Globale Auswirkungen
Donald Trump war der 45. Präsident der USA. Er wird auch der 47. sein. Die Amerikaner haben ihn mit deutlicher Mehrheit erneut ins Weiße Haus gewählt. Wie wird es nun mit der Außen- und Sicherheitspolitik der USA in der kommenden Trump-Präsidentschaft weitergehen? Eine Analyse.
Außenpolitik hat in dem zurückliegenden amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf wie üblich fast keine Rolle gespielt. Zwar hatten Tausende prominenter Sicherheitsexperten, darunter zahlreiche Republikaner und sogar ehemalige Mitarbeiter der ersten Trump-Administration, gewarnt, dass eine zweite Amtszeit Trumps katastrophale Auswirkungen auf das globale Bündnisgeflecht der Vereinigten Staaten haben kann. Doch der Durchschnittswähler fühlte sich eher von Inflation und Masseneinwanderung bedroht. Er setzte sein Vertrauen in Trump als selbsternannten Garanten eines Kurswechsels.
Sowohl in den USA wie im Ausland herrscht vorerst Ungewissheit hinsichtlich der Außen- und Sicherheitspolitik der kommenden Regierung in Washington. Bereits während seiner ersten Amtszeit schwankte der Präsident zwischen teils widersprüchlichen Positionen. Im Wahlkampf und in Reden dargelegte Maximalforderungen wurden in abgeschwächter Form umgesetzt. Seine Wiederwahl dürfte er jedoch als Bestätigung seiner Positionen und als Freifahrtschein zum Handeln bewerten.
Die Tatsache, dass der Senat eine republikanische Mehrheit haben wird, erleichtert die Umsetzung der präsidialen Außenpolitik. Zwar war das amerikanische Oberhaus bereits 2017 bis 2021 von der Präsidentenpartei dominiert, doch besteht die Fraktion nun zu einem größeren Anteil aus hartgesottenen Trump-Loyalisten. Da das Repräsentantenhaus republikanisch bleibt, dürfte Trump auch seine jährlichen Etatforderungen durchsetzen können.
Trump will Handlungsfreiheit maximieren
Obwohl Trump versprach, die globalen Verpflichtungen der USA zu reduzieren und die Vereinigten Staaten aus Kriegen in Übersee herauszuhalten, forderte er während des Wahlkampfs eine wesentliche Erhöhung des Verteidigungsetats. Er stellte eine Erhöhung der Truppenstärke, die Einrichtung eines Raketenschutzschirms über die gesamte USA sowie eine Modernisierung des Atomarsenals in Aussicht. Auch der Bau von Kriegsschiffen, Kampfflugzeugen und anderen Hightech-Waffensystemen könnte beschleunigt werden – wobei sich allerdings die Frage stellt, ob es dafür überhaupt genügend Kapazitäten gibt.
Unter der Regierung Biden prüfte das Pentagon die Beschaffung von im Ausland gebauten Rüstungssystemen, doch dürfte dieser Ansatz unter Trump ad acta gelegt werden. Der von Trump versprochene Rückzug aus internationalen Verpflichtungen dürfte weniger eine Rückkehr zum Isolationismus darstellen. Vielmehr will Trump seine Handlungsfreiheit maximieren, um von Fall zu Fall zu (ver-)handeln, militärisch einzugreifen oder auch außen vor zu bleiben, je nachdem ob – seiner Ansicht nach – fundamentale amerikanische Interessen betroffen sind oder nicht.
Eine der kritischsten Fragen betrifft seine Haltung gegenüber Europa allgemein, sowie gegenüber Deutschland und der Ukraine im Besonderen. An seiner kritischen Einstellung zum transatlantischen Bündnis hat sich nichts geändert. Obwohl die meisten Bündnispartner ihre Verteidigungsetats spätestens seit der russischen Invasion der Ukraine deutlich erhöht haben, beklagt Trump weiterhin, dass die europäischen Staaten zu wenig für die eigene beziehungsweise für die gemeinsame Verteidigung ausgeben. Auch während des Wahlkampfs drohte er wiederholt, den Beistand für Partnerstaaten zu verweigern, falls diese seiner Ansicht nach nur unzureichend in die Verteidigung investierten.
Ein völliger Rückzug der USA aus der NATO ist trotz dieser Rhetorik nicht zu erwarten. Dies würde den globalen wie regionalen Einfluss der USA schmälern und die Krisenverlegung amerikanischer Streitkräfte in europanahe Regionen wie dem Mittleren Osten erschweren. Vielmehr dürfte Trump gemäß dem Motto „Teile und herrsche“ versuchen, einzelne europäische Staaten gegeneinander auszuspielen, um den eigenen Vorteil zu maximieren. Er wird auch darauf drängen, das 2014 durch die NATO-Staaten vereinbarte Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts für die Verteidigung auszugeben, auf drei Prozent anzuheben. Ein solcher Schritt würde einerseits ein neues Druckmittel gegen die einzelnen europäischen Alliierten schaffen. Andererseits könnte dies mittelfristig die Verlegung eines Teils der ständig in Europa stationierten Kräfte in den Indopazifischen Raum ermöglichen.
Auch ohne Anhebung des Zwei-Prozent-Ziels wäre eine Reduzierung der aktuellen Truppenstärke in Europa durchaus realistisch, insbesondere wenn es Trump gelingen sollte, die Ukraine zu Konzessionen gegenüber Russland zu bewegen, um die Kampfhandlungen zu beenden. Um den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gefügig zu machen, wird Trump vermutlich die Militärhilfe für Kyjiw drastisch einschränken und die Last der Ukrainehilfe weitgehend den europäischen Partnern überlassen.
Die Rolle der Heritage Foundation
Wichtig wird die Frage, inwiefern sich Trump durch ein Positionspapier der konservativen Stiftung Heritage Foundation unter dem Titel „Project 2025“ leiten lässt. Im Wahlkampf distanzierte er sich von dem Plan einer umfassenden Neuordnung der USA, doch sind drei Viertel der beteiligten Autoren der Studie Mitarbeiter der ersten Trump-Regierung. Vor allem hinsichtlich der NATO entsprechen die Positionen Trumps allerdings weitgehend den Vorschlägen des „Project 2025“. Die Autoren befürworten zwar den amerikanischen Verbleib im Bündnis, fordern jedoch eine Transformation der NATO dahingehend, dass die Alliierten künftig den Hauptteil der konventionellen Streitkräfte zur Abschreckung Russlands stellen, während die USA die atomare Abschreckung sowie weitere ausgewählte Fähigkeiten beitragen. Ein merklicher Unterschied zwischen Trump und dem „Project 2025“ liegt allerdings bei der Bewertung von Russland und Wladimir Putin. Während der neugewählte Präsident auch als Privatmann freundschaftliche Kontakte zu Putin unterhielt, sieht die Heritage Foundation Russland und Putin als ernst zu nehmende Bedrohung amerikanischer Interessen.
Eine wesentliche Übereinstimmung zwischen Trump und dem „Project 2025“ ist die Einstufung Chinas als größte Bedrohung amerikanischer Interessen. Der neugewählte Präsident kündigte bereits vor Monaten an, dass er chinesische Einfuhren mit 60 Prozent Zoll belegen wolle. Dies hätte zwar schwere Auswirkungen auf die chinesische Wirtschaft, würde aber auch die Inflation in den USA in die Höhe treiben. Die Umsetzung dieses Wahlversprechens, das nach Trumps Vorstellung mittelfristig zur Erholung der US-Industrie führen soll, ist daher fraglich.
Inwiefern der neue Präsident zu einer militärischen Konfrontation mit Peking bereit wäre, ist ungewiss. Eine direkte Antwort auf die Frage, ob er Taiwan im Falle einer chinesischen Invasion beistehen würde, bleibt Trump bislang schuldig. Stattdessen forderte er im Rahmen eines im Juli gegebenen Interviews, dass Taiwan den Vereinigten Staaten Schutzgeld zahlen sollte. „Wir sind nichts anderes als eine Versicherungsfirma,“ erklärte Trump gegenüber dem Sender Bloomberg News. „Wie dumm sind wir denn? Sie haben uns die gesamte Computerchipindustrie weggenommen. Sie sind immens reich“, erklärte er. Im Oktober sagte er dann dem Wall Street Journal, dass er eine chinesische Blockade Taiwans auch ohne Militäreinsatz brechen könne, „denn [Chinas Präsident] Xi kennt mich und weiß, dass ich verrückt bin.“
Chance für Europa
Die Neigung, außen- und sicherheitspolitische Sachlagen als Wirtschaftstransaktion zu betrachten, zeigte Trump bereits während seiner ersten Amtszeit. Japan und Südkorea müssen erwarten, dass Trump sie – wie bereits vor acht Jahren – unter Druck setzt, noch mehr für ihre eigene Verteidigung auszugeben. Insbesondere Japan dürfte im Verlauf der fälligen Neuverhandlung des bilateralen Truppenstatuts bedrängt werden, einen größeren Teil der Stationierungskosten der amerikanischen Streitkräfte zu übernehmen. Auch im Indopazifikraum wird Trump bevorzugt auf bilateraler Ebene mit Partnernationen umgehen, um eine möglichst starke Verhandlungsposition zu beziehen.
Der Umgangston und -stil des neuen Präsidenten dürften kaum besser ausfallen als während der ersten Amtszeit. Amerikas Partner wären gut beraten, Geschlossenheit zu zeigen. Ein Umwerben Trumps durch einzelne Staat- oder Regierungschefs würde dem neuen Präsidenten gefallen. Fatal wäre es, die offene politische Konfrontation zu suchen. Dies würde nur Putin in die Hände spielen. Das „Aussitzen“ von Krisen hat sich, zumindest in Deutschland, des Öfteren bewährt.
Desweiteren bietet die sich anbahnende politische Konstellation eine Chance für Europa, sich von der einseitigen militärischen Abhängigkeit von den USA zu lösen. Auch ohne Trump und sein Ziel „Make America great again“ bricht ein neues Zeitalter an. Die politische wie emotionelle Bindung des amerikanischen Volkes sowie das Interesse der amerikanischen Wirtschaft an Europa werden schwächer. Biden und Trump (auch wenn sie völlig verschiedene Positionen einnehmen) dürften die letzten US-Präsidenten sein, deren Sozialisierung durch den Kalten Krieg geprägt war. Wenn Europa willens und fähig ist, geschlossen zu handeln und die eigene Verteidigungsfähigkeit systematisch auszubauen, kann es den eigenen sicherheitspolitischen Stellenwert – in Trumps Worten: „Marktwert“ – steigern, ohne den Bruch der transatlantischen Partnerschaft zu riskieren.
Der Autor
Sidney E. Dean ist freier Journalist mit Sitz in Suffolk, Virginia.