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Unter dem Schwert

Erstmals schildert ein ehemaliger Elitesoldat des Kommandos Spezialkräfte (KSK) seine Erlebnisse im Kampf gegen die Taliban in Afghanistan und gegen den Islamischen Staat im Irak. Das Buch ist packend von der ersten bis zur letzten Seite und führt den Leser in die hermetisch abgeschottete Welt der deutschen Kommandosoldaten. loyal druckt Auszüge.

Christian Gerstner als Kommandosoldat in Afghanistan.

Foto: privat

bundeswehrkskloyal

Christian Gerstner hat 15 Jahre lang als Kommandosoldat im KSK gedient. Er trat als Obergefreiter im Kommandoanwärtermodell in Pfullendorf an und absolvierte schier unmenschlich erscheinende Lehrgänge, bis er sich im KSK zum Truppführer qualifiziert hatte. Später wurde er Offizier. Was er rückblickend über diese Zeit schreibt, lässt niemanden kalt. Gerstner gewährt einen Einblick in einen Soldatenalltag, in dem härteste Anforderungen Normalität sind. Im Mittelpunkt stehen Menschen wie der Autor, die alles geben, um für Deutschland an vorderster Front in den gefährlichsten Einsätzen zu kämpfen. Das Buch vermittelt einen authentischen Eindruck von Ausbildung, Einsatz und Kameradschaft in einer der besten Spezialkräfte der Welt.

Ausbildung: Die Höllenwoche

Man musste von A nach B marschieren und einen Baumstamm tragen, welcher den Boden nur einmal kurz berühren durfte. Auf den Befehl „Baumstämme aufnehmen“ platzierte ich den Baumstamm in meinen Nacken, hielt ihn mit beiden Händen links und rechts fest und nahm mir fest vor, ihn nur noch einmal abzusetzen, und zwar nach der Ziellinie. Die Beine waren schwer und der Nacken schmerzte. Selbst die Arme machten sich nach kurzer Zeit bemerkbar.

Mit zunehmender Dauer allerdings senkte sich mein Kopf immer weiter Richtung Boden. Aus Angst, den Baumstamm zu verlieren, nahm ich lediglich eine Hand vom Baumstamm, um mir den Schweiß von der Stirn zu wischen. Mittlerweile war ich mir nicht mehr sicher, ob ich diese Prüfung bestehen würde. Ans Aufgeben dachte ich nach wie vor keine Sekunde, jedoch konnte ich den Baumstamm nicht mehr lange halten. Das Ziel war zwar noch immer nicht zu erahnen, doch durch einen Blick nach hinten konnte ich zumindest feststellen, dass ich gut unterwegs war. Ich sah einen Kameraden, der seinen Baumstamm abgesetzt hatte und von einem Ausbilder aufgefordert wurde, diesen wieder aufzunehmen. Vor mir ließ sich ein Soldat samt Baum auf den Waldboden sacken.

Ich verspürte plötzlich auch die Lust, meinen loszuwerden. In mir kreisten tausend Gedanken. Wegwerfen. Wieder aufnehmen. Weitermarschieren. Nicht wegwerfen. Nicht negativ auffallen. Durchziehen. Schweiß in den Augen. Schmerzen im Nacken. Taube Arme. Dicke Oberschenkel. Weitermarschieren. KSK. Und da sah ich an einer Kreuzung mehrere Uniformierte. Das musste das Ende sein. Ich war dem Ziel nahe. Ich mobilisierte noch einmal alle Kräfte und schaute nicht mehr nach hinten.

From killhouse to White House

Ich wurde in meiner Dienstzeit oft gefragt, was der Unterschied zwischen Spezialkräften und spezialisierten Kräften beziehungsweise zwischen KSK und Fallschirmjägern mit erweiterter Grundbefähigung (EGB) ist. Meiner Meinung nach sind es Auswahl, Ausbildung, Ausrüstung und Aufträge. Vereinfacht gesagt macht man als Kommandosoldat infanteristische Tätigkeiten auf einem sehr hohen Niveau. Fliegen oder zaubern kann auch ein Kommandosoldat nicht. Er kann im Idealfall aber vieles schneller, präziser und effektiver. Das wiederum ist einer der Gründe, warum weniger Spezialkräfte mehr bewirken können als zahlenmäßig überlegene reguläre Kräfte. Weiterhin muss ein Kommandosoldat ein breites Spektrum von Anforderungen bedienen können. Er muss sowohl im Schützengraben als auch bei der Beratung eines Botschafters überzeugen. Die Amerikaner bezeichnen dieses breite Spektrum als „From the killhouse to the White House“.

Afghanistan: Jagd auf eine Zielperson

Mittlerweile befanden wir uns im taktischen Tiefflug durch ein Tal. „X-3“: Wir schnallten uns ab, knieten uns in die Maschine und hielten uns an den Sitzbänken fest. Die Maschine flog sehr unruhig, und ich hatte alle Mühe, mich festzuhalten. „X-1“: Wir standen auf, die Heckrampe öffnete sich und ich stellte zu meinem Erstaunen fest, dass die Maschine nicht wie geplant auf dem Boden stand, sondern einige Meter über einem Abhang schwebte. Der Pilot hielt die Maschine so in der Luft, dass die Heckrampe auf einem steilen Hang auflag. Eine fliegerische Meisterleistung, die so nicht geplant war. Auch das zeichnet Spezialkräfte aus. Zu improvisieren und sofort Lösungen herbeizuführen. Alles, um den Auftrag zu erfüllen.

Christian Gerstner nahm an etlichen Einsätzen des KSK teil. Nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr schrieb er über seine Erlebnisse ein Buch, das soeben erschienen ist. (Foto: privat)

Wir rutschten oder, besser gesagt, purzelten die Rampe hinunter. Zum steilen Winkel der Rampe kam der Downwash (Abwind) der Rotorblätter. Es war nahezu unmöglich, sich auf den Beinen zu halten. Zusätzlich mussten wir mit Feindeinwirkung rechnen. Als schließlich alle Operator aus der Maschine geflogen waren, setzten wir auf das Objekt an. Das Sprinten auf über 2.000 Metern Höhe war zwar nicht schön, aber machbar.

Wir eilten mit vorgehaltenen Sturmgewehren zu dem vermuteten Compound des Taliban. Die Scharfschützen bezogen Stellungen, sodass sie unser Vorgehen sichern und überwachen konnten. Wir umstellten zügig die Lehmhütte der Zielperson (ZP). Im Innenhof waren mehrere Personen zu sehen. Alle unbewaffnet. Die ZP war nicht dabei. Die afghanischen Sicherheitskräfte betraten als Erste das Gebäude. Danach folgten unsere Männer.

Mein Trupp hatte den Auftrag, die Stallungen und die nächste Umgebung abzusuchen. Wann immer wir auf Personen trafen, erhoben diese ohne Aufforderung ihre Hände. Ich sah eine verschlossene Holztür, die noch zu dem Anwesen zu gehören schien. Ich gab einem Truppmitglied ein Zeichen, woraufhin er sich wortlos an die Tür stellte und auf ein Nicken von mir die Tür öffnete. Da es in dem Raum dunkel war, schaltete ich das Licht meiner Waffe ein und stürmte in den Raum. Das Erste, was ich zu Gesicht bekam, waren zwei riesige, vom Licht erleuchtete Augen. Mein Gegenüber und ich erschraken kurz und mussten dann grinsen. Es war ein Ochse.

Irak: Kampf gegen den IS

Der Kampf und der Beschuss gingen noch circa sechs Stunden weiter, in denen die Koalitionskräfte circa 50 Luftschläge auf feindliche Ziele im Abstand von 500 bis 1.000 Meter von unserer eigenen Stellung flogen. Das ganze Spektakel glich einem Dauerbombardement. Plötzlich kam die Meldung über Funk, dass sich ein „Mad-Max-Vehicle“ auf unsere Stellung zubewegte. Wir rannten auf einen Wall, um Blick ins Gelände zu erlangen. Von dort konnten wir das Fahrzeug auf uns zurasen sehen. Wir feuerten mit allem, was uns zur Verfügung stand und versuchten, das Fahrzeug zum Stoppen zu bringen.

Da das Fahrzeug mit Stahlplatten zu einer Festung ausgebaut worden war, waren unsere Bemühungen vergebens. Wir waren kurz davor, unsere Stellung aufzugeben, als eine MILAN-Rakete den Angriff doch noch zum Erliegen brachte und das mit Sprengstoff beladene Fahrzeug mit einem riesigen Knall explodierte. Eine meterhohe Rauchsäule stieg in den Morgenhimmel von Kirkuk, begleitet vom frenetischen Jubel der Peschmerga.

Die Menschen im KSK

Welche Menschen findet man im KSK vor? Nun, die Antwort wäre so vielfältig, wie Menschen nun mal sind. Den klassischen Kommandosoldaten gibt es meiner Meinung nach nicht. Es gibt im Kommando kleine, große, muskulöse, schlaksige, hellhäutige, dunkelhäutige Männer und Frauen. Es gibt Soldaten mit Hauptschulabschluss, Abitur und Studium. Aus allen Gesellschaftsschichten und Regionen Deutschlands. Es gibt viele Operator, denen man niemals ansehen würde, dass sie das Eignungsfeststellungsverfahren bestanden haben. In einer Sache sind sie jedoch alle gleich: die Bereitschaft, ihr Leben für ihre Kameraden, eine Geisel oder ihr Vaterland zu geben oder mindestens zu riskieren.


Das Buch:
Christian Gerstner:
Unter dem Schwert. 15 Jahre im Kommando Spezialkräfte.
Miles-Verlag 2023,
209 Seiten,
19,80 Euro

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