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Verdurstende Staaten

Rund um den Globus nehmen die Konflikte um Wasser zu. Es kommt immer häufiger zu starken Dürren, und Wasser wird zunehmend als politisches Machtmittel missbraucht. Die Sicherheitspolitik sieht sich ganz neuen Herausforderungen gegenüber. Wenn es nicht gelingt, sauberes Trinkwasser für alle Menschen auf der Erde in ausreichendem Maß zur Verfügung zu stellen, wird Wassermangel immer mehr zum weltweiten Konflikttreiber.

Schon fünf Regenzeiten hintereinander hat es in manchenTeilen Ostafrikas nicht mehr geregnet. Die Maispflanzen der kenianischen Bäuerin Zawadi Msafiri sind deshalb vertrocknet. 13 Millionen Menschen sind von der schweren Dürre betroffen und von Hunger bedroht.

Foto: picture alliance / Xinhua News Agency

loyalwasser

Dass Wassermangel Kriege und Konflikte antreibt, zeigte schon Israels Sechstagekrieg 1967, bei dem unter anderem um die Kontrolle des Jordans und dessen drei Quellen gekämpft wurde. Auch beim aktuellen Krieg in Nahost zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas spielt Wasser eine Rolle: Israel hatte nach dem Überfall der Hamas auf israelisches Gebiet Anfang Oktober zunächst die Energie- und Wasserzufuhr für den Gazastreifen gekappt, dann aber die Leitungen in den südlichen Teil von Gaza wieder aufgemacht. Israel beliefert den Gazastreifen schon seit vielen Jahren mit Wasser, das aber alleine nicht zur Versorgung ausreicht. Im Gazastreifen selbst wird zwar auch Meerwasser entsalzen. Die von der EU mit deutscher Hilfe gebaute Anlage mit Solarfeld soll den Gazastreifen unabhängiger von externer Wasserversorgung machen. Sie verbraucht aber enorm viel Strom, den das Solarfeld nicht vollständig selbst erzeugen kann.

Hinzu kommt: Die Grundwasserspeicher unter dem Gazastreifen sind weitgehend erschöpft. Was noch da ist, wird durch versickernde Abwässer verschmutzt. Die Kläranlagen reichen nicht aus und funktionieren aufgrund ständigen Strommangels nur unzureichend. Außerdem dringt aufgrund fehlenden Gegendrucks Meerwasser ins Grundwasser ein. Das Kraftwerk in Gaza arbeitet nicht, weil keine Betriebsmittel mehr zur Verfügung stehen. Viele Wasserleitungen sind schlecht gewartet, marode oder aufgrund der Kriegseinwirkungen unterbrochen. Die Hamas soll außerdem Wasserrohre für den Bau von Raketenumhüllungen nutzen. Weil nicht genug sauberes Trinkwasser zur Verfügung steht, trinken viele Menschen mit Fäkalienkeimen verschmutztes Grundwasser.

Der Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen wird ganz entscheidend durch das schiitische Regime im Iran befeuert. Für Teheran ist der Krieg eine willkommene Ablenkung von schweren inneren Konflikten. Der gewaltsame Tod der jungen iranischen Kurdin Jina Mahsma Amini im September 2022 hat zu einer breiten Protestwelle in Stadt und Land geführt. Die Demonstranten stellen das gesamte System des Gottesstaates infrage. In Verbindung mit der immer untragbarer werdenden Wassersituation im Iran, der schon jetzt zu großen Teilen aus Wüste und wüstenartigen Regionen besteht, könnte die Situation jederzeit zur Explosion führen.

Sauberes Trinkwasser ist ein rares Gut für die Bewohner des Gazastreifens – vor allem seitdem Israel gegen die radikal-islamische Hamas dort vorgeht. Wasser muss oft an zentralen Punkten geholt werden, wie hier in Rafah. (Foto: picture alliance/newscom)

Der Iran ist ein verdurstender Staat. Ein lange schwelender Wasserkonflikt mit Afghanistan hatte vor wenigen Monaten an der gemeinsamen Grenze zu einer blutigen Auseinandersetzung um das Wasser des Hilmend-Flusses geführt. Dieser Konflikt um das knapper werdende Wasser bei wachsender Bevölkerung ist längst nicht ausgestanden. Hinzu kommen extreme politische Fehlentscheidungen. Die Sowjets etablierten den wasserintensiven Baumwollanbau ausgerechnet in den Wüsten Zentralasiens, was den Aralsee austrocknete. Ähnliche Schicksale drohen dem Urmia-See im Nordwesten des Iran und dem Tschadsee in Afrika.

Sprengung des Kachowka-Staudamms

Auch der Ukrainekrieg ist zum Teil ein Krieg um die Ressource Wasser. Dort steht auch der Nord-Krim-Kanal im Fokus, der bei Nowa Kachowka beginnt. Ein strategisches Ziel war beim Überfall Russlands auf die Ukraine der schnelle Vorstoß im Süden an den Dnipro bei Kachowka. Der in der Sowjetzeit gebaute Kanal versorgt die zu 85 Prozent von diesem Wasser abhängige Krim-Halbinsel. Nach der Annexion 2014 durch Russland unterbrach die Ukraine die Wasserversorgung am Zugang zur Halbinsel und 2017 dann direkt bei Kachowka durch einen Damm, der den Kanal fast völlig trockenlegte. Diesen Damm sprengte Russland sofort nach dem gelungenen Vorstoß bis Kachowka und nördlich über den Dnipro.

Doch die Ukraine hat die russischen Invasoren zurückgeworfen auf das Südufer des Flusses, der hier durch einen mächtigen Staudamm aufgestaut wird. Vermutlich aus Panik, weil die russischen Truppen im Süden einen massiven Angriff der ukrainischen Armee über den Dnipro bei Cherson fürchteten, sprengten sie im Juni 2023 den Damm. Der riesige Speichersee lief aus und überschwemmte die Region am Unterlauf bis zur Mündung. Damit allerdings fiel auch der Nord-Krim-Kanal erneut trocken. Wenn also Russland den Kachowka-Damm gesprengt haben sollte – was sehr wahrscheinlich ist, aber noch nicht gesichert – dann haben die Russen der Krim selbst das Wasser abgegraben.

Wasser als Instrument des Krieges: Am 6. Juni 2023 wurde der Kachowka-Staudamm im Südosten der Ukraine gesprengt – mutmaßlich von russischen Truppen. Die Fluten des Dnipro überspülten daraufhin große Teile der Stadt Cherson. (Foto: picture alliance/AP)

Süßwasser und der Zugang dazu wird immer wichtiger. Wo der Wassermangel nicht mehr zu beheben ist, wird es Konflikte um die knapper werdende Ressource geben, und Staaten werden diese Not als Druck- und Erpressungsmittel oder als Kriegswaffe benutzen. Die wachsende Weltbevölkerung und die Erderwärmung verschärfen die Probleme und führen zu neuen. Wirbelstürme, Waldbrände, Dürren, Orkane und Überschwemmungen werden immer öfter und mit größerer Intensität auftreten. Hinzu kommt der Anstieg des Meeresspiegels. Mehr Menschen und mehr Wohlstand bedeuten höheren Wasserbedarf und -verbrauch. Besonders fragile, bereits angezählte Staaten tragen ein hohes Wasserrisiko. Dazu gehören unter anderem Niger, Burundi, Äquatorialguinea, Guinea-Bissau, Mauretanien, Syrien, Laos und Haiti (siehe Blickpunkt auf S.24), insgesamt bereits mehr als 30 Staaten.

Wer kann, sichert sich rechtzeitig Wasserressourcen. In Israel beispielsweise ist das kostbare Nass eine Frage der nationalen Sicherheit. Grundsätzlich ist es für die einzelnen Staaten lebenswichtig, die Wasserversorgung herzustellen. Studien zeigen, dass es deutliche Zusammenhänge zwischen den Auswirkungen des Klimawandels und gewalttätigen Konflikten gibt. Ein Problem beim Zugang zu Wasser kann die Privatisierung desselben sein. In Chile soll es einen erneuten Anlauf geben, die Verfassung aus der Pinochet-Diktatur zu ersetzen, die unter anderem eine fast hundertprozentige Privatisierung des Wassers ermöglicht hatte. Neben dem Abschmelzen der Gletscher in den Anden ist es vor allem dieser private Wasserbesitz, der in Chile für massive Wasserprobleme sorgt.

Jahreszeiten verschieben sich

Vielerorts verändern sich die Niederschlagsmuster. Es ist nicht nur länger trocken, sondern auch heißer als sonst, und die Jahreszeiten verschieben sich, was erhebliche Folgen für die Landwirtschaft und die Natur hat. Viele Wasservorkommen, viele Seen, Flüsse und Bäche führen inzwischen auch in Deutschland nicht mehr so viel Wasser wie noch vor Jahren, manche werden zumindest zeitweise trockenfallen. Die Absenkung des Grundwassers in Deutschland muss zu denken geben, denn wir beziehen fast 65 Prozent unseres Trinkwassers aus diesen natürlichen unterirdischen Vorkommen. Am schlimmsten ist in Europa Spanien betroffen, dessen Wasserprobleme auch hausgemacht sind – Stichworte: Tourismus und wasserintensive Landwirtschaft. In Spanien gab es schon Massenproteste gegen Flussumleitungen aus dem Norden in den Süden. Beim Wasser ist sich eben jeder selbst am nächsten.

Wassermangel auch in Deutschland: Der Pegel des Seddiner Sees bei Potsdam fällt seit Jahren, Fischer beklagen bereits den Verlust an Fischbeständen. (Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Das US-Verteidigungsministerium und die US-Geheimdienste sehen den Klimawandel als einen Bedrohungsmultiplikator und wachsendes Risiko für Konflikte und bei der Migration. Auch die Arktis ist geostrategisch wegen der auf und unter dem Meeresgrund liegenden Bodenschätze in den Fokus gerückt. Natürlich geht es im hohen Norden auch um die zunehmend eisfrei werdende Nordwest- und die Nordost-Passage. Und Washington sorgt sich um die Militärbasen im eigenen Land und weltweit. In den vergangenen Jahren sind einige Stützpunkte durch Hurrikane teilweise schwer in Mitleidenschaft gezogen worden.

Türkei nutzt ihre Macht über das Wasser

Die Türkei nutzt die Tatsache, dass Euphrat und Tigris, die das Zweistromland bewässern, auf ihrem Staatsgebiet entspringen. Ein gigantisches Projekt mit zwei Dutzend Staudämmen soll helfen, das vernachlässigte Südostanatolien wirtschaftlich zu entwickeln und die Landwirtschaft zu intensivieren. Dafür wird viel Wasser benötigt, das Syrien und Irak am Unterlauf der beiden Flüsse dann fehlt. Ihre Macht über das Wasser nutzt die Türkei bereits aus. Mithilfe der vielen Talsperren dreht sie  Irak und Syrien den Wasserhahn ab und erpresst die beiden Länder. Dabei geht es vor allem um die Kurdenfrage.

Zum Beispiel in Nordsyrien: Im Jahr 2018 besetzte die Türkei das syrische Afrin und im Jahr 2019 einen 4.000 Quadratkilometer großen Streifen in Nordostsyrien, um eine kurdische Souveränität in der Rojava-Region zu verhindern. Mit der Besetzung des bis zu 30 Kilometer nach Syrien hineinreichenden Gebietsstreifens fiel auch das Wasserwerk Allouk in türkische Hände, das nun nach Belieben an- und abgeschaltet wird. Oft liefert es monatelang kein Wasser mehr. Das türkische Kalkül: Der Wassermangel soll die Menschen dazu zwingen, die angestammte Heimat zu verlassen.

IS nutzte Wasser als Druckmittel

Syrer wie Iraker beschweren sich über das zunehmend verschmutzte Wasser von Euphrat und Tigris, das bei ihnen ankommt und für zahlreiche Krankheiten verantwortlich gemacht wird. Im Irak gab es zuletzt immer wieder massive Proteste, weil die Menschen feststellen, dass ihre Regierung offenbar unfähig ist, ihre Wasserversorgung zu sichern. Im Jahr 2010 hatte die UN den Zugang zu sauberem Trinkwasser als Menschenrecht postuliert. Ein Papiertiger, sagen Experten, aber immer mehr Menschen und Organisationen berufen sich darauf und können so ihre Regierungen zumindest moralisch unter Druck setzen. Im Irak ist die Wassernot extrem. Seen trocknen aus, Wasserläufe versiegen, das fruchtbare Marschland verschwindet. Der Irak gehört zu jenen Staaten, wo es wegen des Wassermangels im Inneren sowie mit dem großen Nachbarn im Norden in absehbarer Zeit zu einem schweren Konflikt kommen könnte.

Der Vormarsch der Terrororganisation Islamischer Staat in Syrien und im Irak zielte 2014 vor allem auf die Flussläufe und die dort liegenden Staudämme. Das betraf die syrische Tabqa-Talsperre ebenso wie den irakischen Mossul-Staudamm. Sie wurden von den Terroristen genutzt, um erpresserisch oder belohnend mit der Bevölkerung umzugehen und sie gefügig zu machen. Beim Vormarsch versuchten die Dschihadisten die Minderheit der Jesiden auszulöschen, die von ihnen nicht als Muslime betrachtet werden. Sie trieben die Jesiden im Hochsommer 2014 im Nordirak ganz gezielt in das extrem heiße Sindschar-Gebirge, wo es kein Wasser und nichts zu essen gab. Viele Jesiden verdursteten, ehe kurdische Peschmerga-Kämpfer den Überlebenden einen Fluchtweg aus der Todeszone freikämpften.

Wie stabil ist der Mossul-Staudamm im Norden des Irak? Aus politischen Gründen wurde er in den 1980er-Jahren auf ungeeignetem Grund gebaut. Sollte der Damm brechen, könnte eine 14 Meter hohe Welle den Tigris entlangrollen und 1,5 Millionen Menschen bedrohen. (Foto: picture alliance / dpa)

Dramatisch entwickelt sich die Lage in der Sahelzone sowie am Horn von Afrika, wo jahrelange Dürren zum Ausfall  mehrerer Ernten führen. Hinzu kommt der Ausfall von Weizenlieferungen als Folge des Ukrainekrieges. Die Lage in Mali, Niger, Burkina Faso, der Zentralafrikanischen Republik und auch im Tschad wird immer unübersichtlicher und chaotischer. Sie alle sind Staaten, die zu scheitern drohen. Terrorgruppen wie Boko Haram, Islamischer Dschihad, der IS im Sahel und andere breiten sich aus und nutzen dabei ethnische, religiöse und gesellschaftliche Spannungen. Der Westen – darauf bedacht, Fluchtrouten Richtung Mittelmeerküste und Europa zu unterbinden – scheint hier zu scheitern. Der Terrorismus kann nur blühen, weil zivile und militärische Strukturen in Staaten wie Mali, Niger oder Burkina Faso versagen. Hier entsteht der Nährboden für Fundamentalismus und Extremismus. Und Niger wurde von Deutschland und der EU vor allem auch deshalb unterstützt, weil es die Fluchtrouten der Migranten an die afrikanische Mittelmeerküsten kappen sollte.

Korruption wird in Kauf genommen

Wo viel (westliches) Geld fließt, grassiert Korruption unter den lokalen Eliten. Mangels Alternativen  wird diese dann oft von den westlichen Gebernationen in Kauf genommen. Das widerum enttäuscht die Bevölkerung, die dann häufig Putsche ihres Militärs begrüßt – wie etwa in Mali oder in Niger. Ein Teufelskreis. Denn wo Sicherheit für westliche Mitarbeiter und Soldaten nicht mehr gegeben ist und die örtlichen Regierungen eine Kooperation mit Staaten wie Deutschland abblocken, wird es schwierig, noch zu helfen. Das gilt unter anderem bei Anpassungen an den Klimawandel. Anhaltende Trockenheit und steigende Temperaturen erhöhen das Risiko oder befeuern interne Konflikte, beispielsweise zwischen wandernden Hirten und ansässigen Bauern in Afrika. Der Konflikt dreht sich um offene Weiden und vor allem um den Zugang zu Brunnen und Wasserstellen.

Viehhirten (hier in Äthiopien) müssen oft große Distanzen überwinden, um an die nächste Wasserstelle zu kommen. Auch gibt es oft Konflikte mit Bauern um das knappe Gut Wasser. (Foto: picture alliance/AP/UNICEF)

Wo aber nichts mehr geht, werden die Menschen dorthin ausweichen, wo es ihnen besser gehen könnte. Wo das Wasser nicht mehr zum Menschen kommt, kommt der Mensch zum Wasser. Bleiben oder gehen?, fragen sich immer mehr Menschen. Die Folge werden große Fluchtbewegungen sein. Sie führen zur  Destabilisierung im eigenen Staat wie in Nachbarstaaten, die mit den vielen Flüchtlingen überfordert sind. Eine Kettenreaktion. Der Klimawandel vergrößert die Verletzlichkeit vieler ohnehin schon armer und überforderter Staaten. Große Migrationsbewegungen können auch in Europa destabilisierende Wirkungen entfalten. Das haben die Jahre 2015/2016 deutlich gezeigt.

Geostrategische Bedeutung

Wasserprobleme können schnell und unerwartet geostrategische Bedeutung bekommen, wie in diesem Sommer das Beispiel des Panamakanals zeigte. Hunderte von Schiffen warteten auf die wichtige Passage. Doch Wassermangel verhinderte sie. Wie konnte das sein? Das Wasser zum Füllen der Schleusen für die lange Passage stammt aus zwei großen Seen. Es ist Süßwasser. Ein Teil des Wassers wird aufgefangen, doch etwa 40 Prozent fließen am Ende ins Meer. Weil inzwischen weniger Süßwasser in die Seen nachfließt, werden weniger Schiffe durchgelassen. Denn das Wasser aus den Seen versorgt auch die Bewohner Panamas. Weil es aber in diesem Jahr viel zu wenig geregnet hat, sind die Pegel im Gatún- und im Alajuela-Stausee wesentlich niedriger als sonst. Das bedeutet, dass wesentlich weniger Schiffe die Landenge durchqueren dürfen. Auch die plötzlich aufgetretene Trockenheit am Amazonas überraschte viele.

Stau am Panamakanal: Wegen Mangels an Süßwasser, das zum Betrieb des Panamakanals notwendig ist, war die Durchfahrt auf der wichtigen Wasserstraße im Sommer 2023 eingeschränkt. Experten prognostizieren, dass dies zukünftig öfter passieren wird. (Foto: picture alliance / dpa)

Indien ist ein aufstrebender Staat mit Weltmachtambitionen. Wir in Europa nehmen an, der Ukrainekrieg müsste auch für Neu-Delhi von Bedeutung sein, doch er spielt tatsächlich keine Rolle. Wichtig sind für Neu-Delhi gute Beziehungen zu Russland, das Indien mit Waffen und Rüstungsgütern versorgt. Sich aus dieser Abhängigkeit zu befreien ist nicht einfach. Denn Indien ist noch lange Zeit auf Ersatzteile und Logistik aus Russland angewiesen. Nicht zuletzt geht es auch um Energielieferungen aus Russland. Nicht nur in diesem Bereich konkurriert Indien mit China.

Umleitungsprojekte in China alarmieren Neu-Delhi

Diese Konkurrenz betrifft in wachsendem Maße die Wasserthematik. Mit Tibet hatte Mao für China 1950 die Quellen der wichtigsten asiatischen und südostasiatischen Flüsse gesichert. Tibet ist für Peking von enormer wasserstrategischer Bedeutung. Gigantische Umleitungsprojekte in China alarmieren nun Neu-Delhi. Chinas Süd-Nord-Wassertransferprojekt wird Wasser aus dem Jangtsekiang in Tibet über Kanäle, Tunnels und Überführungen sowie Stauseen und Dämme in den Norden und Nordosten des Landes fließen lassen. Es geht um rund 45 Milliarden Kubikmeter im Jahr und eine Gesamtstrecke von 3.500 Kilometern. Nicht das gesamte Wasser dieses Projekts stammt aus dem Jangtsekiang, der dabei teilweise in den Gelben Fluss umgeleitet wird.

Genau das ist Indiens Problem. In Neu-Delhi wird befürchtet, dass dem Subkontinent bei rasant steigendem Bedarf das Wasser ausgehen könnte. Die Regierung plant ähnliche Flussumleitungen vom Norden in den Süden wie in China von Süd nach Nord, die aber durch chinesische Staudammprojekte und ohnehin schon zahlreich vorhandene Dämme gefährdet sein könnten. In Neu-Delhi befürchtet man im Rahmen des chinesischen Transferprojekts auch Wasserabzweigungen aus dem Brahmaputra. Nicht zuletzt hat das Auswirkungen auf das auf Meeresniveau liegende Bangladesch, das vom Klimawandel besonders betroffen ist. Die Wasserkrise tangiert aber auch die anderen in Tibet entspringenden Flüsse, die nach Südostasien entwässern, beispielsweise den Mekong und seine Anrainer.

Waldbrände nehmen wegen der langen Dürren in den Sommermonaten auch in Deutschland zu. Hier in einem Wald im saarländischen Riegelsberg im August 2022. (Foto: picture alliance / BeckerBredel)

Die Beziehungen zwischen den asiatischen Atommächten China und Indien sind angespannt – besonders seit es vor rund drei Jahren zu einem tödlichen Zwischenfall an der Grenze weit oben im Himalaya gekommen ist. Es gab zwei Dutzend Tote. Indien rüstet an der umstrittenen Grenze gerade auf. Unter anderem soll ein Flugplatz für die Streitkräfte gebaut werden. Insgesamt hat Neu-Delhi in den letzten Jahren umgerechnet fast eine Milliarde Euro in Hunderte von Projekten an der Grenze zu China investiert. Das ist eine klare Ansage, die Lage ist ernst. Nicht zuletzt geht es dabei um die Himalaya-Gletscher, die ebenso wie die Eispanzer in den Alpen oder Anden verschwinden. Im Himalaya allerdings wird das noch länger dauern.

China versucht über die Seidenstraßen-Initiative um Indien herum zu Lande und zu Wasser seinen Einfluss geltend zu machen und ein Netz von Stützpunkten aufzubauen. Dazu gehören Pakistan und Sri Lanka, aber auch Nepal. Das immer selbstbewusster agierende Indien unter seinem nationalistischen Ministerpräsidenten Narendra Modi wird die Auseinandersetzung mit China letztlich nicht scheuen.

Aufgabe für einen Nationalen Sicherheitsrat

Auch Deutschland steht national wie international vor großen Herausforderungen. Die  Trockenheit spätestens im Hitzerekord-Sommer 2022 hat auch die Deutschen aufgeschreckt. In einer Studie des deutschen Beirats für Krisenprävention und Friedensförderung werden diese Herausforderungen für die Außen- und Sicherheitspolitik formuliert: Das heißt, die ad hoc gebildeten Krisenstäbe ​- wie jetzt beim Gaza-Israel-Krieg – müssen in länderübergreifende Strategien, Pläne und Szenarien münden. Das wäre die Aufgabe für einen Nationalen Sicherheitsrat, wie ihn zahlreiche Staaten schon lange haben, darunter die USA, aber beispielsweise auch Österreich. Deutschland meint, sich keinen leisten zu müssen. Doch eine Nationale Sicherheitsstrategie alleine reicht nicht. Sie ist – wenn überhaupt – nur eine Momentaufnahme. Auf die Bedrohungen des Klimawandels müssen sich alle einstellen. Noch gibt es dabei sehr viel Luft nach oben, und die Zeit drängt.


Der Autor

Jürgen Rahmig ist ausgebildeter Fallschirmjäger und arbeitet seit 40 Jahren als Journalist mit dem Schwerpunkt Außen- und Sicherheitspolitik. Er hat immer wieder Krisengebiete bereist und mehrere Bücher zu zeitgeschichtlichen Themen geschrieben.

Buchtipp: Jürgen Rahmig: Der Kampf ums Wasser. Im Jahrhundert der Dürre; Hirzel-Verlag 2023, 256 Seiten, 26 Euro

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