DAS MAGAZIN

Monatlich informieren wir unsere Mitglieder mit der loyal über sicherheitspolitische Themen. Ab sofort können Mitglieder auch im Bereich Magazin die darin aufgeführten Artikel lesen!

Mehr dazu
DER VERBAND

Der Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr (VdRBw) hat mehr als 115.000 Mitglieder. Wir vertreten die Reservisten in allen militärischen Angelegenheiten.

Mehr dazu
MITGLIEDSCHAFT

Werden Sie Teil einer starken Gemeinschaft

Mehr dazu

loyal

Angriff des „Vampirs“

Die ukrainischen Streitkräfte setzen Drohnen als wirksame Nachtbomber gegen die russischen Angreifer ein. loyal hat an der Front eine Einheit im Einsatz bei Charkiw begleitet.

Waffentechniker Vlad bereitet eine Nachtbomberdrohne „Vampir“ zum Einsatz gegen die russischen Stellungen vor.

Foto: Tetyana Chernyavska

loyalUkraine

Eine stockfinstere Novembernacht, kurz hinter der ersten Frontlinie bei Charkiw. Ein Nachtbomberteam der 13. Brigade bereitet seinen „Vampir“ vor – eine mächtige Drohne mit sechs Armen und Rotoren. Der Auftrag: Antipanzerminen auf Bewegungslinien der Russen legen. Im Schein seiner Stirnlampe macht Techniker Vlad (25) die ersten Minen scharf und lässt die rechteckigen Quader in Tarnfolien gleiten. Im Unterstand blickt Pilot Mykyta stoisch auf sein Steuermodul. „Das Signal wird nicht unterdrückt“, stellt er fest. Damit kann die Operation gegen den Feind beginnen.

Als sich der „Vampir“ in die Luft schraubt, dröhnt ein ohrenbetäubender Lärm durch die nächtliche Stille. Teamleader Danylo, der sich als Ingenieur des Dreiertrupps bezeichnet, blickt dem „Vampir“ hinterher, bevor ihn die Nacht verschluckt. „Das ist seine größte Schwäche – der Lärm“, sagt der 31-Jährige. Über ihren sehr hohen Geräuschpegel lässt sich diese Drohne leicht orten, weshalb ihr Einsatz normalerweise nur nachts erfolgt. „Außer wir müssen direkt in Gefechte eingreifen. Zum Beispiel, um russische Panzerangriffe zu hemmen. Dann muss der ‚Vampir‘ auch tags ran.“ Das treibt die Verlustzahlen nach oben. Die Russen holen sie bevorzugt mit schweren Maschinengewehren vom Himmel. Teilweise verlieren die Ukrainer zwei bis drei „Vampire“ am Tag, dann wieder drei Wochen lang keinen einzigen.

Wirkladungen, Minen, Wasserkanister

Dafür hat die „Vampir“-Drohne aber einen großen Vorteil: Sie kann Wirkladungen von bis zu 15 Kilogramm mit hoher Geschwindigkeit verbringen. Abhängig vom Gewicht sind Reichweiten von bis zu 18 Kilometern mit 100 Stundenkilometern möglich. Laut Danylo haben die russischen Streitkräfte bis jetzt noch kein vergleichbares System. Zudem hat die Drohne eine Rückkehrfunktion im Fall feindlichen Jammings. Die Ukrainer nutzen den Vampir auch, um Antipersonenminen zu legen sowie Stellungen und gepanzerte Fahrzeuge des Feindes mit Hohlladungen zu vernichten. Daneben erfüllt die Drohne auch Ver­sorgungs­mis­sionen im Schutze der Nacht. Mit ihr werden Wasserkanister und andere Versorgungsgüter zur Infanterie in die vordersten Schützengräben gebracht.

Im Unterstand des Nachtbomberteams (v.l.n.r.): Waffentechniker Vlad, Presseoffizier Stan, Teamleader Danylo. Damit der Unterstand sauber bleibt, müssen am Eingang stets die Kampfstiefel ausgezogen werden. (Foto: Tetyana Chernyavska)

Im getarnten Schutzraum kontrolliert Mykyta den programmierten Flug der Drohne. Auf seiner Kampfmontur hat der 25-Jährige einen Schulterpatch „Non Stop Military“ in Form eines Energydrinks. Koffeinbrausen sind essenzieller Wachhalter für die zwei 24-Stunden-Schichten, die das Team nacheinander leisten muss. Zwölf Antipanzerminen sollen in dieser Nacht beim Feind platziert werden. Circa eine halbe Stunde dauert eine Luftverlegung eines Minenpakets. Mykyta: „Die Aufklärung analysiert laufend Bewegungsmuster der Russen und gibt die Abwurfkoordinaten vor.“ Operationen wie heute werden stets vom Brigadestab begleitend geführt. Von dort kommt der Befehl „In der Mitte des Weges abwerfen.“

Über die Infrarotkamera des „Vampirs“ kommt schemenhaft eine Weggabelung in Sicht. Mit dem Joystick versucht Mykyta die Drohne präziser einzusteuern. Dann sieht man die Mine in Richtung Boden segeln. Teils lösen Minen am Boden auch mal aus. So wie in dieser Nacht. Die Kamera zeigt, wie plötzlich eine Explosionswolke emporschießt. Die Operation läuft trotzdem weiter. Problematischer ist die instabile Wetterlage der letzten Tage.

Drohnenpilot Mykyta verfolgt den Verbringungsflug des „Vampirs“ und die Operationen der Partnerteams. Mit dem Steuerpad auf seinem Schoß übernimmt er die Feinsteuerung, wenn der Vampir die Abwurfpunkte erreicht. (Foto: Tetyana Chernyavska)

Denn der „Vampir“ verträgt keinen Regen. Teamchef Danylo: „Die Kontaktstellen der Rotoren haben keinen Wasserschutz, sodass es bei Kontakt mit Wasser zu Kurzschlüssen kommt.“ Die unter der Bezeichnung des Blutsaugers bei den Streitkräften eingeführte Hexacopter-Drohne ist kein explizit für das Militär entwickeltes, gehärtetes System, sondern eine Landwirtschaftsdrohne. Ein ukrainischer Hersteller entwarf sie, um die riesigen Anbauflächen der Ukraine, der Kornkammer Europas, effizient mit Düngemittel besprühen zu können.

Die Kampfgemeinschaft trennt sich nie

Neben dem Antipanzerminen-Team operieren noch zwei weitere Drohneneinheiten der 13. Brigade in dieser Nacht. Eine wirft Antipersonenminen auf die Bewegungslinien der russischen Frontverbände. Waffentechniker Vlad: „Das sind nicht jene, die aus den USA angekündigt wurden, sondern noch Antischützenminen aus Sowjetbeständen unserer Armee.“ Daneben beobachtet eine Einheit mit Mavic-Drohnen die Nachtbomber-Drohnen bei ihren Rückflügen, ob sie von Feinddrohnen zu ihren Landepunkten verfolgt werden. Laut Danylo ist das die Methode der Russen, um die Stellungen der ukrainischen Nachtbomber aufzuklären. Entdeckt der Mavic-Trupp Verfolger, gibt er Alarm und der Vampir wird weit abseits gelandet. Wie greifen die Russen dann Stellungen wie diese an? Teamleader Danylo: „Mit Gleitbomben. Allerdings wissen wir über unsere Funkaufklärung fast immer im Voraus, welche Ziele sie anvisieren.“

Die Verlegeroutine aus Bereitmachen und Andocken der Minen an den „Vampir“ plus Akkutausch und Verbringungsflug wird ohne Pause bis zum Morgengrauen laufen. Dabei gilt für die kleine Kampfgemeinschaft aus Danylo, Mykyta und Vlad: Sie trennt sich nie. Zum Ende einer Einsatzschicht geht es mit Pickups im halsbrecherischen Tempo zurück nach Charkiw in die gemeinsame WG. Von dort brechen sie dann bald wieder auf, laden neue Minen bei der Brigade und kehren zurück zu ihrem „Vampir“.

Verwandte Artikel
loyal

Opfer für Europa

Mit Hundertausenden Opfern hält die Ukraine das aggressive Russland auf Abstand zu Europa – trotz dürftiger Waffenhilfe. Nun tritt sie...

01.01.2025 Von Björn Müller
loyal

„Adelsgeschichte und Militärgeschichte sind eng verquickt“

Vom mittelalterlichen Lehenswesen über die Staatenbildungskriege der Frühen Neuzeit bis hin zur Bundeswehr: Adelige spielten jahrhundertelang eine wichtige Rolle im...

17.12.2024 Von Julia Egleder
loyal

Lernen in komplexer Lage

Künstliche Intelligenz ist das Thema der Stunde. Auch für die Bundeswehr. Ohne die hochkomplexe Schlüsseltechnologie wären die Streitkräfte nicht zukunftsfähig....

13.12.2024 Von Vivian Simon