Unendliche Weiten – nähergerückt
Die USA haben mit einer eigenen Teilstreitkraft, der Space Force, auf die wachsende militärische Bedeutung des erdnahen Weltraums reagiert. Wenig bekannt ist: Der Ableger für Europa operiert aus Ramstein in Deutschland. Am 8. Dezember jährt sich zum ersten Mal seine Aufstellung. Die Weltraumkämpfer stehen vor großen Herausforderungen.
Der Weltraum wird für Militärs immer wichtiger. 2018 hat daher die amerikanische Regierung beschlossen, eine eigene Teilstreitkraft für den Weltraum, die US-Space Force, aufzustellen. Herausgeschnitten wurde sie im Wesentlichen aus der Air Force. Die Zuständigkeit der Space Force umfasst Kriegsführung im elektromagnetischen Spektrum, Beschaffung und Betrieb von Überwachungs-, Navigations- und Kommunikationssatelliten, Schutz amerikanischer Satelliten und der mit den USA verbündeten Staaten sowie offensive Einsätze im Weltraum – womit Angriffe auf gegnerische Satelliten gemeint sind. Chef der Space Force wurde General Bradley Saltzman.
Inzwischen haben sich vier große Herausforderungen für die Weltraumkämpfer herausgebildet:
- Weltraumschrott: Nach Erkenntnissen der Space Force umkreisen rund 20.000 größere Teile, vor allem ausgediente Satelliten und abgestoßene Raketenteile, und bis zu 128 Millionen Raummüllpartikel mit einer Größe von bis zu einem Zentimeter die Erde. Die Space Force verfolgt ihre Umlaufbahnen und versucht, aktive Satelliten aus der Gefahrenzone herauszuhalten.
- Elektronische Kampfmittel zur Störung der Satellitenverbindung: Diese werden beispielsweise im Ukrainekrieg eingesetzt, um die GPS-Navigationssysteme von Drohnen, Flugzeugen, Raketen und Artillerie zu blockieren.
- Manövrierfähige offensive Antisatellitenwaffen: Raketen und Laserwaffen sowie verschiedene Killersatelliten-Ausführungen. Letztere können Laserwaffen führen oder Satelliten durch Zusammenstoß zerstören. Mit Greifarmen ausgestattete Fluggeräte können andere Satelliten beschädigen. Die Hauptbedrohung durch Antisatellitenwaffen geht nach Auffassung des US-Militärs von Russland und China aus.
- Kernwaffen im Weltraum: Satelliten mit Atomsprengköpfen könnten in niedriger Umlaufbahn bereitgehalten werden.
Gegenwärtig umkreisen rund 7.500 funktionierende Satelliten die Erde, davon stammen etwa 5.000 aus den USA. Von diesen betreibt das US-Militär etwa zehn Prozent. Zum Vergleich: China betreibt über 600 Satelliten, bei schnell steigender Tendenz, während Russland über etwa 200 Trabanten verfügt. Allgemein gilt die amerikanische Satellitentechnologie als leistungsfähiger, allerdings holt China hier zügig auf.
Wettrüsten im Weltall
Die Vorrangstellung der USA im All hat einen Nachteil: Die amerikanischen Streitkräfte sind abhängiger von Satelliten als ihre potenziellen Gegner. Folglich sind es vor allem Moskau und Peking, die gezielt in die Entwicklung von Anti-Satelliten-Fähigkeiten investieren. Washington kontert mit einem weitgehend defensiven Ansatz: Neue Satelliten und Bodenstationen sollen besser gegen elektronische Kriegsführung und Cyberattacken gehärtet werden.
Aber völlig passiv will Washington in der Anti-Satelliten-Frage nicht bleiben. Auch die US-Streitkräfte betreiben seit drei Jahrzehnten den Cyberkrieg und verfügen über starke Fähigkeiten im Bereich der elektronischen Kriegsführung, unter anderem, um gegnerische Satellitenführungssysteme zu stören. Auch Waffen zur vollständigen Zerstörung feindlicher Satelliten sind denkbar. Bereits 1985 gelang es einem F-15 Jäger der US-Air Force, mit einer Rakete einen toten US-Satelliten zu zerstören. Im Jahr 2008 erzielte ein Lenkwaffenkreuzer der US-Navy mittels einer modifizierten SM-3 Rakete den gleichen Erfolg. Danach verpflichtete sich Washington, solche Abschüsse nicht zu wiederholen, um nicht noch mehr Weltraumschrott zu produzieren.
Ein Programm zur Entwicklung von Killersatelliten ist aus den USA nicht bekannt. Allerdings hat Washington erfolgreich manövrierfähige Satelliten getestet. Der Entwicklung einer Offensivfähigkeit auf Basis dieser Technologie dürfte daher nichts im Wege stehen. Es gibt Spekulationen hinsichtlich des unbemannten wiederverwendbaren Raumflugzeuges X-37B. Offiziell wird das durch die US-Space Force betriebene, neun Meter lange Flugzeug für Experimente in niedriger Umlaufbahn eingesetzt. Das Pentagon bestreitet, dass es sich um den Prototypen eines „Raumjägers“ handelt. Viele Beobachter verweisen allerdings darauf, dass der Nutzlastraum für den Transport von Killersatelliten oder einer Laserwaffe geeignet wäre.
Space Force für Europa und Afrika
Sechs Jahre nach ihrer Gründung hat sich die Space Force mit diesen Aktivitäten ein starkes Standing innerhalb der amerikanischen Streitkräfte erarbeitet. Am 8. Dezember 2023 kam das neue Teilstreitkraftkommando der Space Force für Europa und Afrika (Space-Euraf) hinzu. Als Standort wurde die Ramstein Air Base in Rheinland-Pfalz gewählt. Dass die Wahl auf die Pfalz fiel, lag nahe, denn in Ramstein ist bereits die 2021 etablierte militärische Weltraumzentrale der NATO ansässig. Sie fungiert als Schnittstelle zwischen den nationalen Weltraumorganisationen und der NATO, um den Austausch von Daten zu koordinieren und ein Lagebild zu erstellen.
Die europäische Abteilung der Space Force hat mehrere Aufgaben. Zum einen unterstützt sie die Führungsstäbe der US-Oberkommandos für Europa und Afrika in der Nutzung der militärischen Weltraumressourcen. Dies umfasst sowohl die Erstellung eines präzisen Weltraumlagebilds als auch den Schutz vor Cyberangriffen und elektronischer Kriegsführung. Space-Euraf dient ferner als Verbindungsstelle zu den entsprechenden Einrichtungen der europäischen Partnerstaaten sowie zur Weltraumzentrale der NATO. Es berät die Streitkräfte im gesamten Zuständigkeitsgebiet – das sind immerhin mehr als einhundert Staaten in Europa und Afrika – in Sachen militärischer Nutzung des Weltraums.
Brigadier General Jacob Middleton, der im vergangenen August die Führung von Space-Euraf übernahm, betonte im Rahmen seiner Amtseinführung aber noch eine andere Aufgabe: Bestehende Partnerschaften sollen vertieft werden, um die Interoperabilität zu verbessern und den gemeinsamen Zugang zum Weltraum zu schützen. Die regelbasierte Ordnung im erdnahen Weltraum sei der Eckpfeiler des Aufgabenspektrums seiner Abteilung, betonte Middleton.
Satellitengestützten Informationsfluss sichern
Der Hauptbeitrag der Ramsteiner Weltraumkämpfer im Dienste der Oberkommandos für Europa und Afrika bestehe in der Sicherstellung des satellitengestützten Informationsflusses, der für Militäreinsätze im 21. Jahrhundert unerlässlich geworden sei, sagte der Chef der Space Force, General Saltzman. Diese satellitengestützten Dienste würden im Krisenfall gezielt durch Gegner bedroht. Der europäische Ableger der Space Force „stärkt die Sicherheit unserer Nation sowie die unserer Verbündeten, von Island bis nach Südafrika,“ so Saltzman.
Die Zusammenarbeit der amerikanischen und europäischen Streitkräfte aus dem Weltraumsektor besteht seit Jahrzehnten und wurde seit der Aufstellung der Space Force auf ein neues Level gehoben. Inzwischen verfügen viele Partnerstaaten der USA über eigene Weltraumkommandos. Hierzu zählt auch das 2021 eingerichtete Weltraumkommando der Bundeswehr in Uedem. Weil die amerikanische Space Force direkt von Europa aus agiert, ist eine enge Koordination mit der NATO und den Partnerstaaten möglich.
Verteidigungsminister Boris Pistorius nahm am 8. Dezember 2023 an der Einweihungsfeier der europäischen Abteilung der Space Force in Ramstein teil und betonte den hohen Stellenwert des Kommandos für Deutschland und Europa. „Die Aktivierung von Space-Euraf auf dem Stützpunkt Ramstein unterstreicht sowohl die schnell wachsende Bedeutung der Weltraumdomäne als auch den Wert Deutschlands als zuverlässigen Verbündeten und Standort für die US-Streitkräfte,“ sagte Pistorius.
Bedrohungen im Blick
Im August hob General Saltzman hervor, dass es Space-Euraf im Verlauf von acht Monaten gelungen sei, Partnerschaften mit 15 weiteren im Weltraum aktiven Nationen einzugehen. Auch Generalleutnant Steven Basham, der bis Juni 2024 als stellvertretender Europa-Oberbefehlshaber fungierte, betonte die Fortschritte seit der Aufstellung von Space-Euraf für Europa. Die Fähigkeiten zur optimalen Auslastung der nationalen Weltraumsysteme einschließlich der gemeinsamen Nutzung militärischer Kommunikationssysteme sowie des direkten Datenzugangs zwecks Erstellung eines gemeinsamen Weltraumlagebildes würden vertieft. Ferner wurden bilaterale Vereinbarungen beim Ausbau der Satellitenkommunikation mit Dänemark, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen und Polen vereinbart. Amerikanische Anlagen für die Weltraumüberwachung wurden in Polen und Rumänien eingerichtet. Eine Unterstützung beim Aufbau einer nationalen Weltraumzentrale in Polen wurde vereinbart. Durch sie soll nicht zuletzt die Fähigkeit zu künftigen gemeinsamen Einsätzen von Polen und den USA gestärkt werden.
Die Koordination und Führung großangelegter Militäreinsätze auf nationaler oder auf Bündnisebene ist ohne Aufklärungs-, Kommunikations- und Navigationssatelliten nicht mehr denkbar. Dies gilt schon für rein defensive Aufgaben wie Flug- und Raketenabwehr. Die Störung dieser Weltraumsysteme ist zu einem wichtigen Bestandteil gegnerischer Strategie geworden. Space-Euraf hat diese Bedrohungen im Blick und könne flexibel reagieren, erklärte General Basham. Das Kommando stärke die bisherigen Fähigkeiten der USA und seiner Verbündeten in Europa. „Modernisierung und Ausbau der technologischen Infrastruktur, laufende Anpassung der Einsatzkonzepte sowie die Zusammenarbeit mit Partnern sollen auch künftig gewährleisten, dass die gemeinsamen weltraumgestützten Fähigkeiten der USA und seiner Verbündeten optimal auf einen Kriegsfall vorbereitet sind“, sagte der General.
Doch es gibt noch Verbesserungsbedarf. Auf einer internationalen Tagung zum Thema „Weltraumsicherheit“ sagte Space-Euraf- Befehlshaber Brigadier General Middleton kürzlich, dass die Satellitenkommunikation und die Weltraumlagekenntnis noch ausbaufähig seien. Künftig müsse die Space Force verstärkt auf kommerzielle Anbieter zurückgreifen, um ausreichende Kapazitäten zur Verfügung zu haben. Hiermit eng verbunden ist die Notwendigkeit, im Bedarfsfall schnell eine Vielzahl zusätzlicher Satelliten ins All zu befördern. Middleton erwartet, dass die Space Force im Verlauf des nächsten Jahres entsprechende Pläne erarbeitet, um die aktuellen Defizite zu beheben. Aufhorchen lässt: Auch europäische Anbieter, die die Anforderungen des Pentagons erfüllen und kostengünstige Lösungen anbieten, hätten eine Chance, dabei zum Zuge zu kommen, versicherte der General.
Der Autor
Sidney E. Dean ist freier Journalist mit Sitz in Suffolk, Virginia.