder Optronik zeigt sich das bei der Produktion massiv. Beispiel T-72-Panzer: Darin sind französische Wärmebildkameras der Firma Thales verbaut und japanische Optiken – beides bekommen die Russen im Moment nicht mehr. Zweites Beispiel: Das moderne Boden-Luft-Lenkwaffensystem 9K37 BUK und der Flugabwehrpanzer 9K22 Tunguzka können nicht mehr produziert werden, weil die elektronischen Teile aus deutscher Produktion fehlen. Auch die Produktion des neuesten Tarnkappen-Kampfjets der 4+Generation, des Sukhoi Su-57, wurde massiv eingeschränkt. Eigentlich wollte das russische Militär 60 Stück dieser Jets bis 2022 in die Luftwaffe einführen, bisher waren es lediglich fünf, und diese konnten auch noch nicht für Kampf-Missionen genutzt werden.

Die Einschränkungen bei der Produktion von neuem Gerät dürften besonders schmerzhaft sein, weil das russische Militär in der Ukraine bereits massiv Gerät verloren hat. Die Autoren des DGAP-Forschungspapiers schreiben, dass bis Dezember 2022 bereits 4.500 gepanzerte Fahrzeuge, 63 Flugzeuge, 70 Helikopter und 150 Drohnen im Ukrainekrieg zerstört wurden. Dazu kommen 12 Schiffe und über 600 Artilleriesysteme. Auch nicht zu vernachlässigen: das sogenannte „Humankapital“, das wegen des Ukrainekriegs Russland verlassen hat. Über 500.000 Russen – meist mit guter Ausbildung – sind seit Februar 2022 aus Russland in andere Länder ausgewandert.

Das sind aber auch schon die einzigen guten Nachrichten für die westlichen Verbündeten. Denn entgegen der Hoffnung, dass die russische Wirtschaft schnell unter den Sanktionen zusammenbrechen würde, hält sich diese erstaunlich stabil. Laut Internationalem Währungsfonds (IMF) brach die russische Wirtschaft im Jahr 2022 um 2,2 Prozent ein. In diesem Jahr soll sie aber mit 0,3 Prozent schon wieder leicht wachsen. Und für 2024 erwartet der IMF bereits ein Wachstum von 2,1 Prozent. Der Grund, weshalb die russische Wirtschaft nicht in die Knie geht, sind vor allem die steigenden Einnahmen durch den Verkauf von Öl und Gas. Im Jahr 2022 nahm die russische Regierung, laut russischen Angaben, 132 Milliarden US-Dollar mit dem Verkauf von fossilen Rohstoffen ein. Das sind 44 Prozent ihrer gesamten Staatseinnahmen und 34 Prozent mehr als im Jahr 2021. Russland hat neue Kunden für seine Rohstoffe in Fernost gefunden, vor allem China und Indien, die die „alten“ Kunden also die europäischen Länder kompensieren, die keine russischen Rohstoffe mehr beziehen.

Außerdem stellt sich die russische Industrieproduktion, auch die Rüstungsindustrie, langsam um. Sie versucht, vieles wieder selbst im eigenen Land herzustellen oder bezieht jetzt (Vor-)Produkte aus Ländern, die den Sanktionen nicht zugestimmt haben, wie der Türkei, China oder Kasachstan. High-Tech-Komponenten wie Mikrochips und Semikonduktoren kommen nun aus diesen Ländern – auch wenn die Russen dafür mehr bezahlen müssen, Lieferketten nicht eingespielt sind und die Produkte deshalb oft nicht pünktlich zulaufen.  Außerdem reaktiviert die russische Regierung Waffensysteme aus der Sowjetzeit, die nicht auf westliche Ersatzteile angewiesen sind, wie den T-62 Kampfpanzer, von dem sie 800 Stück modernisieren lässt. Bei der Herstellung von Nuklearwaffen, Interkontinentalraketen oder U-Booten sind die Russen laut den Autoren der DGAP sowieso komplett autark und nicht auf andere Länder angewiesen – die Sanktionen treffen sie in diesem Bereich also überhaupt nicht.

Was folgt nun für die Autoren aus dieser Analyse? Was soll der Westen in Zukunft tun? Die Autoren der DGAP raten, die Sanktionen beizubehalten und dafür zu werben, dass weitere Länder sich daran beteiligen. Außerdem sprechen sie sich dafür aus, den Preisdeckel auf russisches Öl, der seit Dezember vergangenen Jahres gilt, noch weiter zu senken, um die Haupteinnahmequelle der russischen Regierung zu beschränken. Selbst wenn diese Maßnahmen greifen, erwarten die Autoren aber keinen schnellen Zusammenbruch der russischen (Kriegs-)Wirtschaft.

Wer mehr lesen möchte: Hier geht’s zum DGAP-Forschungspapier (in englischer Sprache).

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