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Schwieriger Partner an der NATO-Südostflanke

Die Türkei macht sich mit ihren Alleingängen weder Freunde in der NATO noch in der Region. Mit der Übernahme der Führung über die NATO-Speerspitze VJTF Anfang des Jahres will Ankara dem Bündnis zeigen, was es kann. Eine Demonstration von Stärke, die zwei Seiten hat.

Symbolbild: Türkische Soldaten bei einer Parade nach dem Konflikt um Bergkarabach.

Foto: Wikimedia Commons

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Zum Jahreswechsel hat die Türkei die Führung der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) übernommen. Sie löste Polen ab. Die VJTF als NATO-Speerspitze gehört zur NATO Response Force (NRF), die schnelle Eingreiftruppe des Bündnisses. Die Anforderung: Innerhalb von 48 bis 72 Stunden einsatzbereit an jedem Ort zu sein, an dem die Truppe benötigt wird. Kern der türkischen VJTF ist die 66. Mechanisierte Infanteriebrigade mit rund 4.200 Soldaten. Weitere 2.200 VJTF-Soldaten werden in diesem Jahr von elf NATO-Ländern gestellt. Deutschland ist nicht darunter. Die Bundeswehr wird die VJTF-Führung 2023 übernehmen.

Ankara hat kein Geld und keine Mühen gescheut, in seinen VJTF-Verband zu investieren. Die 66. Mechanisierte Infanteriebrigade der Türken gilt als eine der mobilsten Verbände in der NATO überhaupt und verfügt über das modernste Gerät, das die türkische Armee derzeit aufzubieten hat. Darunter sind neueste Modelle türkischer Transportpanzer, Panzerabwehrraketen und Artillerie. Die militärischen Fähigkeiten der Brigade wurden 2020 durch das Bündnis während der Übung „Anatolian Caracal 2020“ überprüft und sind zertifiziert.

Zunehmende Entfremdung

Die Übernahme der VJTF durch die Türkei erfolgt in einer Zeit zunehmender Entfremdung zwischen dem NATO-Mitglied Türkei und dem Rest der Allianz. Ankara wird im Nahen Osten als aggressiv auftretender Player wahrgenommen, der seinen politischen und wirtschaftlichen Einfluss ausdehnen möchte. Der mehrfach erfolgte einseitige Einmarsch in Syrien, Einsätze von Spezialkräften im Nordirak und Luftangriffe gegen dortige kurdische Stellungen, ein starkes militärisches Engagement in Libyen, Machtdemonstrationen bei der Suche nach Erdgas im Mittelmeer und im Schwarzen Meer, ein intensiver Schulterschluss mit Katar und militärische Kooperationen mit westafrikanischen Staaten, insbesondere dem Niger: all diese Alleingänge geben Anlass zur Sorge. In Brüssel sieht man den türkischen Präsidenten Recep Tayyib Erdogan aktuell je nach Standpunkt im besten Fall als einen schwer einzuschätzenden Autokraten, zuweilen auch als einen Hasardeur. In jedem Fall ist die Türkei nicht mehr der stabilisierende Faktor an der NATO-Südostflanke, der sie jahrzehntelang gewesen ist.

Dies zeigt sich auch daran, dass der Versuch der türkischen Machtprojektion immer wieder zu direkten Konflikten mit NATO-Partnern führt. So geriet eine französische Fregatte im vergangenen Juni ins Visier türkischer Waffen, als diese ein unter der Flagge von Tansania fahrendes Frachtschiff auf dem Weg nach Libyen kontrollieren wollte. Frankreich und die Türkei bezichtigten sich gegenseitig der Aggression, die NATO untersucht den Vorfall. Vor allem aber mit Griechenland hat sich die Situation in jüngster Zeit mehrfach zugespitzt. Beide Länder erheben Anspruch auf Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer, wobei sich Griechenland, Ägypten und Israel zum Ärger Ankaras zur Förderung der Bodenschätze zusammengeschlossen haben.

Ankara scheut keinen Konflikt

Ankara liegt nicht nur mit den meisten seiner Nachbarn über Kreuz, es scheut sich auch nicht vor einem Konflikt mit den USA. Gegen die ausdrückliche Empfehlung Washingtons hat die Türkei entschieden, das russische Raketenabwehrsystem S-400 zu kaufen, woraufhin Washington die türkische Seite aus dem F-35-Kampfflugzeug-Programm ausgeschlossen hat. Schon zuvor war es zu handfesten gegenseitigen Drohungen gekommen, weil die USA in Syrien Truppen zur Unterstützung kurdischer Kämpfer stationiert hatten.

Die Art und Weise, wie die Türkei ihre NATO-Partner immer wieder vor den Kopf stößt, ruft im Bündnis mehr und mehr Unverständnis hervor. Die Alleingänge Ankaras führen nicht nur in der NATO zur Isolation, sondern auch in der Region. Außer in Katar hat der türkische Präsident im Nahen Osten keine Freunde mehr. Die Politik Erdogans ist umso erratischer, weil die Türkei auf gute Wirtschaftsbeziehungen und einen funktionierenden Tourismus angewiesen ist. Erdogan scheint dies allerdings seinem Regionalmachtanspruch unterzuordnen. Umso mehr will er nun mit einer erfolgreichen türkischen VJTF-Führerschaft zeigen, zu was seine Armee imstande ist. Der NATO soll vor Augen geführt werden, dass die Türken militärisch alle Anforderungen des Bündnisses erfüllen. Zugleich ist die perfekte Performance der türkischen Brigade aber auch eine Demonstration eigener Stärke gegenüber dem Bündnis. Sollte Brüssel diese als Drohung auffassen, könnte Erdogan das durchaus im Sinn gehabt haben.

Bild oben: Wikimedia Commons, CC-BY-4.0

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