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Ver­durs­ten­de Staa­ten

Rund um den Glo­bus neh­men die Kon­flik­te um Was­ser zu. Es kommt immer häu­fi­ger zu star­ken Dür­ren, und Was­ser wird zu­neh­mend als po­li­ti­sches Macht­mit­tel miss­braucht. Die Si­cher­heits­po­li­tik sieht sich ganz neuen Her­aus­for­de­run­gen ge­gen­über. Wenn es nicht ge­lingt, sau­be­res Trink­was­ser für alle Men­schen auf der Erde in aus­rei­chen­dem Maß zur Ver­fü­gung zu stel­len, wird Was­ser­man­gel immer mehr zum welt­wei­ten Kon­flikt­trei­ber.

Schon fünf Re­gen­zei­ten hin­ter­ein­an­der hat es in man­chen­Tei­len Ost­afri­kas nicht mehr ge­reg­net. Die Mais­pflan­zen der ke­nia­ni­schen Bäue­rin Za­wa­di Msa­fi­ri sind des­halb ver­trock­net. 13 Mil­lio­nen Men­schen sind von der schwe­ren Dürre be­trof­fen und von Hun­ger be­droht.

Foto: pic­tu­re al­li­an­ce / Xin­hua News Agen­cy

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Dass Was­ser­man­gel Krie­ge und Kon­flik­te an­treibt, zeig­te schon Is­ra­els Sechs­ta­ge­krieg 1967, bei dem unter an­de­rem um die Kon­trol­le des Jor­dans und des­sen drei Quel­len ge­kämpft wurde. Auch beim ak­tu­el­len Krieg in Nah­ost zwi­schen Is­ra­el und der Ter­ror­or­ga­ni­sa­ti­on Hamas spielt Was­ser eine Rolle: Is­ra­el hatte nach dem Über­fall der Hamas auf is­rae­li­sches Ge­biet An­fang Ok­to­ber zu­nächst die En­er­gie- und Was­ser­zu­fuhr für den Ga­za­strei­fen ge­kappt, dann aber die Lei­tun­gen in den süd­li­chen Teil von Gaza wie­der auf­ge­macht. Is­ra­el be­lie­fert den Ga­za­strei­fen schon seit vie­len Jah­ren mit Was­ser, das aber al­lei­ne nicht zur Ver­sor­gung aus­reicht. Im Ga­za­strei­fen selbst wird zwar auch Meer­was­ser ent­sal­zen. Die von der EU mit deut­scher Hilfe ge­bau­te An­la­ge mit So­lar­feld soll den Ga­za­strei­fen un­ab­hän­gi­ger von ex­ter­ner Was­ser­ver­sor­gung ma­chen. Sie ver­braucht aber enorm viel Strom, den das So­lar­feld nicht voll­stän­dig selbst er­zeu­gen kann.

Hinzu kommt: Die Grund­was­ser­spei­cher unter dem Ga­za­strei­fen sind weit­ge­hend er­schöpft. Was noch da ist, wird durch ver­si­ckern­de Ab­wäs­ser ver­schmutzt. Die Klär­an­la­gen rei­chen nicht aus und funk­tio­nie­ren auf­grund stän­di­gen Strom­man­gels nur un­zu­rei­chend. Au­ßer­dem dringt auf­grund feh­len­den Ge­gen­drucks Meer­was­ser ins Grund­was­ser ein. Das Kraft­werk in Gaza ar­bei­tet nicht, weil keine Be­triebs­mit­tel mehr zur Ver­fü­gung ste­hen. Viele Was­ser­lei­tun­gen sind schlecht ge­war­tet, ma­ro­de oder auf­grund der Kriegs­ein­wir­kun­gen un­ter­bro­chen. Die Hamas soll au­ßer­dem Was­ser­roh­re für den Bau von Ra­ke­ten­um­hül­lun­gen nut­zen. Weil nicht genug sau­be­res Trink­was­ser zur Ver­fü­gung steht, trin­ken viele Men­schen mit Fä­ka­li­en­kei­men ver­schmutz­tes Grund­was­ser.

Der Krieg zwi­schen Is­ra­el und der Hamas im Ga­za­strei­fen wird ganz ent­schei­dend durch das schii­ti­sche Re­gime im Iran be­feu­ert. Für Te­he­ran ist der Krieg eine will­kom­me­ne Ab­len­kung von schwe­ren in­ne­ren Kon­flik­ten. Der ge­walt­sa­me Tod der jun­gen ira­ni­schen Kur­din Jina Mahs­ma Amini im Sep­tem­ber 2022 hat zu einer brei­ten Pro­test­wel­le in Stadt und Land ge­führt. Die De­mons­tran­ten stel­len das ge­sam­te Sys­tem des Got­tes­staa­tes in­fra­ge. In Ver­bin­dung mit der immer un­trag­ba­rer wer­den­den Was­ser­si­tua­ti­on im Iran, der schon jetzt zu gro­ßen Tei­len aus Wüste und wüs­ten­ar­ti­gen Re­gio­nen be­steht, könn­te die Si­tua­ti­on je­der­zeit zur Ex­plo­si­on füh­ren.

Sau­be­res Trink­was­ser ist ein rares Gut für die Be­woh­ner des Ga­za­strei­fens – vor allem seit­dem Is­ra­el gegen die ra­di­kal-is­la­mi­sche Hamas dort vor­geht. Was­ser muss oft an zen­tra­len Punk­ten ge­holt wer­den, wie hier in Rafah. (Foto: pic­tu­re al­li­an­ce/news­com)

Der Iran ist ein ver­durs­ten­der Staat. Ein lange schwe­len­der Was­ser­kon­flikt mit Af­gha­ni­stan hatte vor we­ni­gen Mo­na­ten an der ge­mein­sa­men Gren­ze zu einer blu­ti­gen Aus­ein­an­der­set­zung um das Was­ser des Hil­mend-Flus­ses ge­führt. Die­ser Kon­flikt um das knap­per wer­den­de Was­ser bei wach­sen­der Be­völ­ke­rung ist längst nicht aus­ge­stan­den. Hinzu kom­men ex­tre­me po­li­ti­sche Fehl­ent­schei­dun­gen. Die So­wjets eta­blier­ten den was­ser­in­ten­si­ven Baum­woll­an­bau aus­ge­rech­net in den Wüs­ten Zen­tral­asi­ens, was den Aral­see aus­trock­ne­te. Ähn­li­che Schick­sa­le dro­hen dem Urmia-See im Nord­wes­ten des Iran und dem Tschad­see in Afri­ka.

Spren­gung des Kachow­ka-Stau­damms

Auch der Ukrai­ne­krieg ist zum Teil ein Krieg um die Res­sour­ce Was­ser. Dort steht auch der Nord-Krim-Kanal im Fokus, der bei Nowa Kachow­ka be­ginnt. Ein stra­te­gi­sches Ziel war beim Über­fall Russ­lands auf die Ukrai­ne der schnel­le Vor­stoß im Süden an den Dni­pro bei Kachow­ka. Der in der So­wjet­zeit ge­bau­te Kanal ver­sorgt die zu 85 Pro­zent von die­sem Was­ser ab­hän­gi­ge Krim-Halb­in­sel. Nach der An­ne­xi­on 2014 durch Russ­land un­ter­brach die Ukrai­ne die Was­ser­ver­sor­gung am Zu­gang zur Halb­in­sel und 2017 dann di­rekt bei Kachow­ka durch einen Damm, der den Kanal fast völ­lig tro­cken­leg­te. Die­sen Damm spreng­te Russ­land so­fort nach dem ge­lun­ge­nen Vor­stoß bis Kachow­ka und nörd­lich über den Dni­pro.

Doch die Ukrai­ne hat die rus­si­schen In­va­so­ren zu­rück­ge­wor­fen auf das Süd­ufer des Flus­ses, der hier durch einen mäch­ti­gen Stau­damm auf­ge­staut wird. Ver­mut­lich aus Panik, weil die rus­si­schen Trup­pen im Süden einen mas­si­ven An­griff der ukrai­ni­schen Armee über den Dni­pro bei Cher­son fürch­te­ten, spreng­ten sie im Juni 2023 den Damm. Der rie­si­ge Spei­cher­see lief aus und über­schwemm­te die Re­gi­on am Un­ter­lauf bis zur Mün­dung. Damit al­ler­dings fiel auch der Nord-Krim-Kanal er­neut tro­cken. Wenn also Russ­land den Kachow­ka-Damm ge­sprengt haben soll­te – was sehr wahr­schein­lich ist, aber noch nicht ge­si­chert – dann haben die Rus­sen der Krim selbst das Was­ser ab­ge­gra­ben.

Was­ser als In­stru­ment des Krie­ges: Am 6. Juni 2023 wurde der Kachow­ka-Stau­damm im Süd­os­ten der Ukrai­ne ge­sprengt – mut­ma­ß­lich von rus­si­schen Trup­pen. Die Flu­ten des Dni­pro über­spül­ten dar­auf­hin große Teile der Stadt Cher­son. (Foto: pic­tu­re al­li­an­ce/AP)

Süß­was­ser und der Zu­gang dazu wird immer wich­ti­ger. Wo der Was­ser­man­gel nicht mehr zu be­he­ben ist, wird es Kon­flik­te um die knap­per wer­den­de Res­sour­ce geben, und Staa­ten wer­den diese Not als Druck- und Er­pres­sungs­mit­tel oder als Kriegs­waf­fe be­nut­zen. Die wach­sen­de Welt­be­völ­ke­rung und die Erd­er­wär­mung ver­schär­fen die Pro­ble­me und füh­ren zu neuen. Wir­bel­stür­me, Wald­brän­de, Dür­ren, Or­ka­ne und Über­schwem­mun­gen wer­den immer öfter und mit grö­ße­rer In­ten­si­tät auf­tre­ten. Hinzu kommt der An­stieg des Mee­res­spie­gels. Mehr Men­schen und mehr Wohl­stand be­deu­ten hö­he­ren Was­ser­be­darf und -ver­brauch. Be­son­ders fra­gi­le, be­reits an­ge­zähl­te Staa­ten tra­gen ein hohes Was­ser­ri­si­ko. Dazu ge­hö­ren unter an­de­rem Niger, Bu­run­di, Äqua­to­ri­al­gui­nea, Gui­nea-Bis­sau, Mau­re­ta­ni­en, Sy­ri­en, Laos und Haiti (siehe Blick­punkt auf S.24), ins­ge­samt be­reits mehr als 30 Staa­ten.

Wer kann, si­chert sich recht­zei­tig Was­ser­res­sour­cen. In Is­ra­el bei­spiels­wei­se ist das kost­ba­re Nass eine Frage der na­tio­na­len Si­cher­heit. Grund­sätz­lich ist es für die ein­zel­nen Staa­ten le­bens­wich­tig, die Was­ser­ver­sor­gung her­zu­stel­len. Stu­di­en zei­gen, dass es deut­li­che Zu­sam­men­hän­ge zwi­schen den Aus­wir­kun­gen des Kli­ma­wan­dels und ge­walt­tä­ti­gen Kon­flik­ten gibt. Ein Pro­blem beim Zu­gang zu Was­ser kann die Pri­va­ti­sie­rung des­sel­ben sein. In Chile soll es einen er­neu­ten An­lauf geben, die Ver­fas­sung aus der Pi­no­chet-Dik­ta­tur zu er­set­zen, die unter an­de­rem eine fast hun­dert­pro­zen­ti­ge Pri­va­ti­sie­rung des Was­sers er­mög­licht hatte. Neben dem Ab­schmel­zen der Glet­scher in den Anden ist es vor allem die­ser pri­va­te Was­ser­be­sitz, der in Chile für mas­si­ve Was­ser­pro­ble­me sorgt.

Jah­res­zei­ten ver­schie­ben sich

Vie­ler­orts ver­än­dern sich die Nie­der­schlags­mus­ter. Es ist nicht nur län­ger tro­cken, son­dern auch hei­ßer als sonst, und die Jah­res­zei­ten ver­schie­ben sich, was er­heb­li­che Fol­gen für die Land­wirt­schaft und die Natur hat. Viele Was­ser­vor­kom­men, viele Seen, Flüs­se und Bäche füh­ren in­zwi­schen auch in Deutsch­land nicht mehr so viel Was­ser wie noch vor Jah­ren, man­che wer­den zu­min­dest zeit­wei­se tro­cken­fal­len. Die Ab­sen­kung des Grund­was­sers in Deutsch­land muss zu den­ken geben, denn wir be­zie­hen fast 65 Pro­zent un­se­res Trink­was­sers aus die­sen na­tür­li­chen un­ter­ir­di­schen Vor­kom­men. Am schlimms­ten ist in Eu­ro­pa Spa­ni­en be­trof­fen, des­sen Was­ser­pro­ble­me auch haus­ge­macht sind – Stich­wor­te: Tou­ris­mus und was­ser­in­ten­si­ve Land­wirt­schaft. In Spa­ni­en gab es schon Mas­sen­pro­tes­te gegen Fluss­um­lei­tun­gen aus dem Nor­den in den Süden. Beim Was­ser ist sich eben jeder selbst am nächs­ten.

Was­ser­man­gel auch in Deutsch­land: Der Pegel des Sed­di­ner Sees bei Pots­dam fällt seit Jah­ren, Fi­scher be­kla­gen be­reits den Ver­lust an Fisch­be­stän­den. (Foto: pic­tu­re al­li­an­ce/dpa/dpa-Zen­tral­bild)

Das US-Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um und die US-Ge­heim­diens­te sehen den Kli­ma­wan­del als einen Be­dro­hungs­mul­ti­pli­ka­tor und wach­sen­des Ri­si­ko für Kon­flik­te und bei der Mi­gra­ti­on. Auch die Ark­tis ist geo­stra­te­gisch wegen der auf und unter dem Mee­res­grund lie­gen­den Bo­den­schät­ze in den Fokus ge­rückt. Na­tür­lich geht es im hohen Nor­den auch um die zu­neh­mend eis­frei wer­den­de Nord­west- und die Nord­ost-Pas­sa­ge. Und Wa­shing­ton sorgt sich um die Mi­li­tär­ba­sen im ei­ge­nen Land und welt­weit. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren sind ei­ni­ge Stütz­punk­te durch Hur­ri­ka­ne teil­wei­se schwer in Mit­lei­den­schaft ge­zo­gen wor­den.

Tür­kei nutzt ihre Macht über das Was­ser

Die Tür­kei nutzt die Tat­sa­che, dass Eu­phrat und Ti­gris, die das Zwei­strom­land be­wäs­sern, auf ihrem Staats­ge­biet ent­sprin­gen. Ein gi­gan­ti­sches Pro­jekt mit zwei Dut­zend Stau­däm­men soll hel­fen, das ver­nach­läs­sig­te Süd­ost­ana­to­li­en wirt­schaft­lich zu ent­wi­ckeln und die Land­wirt­schaft zu in­ten­si­vie­ren. Dafür wird viel Was­ser be­nö­tigt, das Sy­ri­en und Irak am Un­ter­lauf der bei­den Flüs­se dann fehlt. Ihre Macht über das Was­ser nutzt die Tür­kei be­reits aus. Mit­hil­fe der vie­len Tal­sper­ren dreht sie  Irak und Sy­ri­en den Was­ser­hahn ab und er­presst die bei­den Län­der. Dabei geht es vor allem um die Kur­den­fra­ge.

Zum Bei­spiel in Nord­sy­ri­en: Im Jahr 2018 be­setz­te die Tür­kei das sy­ri­sche Afrin und im Jahr 2019 einen 4.000 Qua­drat­ki­lo­me­ter gro­ßen Strei­fen in Nord­ost­sy­ri­en, um eine kur­di­sche Sou­ve­rä­ni­tät in der Ro­ja­va-Re­gi­on zu ver­hin­dern. Mit der Be­set­zung des bis zu 30 Ki­lo­me­ter nach Sy­ri­en hin­ein­rei­chen­den Ge­biets­strei­fens fiel auch das Was­ser­werk All­ouk in tür­ki­sche Hände, das nun nach Be­lie­ben an- und ab­ge­schal­tet wird. Oft lie­fert es mo­na­te­lang kein Was­ser mehr. Das tür­ki­sche Kal­kül: Der Was­ser­man­gel soll die Men­schen dazu zwin­gen, die an­ge­stamm­te Hei­mat zu ver­las­sen.

IS nutz­te Was­ser als Druck­mit­tel

Syrer wie Ira­ker be­schwe­ren sich über das zu­neh­mend ver­schmutz­te Was­ser von Eu­phrat und Ti­gris, das bei ihnen an­kommt und für zahl­rei­che Krank­hei­ten ver­ant­wort­lich ge­macht wird. Im Irak gab es zu­letzt immer wie­der mas­si­ve Pro­tes­te, weil die Men­schen fest­stel­len, dass ihre Re­gie­rung of­fen­bar un­fä­hig ist, ihre Was­ser­ver­sor­gung zu si­chern. Im Jahr 2010 hatte die UN den Zu­gang zu sau­be­rem Trink­was­ser als Men­schen­recht pos­tu­liert. Ein Pa­pier­ti­ger, sagen Ex­per­ten, aber immer mehr Men­schen und Or­ga­ni­sa­tio­nen be­ru­fen sich dar­auf und kön­nen so ihre Re­gie­run­gen zu­min­dest mo­ra­lisch unter Druck set­zen. Im Irak ist die Was­ser­not ex­trem. Seen trock­nen aus, Was­ser­läu­fe ver­sie­gen, das frucht­ba­re Marsch­land ver­schwin­det. Der Irak ge­hört zu jenen Staa­ten, wo es wegen des Was­ser­man­gels im In­ne­ren sowie mit dem gro­ßen Nach­barn im Nor­den in ab­seh­ba­rer Zeit zu einem schwe­ren Kon­flikt kom­men könn­te.

Der Vor­marsch der Ter­ror­or­ga­ni­sa­ti­on Is­la­mi­scher Staat in Sy­ri­en und im Irak ziel­te 2014 vor allem auf die Fluss­läu­fe und die dort lie­gen­den Stau­däm­me. Das be­traf die sy­ri­sche Tabqa-Tal­sper­re eben­so wie den ira­ki­schen Mos­sul-Stau­damm. Sie wur­den von den Ter­ro­ris­ten ge­nutzt, um er­pres­se­risch oder be­loh­nend mit der Be­völ­ke­rung um­zu­ge­hen und sie ge­fü­gig zu ma­chen. Beim Vor­marsch ver­such­ten die Dschi­ha­dis­ten die Min­der­heit der Je­si­den aus­zu­lö­schen, die von ihnen nicht als Mus­li­me be­trach­tet wer­den. Sie trie­ben die Je­si­den im Hoch­som­mer 2014 im Nord­irak ganz ge­zielt in das ex­trem heiße Sind­schar-Ge­bir­ge, wo es kein Was­ser und nichts zu essen gab. Viele Je­si­den ver­durs­te­ten, ehe kur­di­sche Pe­schmer­ga-Kämp­fer den Über­le­ben­den einen Flucht­weg aus der To­des­zo­ne frei­kämpf­ten.

Wie sta­bil ist der Mos­sul-Stau­damm im Nor­den des Irak? Aus po­li­ti­schen Grün­den wurde er in den 1980er-Jah­ren auf un­ge­eig­ne­tem Grund ge­baut. Soll­te der Damm bre­chen, könn­te eine 14 Meter hohe Welle den Ti­gris ent­lang­rol­len und 1,5 Mil­lio­nen Men­schen be­dro­hen. (Foto: pic­tu­re al­li­an­ce / dpa)

Dra­ma­tisch ent­wi­ckelt sich die Lage in der Sa­hel­zo­ne sowie am Horn von Afri­ka, wo jah­re­lan­ge Dür­ren zum Aus­fall  meh­re­rer Ern­ten füh­ren. Hinzu kommt der Aus­fall von Wei­zen­lie­fe­run­gen als Folge des Ukrai­ne­krie­ges. Die Lage in Mali, Niger, Bur­ki­na Faso, der Zen­tral­afri­ka­ni­schen Re­pu­blik und auch im Tschad wird immer un­über­sicht­li­cher und chao­ti­scher. Sie alle sind Staa­ten, die zu schei­tern dro­hen. Ter­ror­grup­pen wie Boko Haram, Is­la­mi­scher Dschi­had, der IS im Sahel und an­de­re brei­ten sich aus und nut­zen dabei eth­ni­sche, re­li­giö­se und ge­sell­schaft­li­che Span­nun­gen. Der Wes­ten – dar­auf be­dacht, Flucht­rou­ten Rich­tung Mit­tel­meer­küs­te und Eu­ro­pa zu un­ter­bin­den – scheint hier zu schei­tern. Der Ter­ro­ris­mus kann nur blü­hen, weil zi­vi­le und mi­li­tä­ri­sche Struk­tu­ren in Staa­ten wie Mali, Niger oder Bur­ki­na Faso ver­sa­gen. Hier ent­steht der Nähr­bo­den für Fun­da­men­ta­lis­mus und Ex­tre­mis­mus. Und Niger wurde von Deutsch­land und der EU vor allem auch des­halb un­ter­stützt, weil es die Flucht­rou­ten der Mi­gran­ten an die afri­ka­ni­sche Mit­tel­meer­küs­ten kap­pen soll­te.

Kor­rup­ti­on wird in Kauf ge­nom­men

Wo viel (west­li­ches) Geld flie­ßt, gras­siert Kor­rup­ti­on unter den lo­ka­len Eli­ten. Man­gels Al­ter­na­ti­ven  wird diese dann oft von den west­li­chen Ge­ber­na­tio­nen in Kauf ge­nom­men. Das wi­der­um ent­täuscht die Be­völ­ke­rung, die dann häu­fig Put­sche ihres Mi­li­tärs be­grü­ßt – wie etwa in Mali oder in Niger. Ein Teu­fels­kreis. Denn wo Si­cher­heit für west­li­che Mit­ar­bei­ter und Sol­da­ten nicht mehr ge­ge­ben ist und die ört­li­chen Re­gie­run­gen eine Ko­ope­ra­ti­on mit Staa­ten wie Deutsch­land ab­blo­cken, wird es schwie­rig, noch zu hel­fen. Das gilt unter an­de­rem bei An­pas­sun­gen an den Kli­ma­wan­del. An­hal­ten­de Tro­cken­heit und stei­gen­de Tem­pe­ra­tu­ren er­hö­hen das Ri­si­ko oder be­feu­ern in­ter­ne Kon­flik­te, bei­spiels­wei­se zwi­schen wan­dern­den Hir­ten und an­säs­si­gen Bau­ern in Afri­ka. Der Kon­flikt dreht sich um of­fe­ne Wei­den und vor allem um den Zu­gang zu Brun­nen und Was­ser­stel­len.

Vieh­hir­ten (hier in Äthio­pi­en) müs­sen oft große Di­stan­zen über­win­den, um an die nächs­te Was­ser­stel­le zu kom­men. Auch gibt es oft Kon­flik­te mit Bau­ern um das knap­pe Gut Was­ser. (Foto: pic­tu­re al­li­an­ce/AP/UNICEF)

Wo aber nichts mehr geht, wer­den die Men­schen dort­hin aus­wei­chen, wo es ihnen bes­ser gehen könn­te. Wo das Was­ser nicht mehr zum Men­schen kommt, kommt der Mensch zum Was­ser. Blei­ben oder gehen?, fra­gen sich immer mehr Men­schen. Die Folge wer­den große Flucht­be­we­gun­gen sein. Sie füh­ren zur  De­sta­bi­li­sie­rung im ei­ge­nen Staat wie in Nach­bar­staa­ten, die mit den vie­len Flücht­lin­gen über­for­dert sind. Eine Ket­ten­re­ak­ti­on. Der Kli­ma­wan­del ver­grö­ßert die Ver­letz­lich­keit vie­ler oh­ne­hin schon armer und über­for­der­ter Staa­ten. Große Mi­gra­ti­ons­be­we­gun­gen kön­nen auch in Eu­ro­pa de­sta­bi­li­sie­ren­de Wir­kun­gen ent­fal­ten. Das haben die Jahre 2015/2016 deut­lich ge­zeigt.

Geo­stra­te­gi­sche Be­deu­tung

Was­ser­pro­ble­me kön­nen schnell und un­er­war­tet geo­stra­te­gi­sche Be­deu­tung be­kom­men, wie in die­sem Som­mer das Bei­spiel des Pa­na­ma­ka­nals zeig­te. Hun­der­te von Schif­fen war­te­ten auf die wich­ti­ge Pas­sa­ge. Doch Was­ser­man­gel ver­hin­der­te sie. Wie konn­te das sein? Das Was­ser zum Fül­len der Schleu­sen für die lange Pas­sa­ge stammt aus zwei gro­ßen Seen. Es ist Süß­was­ser. Ein Teil des Was­sers wird auf­ge­fan­gen, doch etwa 40 Pro­zent flie­ßen am Ende ins Meer. Weil in­zwi­schen we­ni­ger Süß­was­ser in die Seen nach­flie­ßt, wer­den we­ni­ger Schif­fe durch­ge­las­sen. Denn das Was­ser aus den Seen ver­sorgt auch die Be­woh­ner Pa­na­mas. Weil es aber in die­sem Jahr viel zu wenig ge­reg­net hat, sind die Pegel im Gatún- und im Ala­jue­la-Stau­see we­sent­lich nied­ri­ger als sonst. Das be­deu­tet, dass we­sent­lich we­ni­ger Schif­fe die Land­enge durch­que­ren dür­fen. Auch die plötz­lich auf­ge­tre­te­ne Tro­cken­heit am Ama­zo­nas über­rasch­te viele.

Stau am Pa­na­ma­ka­nal: Wegen Man­gels an Süß­was­ser, das zum Be­trieb des Pa­na­ma­ka­nals not­wen­dig ist, war die Durch­fahrt auf der wich­ti­gen Was­ser­stra­ße im Som­mer 2023 ein­ge­schränkt. Ex­per­ten pro­gnos­ti­zie­ren, dass dies zu­künf­tig öfter pas­sie­ren wird. (Foto: pic­tu­re al­li­an­ce / dpa)

In­di­en ist ein auf­stre­ben­der Staat mit Welt­machtam­bi­tio­nen. Wir in Eu­ro­pa neh­men an, der Ukrai­ne­krieg müss­te auch für Neu-Delhi von Be­deu­tung sein, doch er spielt tat­säch­lich keine Rolle. Wich­tig sind für Neu-Delhi gute Be­zie­hun­gen zu Russ­land, das In­di­en mit Waf­fen und Rüs­tungs­gü­tern ver­sorgt. Sich aus die­ser Ab­hän­gig­keit zu be­frei­en ist nicht ein­fach. Denn In­di­en ist noch lange Zeit auf Er­satz­tei­le und Lo­gis­tik aus Russ­land an­ge­wie­sen. Nicht zu­letzt geht es auch um En­er­gie­lie­fe­run­gen aus Russ­land. Nicht nur in die­sem Be­reich kon­kur­riert In­di­en mit China.

Um­lei­tungs­pro­jek­te in China alar­mie­ren Neu-Delhi

Diese Kon­kur­renz be­trifft in wach­sen­dem Maße die Was­ser­the­ma­tik. Mit Tibet hatte Mao für China 1950 die Quel­len der wich­tigs­ten asia­ti­schen und süd­ost­asia­ti­schen Flüs­se ge­si­chert. Tibet ist für Pe­king von enor­mer was­ser­stra­te­gi­scher Be­deu­tung. Gi­gan­ti­sche Um­lei­tungs­pro­jek­te in China alar­mie­ren nun Neu-Delhi. Chi­nas Süd-Nord-Was­ser­trans­fer­pro­jekt wird Was­ser aus dem Jang­tse­kiang in Tibet über Ka­nä­le, Tun­nels und Über­füh­run­gen sowie Stau­se­en und Dämme in den Nor­den und Nord­os­ten des Lan­des flie­ßen las­sen. Es geht um rund 45 Mil­li­ar­den Ku­bik­me­ter im Jahr und eine Ge­samt­stre­cke von 3.500 Ki­lo­me­tern. Nicht das ge­sam­te Was­ser die­ses Pro­jekts stammt aus dem Jang­tse­kiang, der dabei teil­wei­se in den Gel­ben Fluss um­ge­lei­tet wird.

Genau das ist In­di­ens Pro­blem. In Neu-Delhi wird be­fürch­tet, dass dem Sub­kon­ti­nent bei ra­sant stei­gen­dem Be­darf das Was­ser aus­ge­hen könn­te. Die Re­gie­rung plant ähn­li­che Fluss­um­lei­tun­gen vom Nor­den in den Süden wie in China von Süd nach Nord, die aber durch chi­ne­si­sche Stau­damm­pro­jek­te und oh­ne­hin schon zahl­reich vor­han­de­ne Dämme ge­fähr­det sein könn­ten. In Neu-Delhi be­fürch­tet man im Rah­men des chi­ne­si­schen Trans­fer­pro­jekts auch Was­ser­ab­zwei­gun­gen aus dem Brah­ma­pu­tra. Nicht zu­letzt hat das Aus­wir­kun­gen auf das auf Mee­res­ni­veau lie­gen­de Ban­gla­desch, das vom Kli­ma­wan­del be­son­ders be­trof­fen ist. Die Was­ser­kri­se tan­giert aber auch die an­de­ren in Tibet ent­sprin­gen­den Flüs­se, die nach Süd­ost­asi­en ent­wäs­sern, bei­spiels­wei­se den Me­kong und seine An­rai­ner.

Wald­brän­de neh­men wegen der lan­gen Dür­ren in den Som­mer­mo­na­ten auch in Deutsch­land zu. Hier in einem Wald im saar­län­di­schen Rie­gels­berg im Au­gust 2022. (Foto: pic­tu­re al­li­an­ce / Be­ckerBre­del)

Die Be­zie­hun­gen zwi­schen den asia­ti­schen Atom­mäch­ten China und In­di­en sind an­ge­spannt – be­son­ders seit es vor rund drei Jah­ren zu einem töd­li­chen Zwi­schen­fall an der Gren­ze weit oben im Hi­ma­la­ya ge­kom­men ist. Es gab zwei Dut­zend Tote. In­di­en rüs­tet an der um­strit­te­nen Gren­ze ge­ra­de auf. Unter an­de­rem soll ein Flug­platz für die Streit­kräf­te ge­baut wer­den. Ins­ge­samt hat Neu-Delhi in den letz­ten Jah­ren um­ge­rech­net fast eine Mil­li­ar­de Euro in Hun­der­te von Pro­jek­ten an der Gren­ze zu China in­ves­tiert. Das ist eine klare An­sa­ge, die Lage ist ernst. Nicht zu­letzt geht es dabei um die Hi­ma­la­ya-Glet­scher, die eben­so wie die Eis­pan­zer in den Alpen oder Anden ver­schwin­den. Im Hi­ma­la­ya al­ler­dings wird das noch län­ger dau­ern.

China ver­sucht über die Sei­den­stra­ßen-In­itia­ti­ve um In­di­en herum zu Lande und zu Was­ser sei­nen Ein­fluss gel­tend zu ma­chen und ein Netz von Stütz­punk­ten auf­zu­bau­en. Dazu ge­hö­ren Pa­ki­stan und Sri Lanka, aber auch Nepal. Das immer selbst­be­wuss­ter agie­ren­de In­di­en unter sei­nem na­tio­na­lis­ti­schen Mi­nis­ter­prä­si­den­ten Na­ren­dra Modi wird die Aus­ein­an­der­set­zung mit China letzt­lich nicht scheu­en.

Auf­ga­be für einen Na­tio­na­len Si­cher­heits­rat

Auch Deutsch­land steht na­tio­nal wie in­ter­na­tio­nal vor gro­ßen Her­aus­for­de­run­gen. Die  Tro­cken­heit spä­tes­tens im Hit­ze­re­kord-Som­mer 2022 hat auch die Deut­schen auf­ge­schreckt. In einer Stu­die des deut­schen Bei­rats für Kri­sen­prä­ven­ti­on und Frie­dens­för­de­rung wer­den diese Her­aus­for­de­run­gen für die Außen- und Si­cher­heits­po­li­tik for­mu­liert: Das heißt, die ad hoc ge­bil­de­ten Kri­sen­stä­be ​- wie jetzt beim Gaza-Is­ra­el-Krieg – müs­sen in län­der­über­grei­fen­de Stra­te­gi­en, Pläne und Sze­na­ri­en mün­den. Das wäre die Auf­ga­be für einen Na­tio­na­len Si­cher­heits­rat, wie ihn zahl­rei­che Staa­ten schon lange haben, dar­un­ter die USA, aber bei­spiels­wei­se auch Ös­ter­reich. Deutsch­land meint, sich kei­nen leis­ten zu müs­sen. Doch eine Na­tio­na­le Si­cher­heits­stra­te­gie al­lei­ne reicht nicht. Sie ist – wenn über­haupt – nur eine Mo­ment­auf­nah­me. Auf die Be­dro­hun­gen des Kli­ma­wan­dels müs­sen sich alle ein­stel­len. Noch gibt es dabei sehr viel Luft nach oben, und die Zeit drängt.


Der Autor

Jür­gen Rah­mig ist aus­ge­bil­de­ter Fall­schirm­jä­ger und ar­bei­tet seit 40 Jah­ren als Jour­na­list mit dem Schwer­punkt Außen- und Si­cher­heits­po­li­tik. Er hat immer wie­der Kri­sen­ge­bie­te be­reist und meh­re­re Bü­cher zu zeit­ge­schicht­li­chen The­men ge­schrie­ben.

Buch­tipp: Jür­gen Rah­mig: Der Kampf ums Was­ser. Im Jahr­hun­dert der Dürre; Hir­zel-Ver­lag 2023, 256 Sei­ten, 26 Euro

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