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Der Einfluss des Ukraine-Krieges auf Europas Rüstungsmarkt




Die Waffenmesse Eurosatory in Villepinte nördlich von Paris. Knapp 80 Prozent der Beschaffungen kommen jedoch von außerhalb der EU.

Foto: picture alliance/AP

Beschaffungeuloyal

Der Thinktank Institut de Relations Internationales et Strategiques in Paris (IRIS) hat die Beschaffungen der EU-Staaten seit Beginn des Ukraine-Krieges betrachtet, samt Entwicklung der Verteidigungshaushalte. Autor der Analyse ist IRIS-Sicherheitsexperte Jean-Pierre Maulny. Sein zentraler Befund: 78 Prozent der Beschaffungen der Europäer seit Kriegsauftakt kommen von außerhalb der Europäischen Union. Den Löwenanteil davon bedienen die Vereinigten Staaten mit 63 Prozent.

Für die Waffenbeschaffung in den USA bevorzugen die Europäer den direkten Einkauf von Regierung zu Regierung über das „Foreign Military Sales“ (FMS) Programm der USA. Das ermöglicht die zielstrebigere Umsetzung von Rüstungsgeschäften als kleinteiligere Verhandlungen mit den beteiligten Firmen. Auch Deutschlands zentrale Rüstvorhaben mit den USA, wie der Mehrzweckkampfjet F-35 und den schwere Transporthubschrauber Chinook erfolgen über das FMS. FMS-Beschaffungen machen 59 Prozent der Einkäufe von US-Wehrmaterial durch die Europäer aus.

Neben den USA ist Südkorea der zweite große Waffenlieferant Europas von außerhalb des Kontinents. Wegen seines latenten Konflikts mit Nordkorea hat sich der Staat in Nordost-Asien auch nach dem Kalten Krieg eine verteidigungsindustrielle Basis erhalten – insbesondere für schweres Gerät. Vor allem hier bedient Südkorea nun Bedarfe der Europäer. So rüstet sich Polen mit K2-Panzern und kauft die Panzerhaubitze K9. Letztere wird ebenso von Rumänien und Estland beschafft. Bemerkenswert: Einst war die US-Nachfrage für den Koreakrieg der Anstoß zum Wiederaufbau von Rüstungskapazitäten in Westeuropa – vor allem in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.

Europas erster Produzent ist Deutschland

Der Anteil der EU-Produzenten an der europäischen Rüstung seit Kriegsbeginn liegt bei überschaubaren 22 Prozent. Der Primus der Rüstung, die innerhalb der EU erfolgt, ist Deutschland mit 11,5 Milliarden Euro. Fast die Hälfte der intra-europäischen Waffeneinkäufe erfolgten dort. Auf dem zweiten Platz liegt Schweden mit 4,7 Milliarden Euro an Waffenverkäufen. Frankreichs Anteil beschränkt sich dagegen auf nur 12 Prozent mit 2,5 Milliarden Euro.

Grundsätzlich gilt: Bereits seitdem verdeckten russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ab 2014 steigen die Verteidigungsausgaben der Europäer. Die offene Invasion von 2022 hat den Ausbau der Rüstung allerdings massiv verstärkt. Laut der European Defence Agency (EDA) gab es im Jahr 2021 einen Aufwuchs von 8,4 Milliarden Euro an Wehrausgaben in Gesamteuropa, im vergangenen Jahr waren es dann 21,5 Milliarden Euro.

Doch laut der IRIS-Studie wird der Ausbau europäischen Verteidigungsanstrengungen kaum auf diesem Niveau weitergehen. Als ein Beispiel wird Deutschland angeführt. Trotz eines starken Rüstungsanstoßes mit dem 100 Milliarden Sondervermögen bleibt unklar, inwiefern der Wehretat mittelfristig zum 2-Prozent-Ziel der NATO erhöht wird. Die Einschätzung von Studien-Verfasser Maulny: „Mit Blick auf diese Unsicherheit, werden die deutschen Beschaffungen der nächsten Jahre wohl weiterhin Von-der-Stange-Beschaffungen sein, weniger Investitionen in langfristige Rüstprogramme.“

Rüstung kaum nachhaltig

Ebenfalls problematisch bewertet Maulny die Rüstungsanstrengungen von Deutschlands engstem militärischen Partner in Europa – den Niederlanden. Deren Landstreitkräfte sollen in den nächsten Jahren vollständig in das Heer der Bundeswehr integriert werden. Ein erster Kern für die multinationalen Großverbände, welche die EU- und NATO-Europäer aufbauen wollen. Die Niederlande setzte auf diverse Finanzspritzen in sein Wehrbudget um, den Etat von 1,6 Prozent auf 2 Prozent des BIP zu hebeln. Der Anspruch ist es, den Wehretat ab 2026 mit jährlich fünf Milliarden Euro extra zu stärken. Ein Versprechen, dass sich laut Maulny schwer durchhalten lässt. Auch bei Europas Rüstungsprimus Polen ist fraglich, wie die brachiale Rüstungsagenda langfristig finanziert wird. Polens Ziel ist ein europäischer Rekordwehretat von vier Prozent des BIP. Die Material-Beschaffung läuft, ähnlich dem deutschen Sondervermögen, über einen Sonderfonds außerhalb des Staatsbudgets. Befüllt wird er über Anleihen, welche die staatliche Entwicklungsbank Bank Gospodarstwa Krajowego am Markt platziert. Doch es ist völlig unklar, wie die sich anhäufenden Kredite getilgt werden sollen. Die polnische Regierung hat dazu bis heute keinerlei Informationen oder gar einen Plan präsentiert.

Ein neuer Trend

Ein kommender Trend dürfte laut der IRIS-Studie die Herstellung von US-Waffen in Europa werden. Denn auch die US-Produktionskapazitäten sind angesichts der massiven Nachfrage überfordert. Als eindrückliches Beispiel wird der US-amerikanische Raketenwerfer HIMARS genannt. Von den im Sommer 2022 der Ukraine zugesagten 38 HIMARS sind bis jetzt 20 geliefert worden. Die restlichen 18 müssen noch produziert werden. Hinzu kommen weitere Bestellungen, wie eine gigantische polnische Bestellung von 500 Stück. Der Herstellungsprozess ist aufwendig und dauert ein Jahr. HIMARS-Produzent Lockheed Martin gibt seine Produktionskapazität mit 60 Stück pro Jahr an, die nun auf 90 gesteigert werden soll. Somit erklärt sich das Angebot des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall aus dem Frühjahr dieses Jahres, HIMARS in Europa zu produzieren. Inzwischen haben Lockheed Martin und Rheinmetall für das begehrte Waffensystem eine Allianz gebildet. Sie bieten europäischen Staaten nun einen auf dem HIMARS basierenden Raketenwerfer an, der in Europa produziert wird.

Die komplette Studie steht hier als PDF zum Download bereit. (englisch)

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