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Wehr­dienst wie in Schwe­den?

Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Boris Pis­to­ri­us hätte gerne einen Wehr­dienst wie in Schwe­den. Doch ist die­ser über­haupt er­stre­bens­wert? Und wie funk­tio­niert er? Fra­gen und Ant­wor­ten aus dem Mus­te­rungs­bü­ro in Stock­holm.

"Wir fin­den Schwe­dens Stär­ken" steht auf einer Wand im Stock­hol­mer Mus­te­rungs­bü­ro.

Foto: Ste­phan Pram­me

loyalSchwe­denwehr­dienst

Warum hat Schwe­den die Wehr­pflicht im Jahr 2017 wie­der­ein­ge­führt?
Weil sich in Schwe­den (wie Deutsch­land auch) zu wenig Frei­wil­li­ge für den Wehr­dienst ge­mel­det hat­ten. Schwe­den hatte die Wehr­pflicht im Jahr 2009 aus­ge­setzt. Von 2010 bis 2017 hat­ten die Streit­kräf­te dann jedes Jahr 3.500 Plät­ze an Frei­wil­li­ge zu ver­ge­ben. Nur in einem Jahr konn­ten alle Plät­ze be­setzt wer­den. Im Schnitt mel­de­ten sich nur 2.200 Frei­wil­li­ge jähr­lich für den Wehr­dienst. Des­halb be­schloss das schwe­di­sche Par­la­ment im Jahr 2017, die Wehr­pflicht wie­der­ein­zu­füh­ren – dies­mal für Frau­en und für Män­ner.

Wel­che Rolle spie­len Wehr­pflich­ti­ge bei der Ver­tei­di­gung Schwe­dens im Kriegs­fall?
Eine große! Die Ziel­grö­ße der schwe­di­schen Streit­kräf­te liegt im Kriegs­fall bei 116.000 Sol­da­ten. Davon sind nur 18.000 haupt­be­ruf­li­che Sol­da­ten. 64.000 Sol­da­ten sol­len aus den Rei­hen der ak­tu­el­len und ver­gan­ge­nen Wehr­dienst­leis­ten­den ge­stellt wer­den. Denn: Nach dem Wehr­dienst blei­ben die jun­gen Men­schen für min­des­tens acht Jahre grund­be­or­dert – etwa in einer Bri­ga­de. In die­ser Zeit müs­sen sie min­des­tens zwei ver­pflich­ten­de Wehr­übun­gen ab­sol­vie­ren. Nach der ers­ten Be­or­de­rung kann eine zwei­te fol­gen, nor­ma­ler­wei­se in den ter­ri­to­ria­len Ein­hei­ten, also in Ein­hei­ten, die hin­ter der Front ihre Auf­ga­ben er­fül­len, oder in der Re­ser­ve, wo schwe­di­sche Wehr­pflich­ti­ge bis zum 47. Le­bens­jahr blei­ben kön­nen.

Mus­te­rungs­be­hör­den-Mit­ar­bei­ter Per An­der­sen Hel­seth im Mus­te­rungs­bü­ro in Stock­holm. (Foto: Ste­phan Pram­me)

In Schwe­den gilt die Wehr­pflicht für alle jun­gen Schwe­din­nen und Schwe­den. Heißt das, dass ein gan­zer Jahr­gang ein­ge­zo­gen wird?
Nein. Ein Jahr­gang 18-Jäh­ri­ger um­fasst in Schwe­den rund 110.000 junge Men­schen. So viele brau­chen die schwe­di­schen Streit­kräf­te, die nur über 18.000 haupt­amt­li­che Sol­da­ten ver­fü­gen, nicht. Nur 8.000 junge Schwe­din­nen und Schwe­den wer­den tat­säch­lich ein­ge­zo­gen (also rund sie­ben Pro­zent eines Jahr­gangs). So viele wer­den ge­braucht, um im Not­fall ein kriegs­fä­hi­ges Mi­li­tär dar­zu­stel­len (siehe vor­he­ri­ge Frage).

Wie wäh­len die Schwe­den die­je­ni­gen aus, die tat­säch­lich Wehr­dienst leis­ten müs­sen?
Die schwe­di­schen Be­hör­den wäh­len die am bes­ten ge­eig­ne­ten aus. Einen gro­ben Über­blick, wer am bes­ten ge­eig­net ist, be­kommt die Mus­te­rungs­be­hör­de mit­hil­fe eines Fra­ge­bo­gens. Die­sen müs­sen alle 18-jäh­ri­gen Schwe­den aus­fül­len. Auf Basis der Ant­wor­ten im Fra­ge­bo­gen wählt die Mus­te­rungs­be­hör­de die­je­ni­gen aus, die am ge­sün­des­ten und fit­tes­ten sind und einen guten schu­li­schen Back­ground haben. Auch die Mo­ti­va­ti­on (wol­len die Ju­gend­li­chen über­haupt die­nen?) spielt bei der Aus­wahl eine Rolle. Etwa 30 Pro­zent eines Jahr­gangs wer­den auf der Basis der Ant­wor­ten aus den Fra­ge­bö­gen zur Mus­te­rung ein­be­ru­fen.

Auch Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Boris Pis­to­ri­us möch­te einen Fra­ge­bo­gen an alle 18-Jäh­ri­gen ver­schi­cken, den die jun­gen Män­ner aus­fül­len müs­sen, die jun­gen Frau­en aus­fül­len kön­nen. Wel­che Fra­gen wer­den im schwe­di­schen Fra­ge­bo­gen ge­stellt?
Darin wer­den viele Fra­gen zur kör­per­li­chen und psy­chi­schen Ge­sund­heit ge­stellt, zum Bei­spiel: Lei­dest Du unter Dia­be­tes, De­pres­sio­nen oder Mul­ti­pler Skle­ro­se? Wie viel Al­ko­hol trinkst du re­gel­mä­ßig? Nimmst du an­de­re Dro­gen? Auch Fra­gen zur phy­si­schen Fit­ness wer­den ge­stellt, etwa: Wie oft machst Du Sport? Auch der schu­li­sche Back­ground spielt eine Rolle. Dazu stellt die Mus­te­rungs­be­hör­de Fra­gen wie: Wel­che Schu­le hast Du be­sucht? Wie sind Deine Noten? Auch wie die Kan­di­da­ten mit Stress und Be­las­tung zu­recht­kom­men oder ob sie schon wegen eines Ver­bre­chens ver­ur­teilt wur­den, wird ge­fragt. Am Ende des Fra­ge­bo­gens sol­len die jun­gen Men­schen an­ge­ben, ob sie der Wehr­pflicht po­si­tiv ge­gen­über­ste­hen.

Bei einem ko­gni­ti­ven Leis­tungs­test müs­sen die Prüf­lin­ge im Com­pu­ter­raum ihre In­tel­li­genz be­wei­sen. Wer im In­tel­li­genz­test gut per­formt, kommt für eine Füh­rungs­auf­ga­be wäh­rend des Wehr­diens­tes in­fra­ge. (Foto: Ste­phan Pram­me)

Wenn die Wehr­pflicht für Frau­en und Män­ner gilt, dann sind be­stimmt die Hälf­te der Wehr­pflich­ti­gen Män­ner und die an­de­re Hälf­te Frau­en?
Falsch. Nur 17 Pro­zent der Wehr­dienst­leis­ten­den sind in Schwe­den Frau­en. Das hat meh­re­re Grün­de. Zum einen sind Frau­en we­ni­ger mo­ti­viert, Wehr­dienst zu leis­ten, als Män­ner: 30 Pro­zent der be­frag­ten Frau­en geben an, dass sie der Wehr­pflicht po­si­tiv ge­gen­über­ste­hen. 70 Pro­zent sind es bei den jun­gen Män­nern. „Au­ßer­dem lei­den die jun­gen Frau­en öfter unter psy­chi­schen Krank­hei­ten oder Be­las­tun­gen und wer­den des­halb sel­te­ner zur Mus­te­rung ein­ge­la­den“, sagt Per An­der­sen Hel­seth, der für die Mus­te­rungs­be­hör­de ar­bei­tet. Auch schätz­ten sich Frau­en im Fra­ge­bo­gen schlech­ter ein (in Sa­chen Fit­ness, Fä­hig­kei­ten und Ge­sund­heits­zu­stand), so An­der­sen. Seine Be­hör­de hat den Be­ur­tei­lungs­me­cha­nis­mus be­reits an­ge­passt, um gut ge­eig­ne­te Frau­en nicht zu über­se­hen. In­ter­es­sant auch: Bei den Män­nern sind die Best­ge­eig­ne­ten auch gleich­zei­tig oft die Mo­ti­vier­tes­ten. Bei den Frau­en ist die­ser Zu­sam­men­hang we­ni­ger stark aus­ge­prägt.

Ein Haupt­grund, warum in Deutsch­land die Wehr­pflicht wie­der ein­ge­führt wer­den soll, ist die Hoff­nung, dass sich viele bei der Bun­des­wehr wei­ter­ver­pflich­ten, wenn sie erst ein­mal ein paar Mo­na­te ins Mi­li­tär „rein­ge­schnup­pert“ haben. Wie ist das in Schwe­den?
Die Ein­füh­rung der Wehr­pflicht führ­te nicht dazu, dass sich mehr junge Schwe­den für län­ge­re Zeit ver­pflich­tet haben – das Ge­gen­teil ist der Fall. Zwar ge­lingt es den schwe­di­schen Be­hör­den, durch den Fra­ge­bo­gen und die an­schlie­ßen­de Mus­te­rung die ge­eig­nets­ten (= Ge­sün­des­ten, Fit­tes­ten und In­tel­li­gen­tes­ten) her­aus­zu­fil­tern. Aber nur 20 Pro­zent der Wehr­dienst­leis­ten­den ver­pflich­ten sich nach ihrer Zeit beim Mi­li­tär län­ger. Das war bei den Frei­wil­li­gen an­ders. Zwi­schen 2010 und 2017, in der Zeit der Aus­set­zung der Wehr­pflicht, ver­pflich­te­ten sich durch­schnitt­lich 60 Pro­zent der (frei­wil­lig) Wehr­dienst­leis­ten­den für län­ge­re Zeit.

Warum ist das so?
Jonas Hárd af Se­ger­stad, der schwe­di­sche Mi­li­tär­at­ta­ché in Ber­lin, sagt, dass viele der­je­ni­gen, die als am bes­ten ge­eig­net be­ur­teilt wur­den und des­halb für den Wehr­dienst aus­ge­wählt wur­den, an­de­re Zu­kunfts­plä­ne hät­ten. Viele sähen die Wehr­pflicht­zeit nur als kurze Etap­pe des Aben­teu­ers und der Selbst­er­fah­rung, woll­ten da­nach aber etwas an­de­res ma­chen, etwa ein Stu­di­um be­gin­nen.

„Bist Du der nächs­te Ober­be­fehls­ha­ber?“ (Foto: Ste­phan Pram­me)

Was pas­siert, wenn sich je­mand ver­wei­gert? Also den Fra­ge­bo­gen nicht aus­füllt, nicht zur Mus­te­rung kommt oder nicht die­nen möch­te?
97 Pro­zent der An­ge­schrie­be­nen fül­len den Fra­ge­bo­gen aus. Wer das nicht tut, dem kann eine Geld­stra­fe und ein Ein­trag ins Vor­stra­fen­re­gis­ter dro­hen, sagt Per An­der­sen von der Mus­te­rungs­be­hör­de. Das Glei­che gilt, wenn je­mand nicht zur Mus­te­rung er­scheint. Und wenn je­mand fal­sche An­ga­ben beim Fra­ge­bo­gen macht? „Wenn Zwei­fel an der Plau­si­bi­li­tät der Ant­wor­ten be­stehen, kön­nen wir zum Bei­spiel ärzt­li­che At­tes­te an­for­dern“, so An­der­sen. Wer für den Wehr­dienst aus­ge­wählt wird, aber nicht die­nen möch­te, braucht gute Grün­de, damit er aus­ge­mus­tert wird. Diese kann es geben: Zeu­gen Je­ho­vas zum Bei­spiel müs­sen nicht die­nen, müs­sen aber eine Be­stä­ti­gung über die Mit­glied­schaft vor­le­gen. Ein spe­zi­el­les Gre­mi­um be­fin­det dar­über, ob die Aus­schluss­grün­de schlüs­sig sind.

In hel­len Mehr­bett­zim­mern kön­nen die jun­gen Schwe­din­nen und Schwe­den, die aus dem Nor­den des Lan­des an­rei­sen, über­nach­ten. (Foto: Ste­phan Pram­me)

Wei­gern sich viele zu die­nen?
Nein, das sei eine Aus­nah­me, sagt An­der­sen. Viel­mehr sei es so, dass viel mehr (vor allem Män­ner) die­nen wol­len, als sie of­fe­ne Stel­len haben. Die „Aus­sor­tier­ten“ kom­men dann auf eine Re­ser­ve­lis­te. Soll­ten Kan­di­da­ten aus­fal­len oder im Ver­tei­di­gungs­fall mehr be­nö­tigt wer­den, kön­nen diese dann doch noch ge­zo­gen wer­den.

Warum ist der Wehr­dienst in Schwe­den so be­liebt?
Zu­nächst in­for­mie­ren die Schwe­den sehr gut im Vor­hin­ein über das be­vor­ste­hen­de Pro­ze­de­re, nicht nur die Kan­di­da­ten selbst, son­dern auch deren El­tern. Zwei­tens gibt sich die Mus­te­rungs­be­hör­de sehr viel Mühe, die Fä­hig­kei­ten und Qua­li­fi­ka­tio­nen eines jeden her­aus­zu­fin­den und an einer pas­sen­den Stel­le im Mi­li­tär ein­zu­set­zen. Dafür gibt es 250 ver­schie­de­ne Po­si­tio­nen, die die Wehr­dienst­leis­ten­den nach der Grund­aus­bil­dung aus­fül­len kön­nen. Junge Men­schen, die bei der Mus­te­rung be­son­ders gut ab­schnei­den, dür­fen sich auch schon als Zug­füh­rer (der Neu­zu­gän­ge) be­wei­sen und somit be­reits in jun­gen Jah­ren Füh­rungs­ver­ant­wor­tung tra­gen. Ein wei­te­rer Haupt­grund: Grund­sätz­lich sind die schwe­di­schen Streit­kräf­te in der Be­völ­ke­rung sehr gut be­leu­mun­det, ein Dienst an der Ge­sell­schaft wird als po­si­tiv ge­se­hen.

Was sind die Vor­tei­le der Wehr­pflicht?
Die Streit­kräf­te be­kom­men tat­säch­lich die bes­ten Leute. Die per­sön­li­chen Fä­hig­keits­pro­fi­le der Wehr­dienst­leis­ten­den sind im Pflicht­sys­tem um ei­ni­ges bes­ser als beim frei­wil­li­gen Wehr­dienst, sagt Jonas Hárd af Se­ger­stad. Au­ßer­dem – und das ist wohl das Wich­tigs­te: das Pflicht­sys­tem er­füllt sei­nen über­ge­ord­ne­ten Zweck, die Kriegs­fall­struk­tu­ren zu „be­man­nen“. Auch ist das Sys­tem gut für die Re­kru­tie­rung zur Of­fi­ziers­lauf­bahn, da es die dafür Rich­ti­gen aus­wählt und ihnen einen Ein­blick in die Streit­kräf­te gibt, den sie sonst nie be­kom­men hät­ten. Die Wehr­pflicht sorgt auch für eine wich­ti­ge Ver­wur­ze­lung der Streit­kräf­te in der Ge­sell­schaft, da es zu­neh­mend Bür­ger aller Schich­ten gibt, die die Wehr­pflicht ab­sol­viert haben – und sei es nur ein klei­ner An­teil, sagt Jonas Hárd af Se­ger­stad.

Und die Nach­tei­le?
Um junge Män­ner und Frau­en zu ge­win­nen, die sich als Mann­schafts­sol­da­ten nach der Grund­aus­bil­dung wei­ter ver­pflich­ten, ist das Wehr­pflicht­sys­tem we­ni­ger ge­eig­net. Au­ßer­dem ist das Sys­tem na­tür­lich nicht fair. Der al­ler­grö­ß­te Teil eines Jahr­gangs muss gar nichts tun, wäh­rend ein klei­ner Teil bis zu 15 Mo­na­te sei­ner Zeit dem Mi­li­tär „op­fert“. Jonas Hárd af Se­ger­stad rät des­halb den deut­schen Ent­schei­dern dazu, sich gut zu über­le­gen, wel­che Pro­ble­me eine Re­ak­ti­vie­rung der Wehr­pflicht ei­gent­lich lösen soll. „Die Wehr­pflicht ist kein All­heil­mit­tel, die alle Sor­gen aus der Welt schafft“, sagt er.

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