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Wehrkooperation zwischen Deutschland und Polen

Polen und Deutschland sind die Hauptmilitärmächte im Osten Europas – der zentralen NATO-Flanke. Übersicht und Stand einer schwierigen Wehrkooperation.

Verteidigungsminister Boris Pistorius bei einem Besuch in Warschau bei seinem polnischen Amtskollegen Władysław Kosiniak-Kamysz.

Foto: Bundeswehr/Tom Twardy

bundeswehrloyalPolen

Im Juli stehen deutsch-polnische Regierungskoalitionen an. „In deren Rahmen soll ein Aktionsplan für Kooperationsprojekte verabschiedet werden“, so eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums (BMVg) in Berlin gegenüber loyal. Ob dazu auch Vorhaben einer vertieften Wehrkooperation gehören werden, wollte das Wehrressort mit Verweis auf die laufenden Verhandlungen nicht sagen. Aus dem Verteidigungsministerium in Warschau gibt es auf Anfrage nur den vagen Ausblick, man arbeite an Kooperationsprojekten mit Deutschland innerhalb der NATO und der EU, sowie zur Entwicklung von Fähigkeiten und Interoperabilität und zur Unterstützung der Ukraine.

Eine enge militärische Zusammenarbeit beider Staaten – mit den wichtigsten Streitkräften für Europas Ostflanke – wäre bestens für eine wirksame Verteidigung von NATO und EU gegen das aggressive Russland. Polen wie Deutschland teilen das Interesse, dafür schlagkräftige europäische Großverbände aufzubauen. Allerdings blieb die Zusammenarbeit unterentwickelt – aus zwei Gründen: Deutschland ließ seinem Anspruch „Rahmennation“ für solche Großverbände zu sein, kaum Führung und keine Rüstung folgen. Polen wiederrum setzte unter der langjährigen nationalistischen PIS-Regierung auf eine einseitige Agenda „Eigene Stärke“.

Wo eigentlich eine gut strukturierte Wehrkooperation im Bau sein sollte, gibt es somit nur Spuren davon. Zurzeit besteht eine gegenseitige Teilnahme von Offizieren an Lehrgängen der Führungsakademie der Bundeswehr und Polens Pendant, der Akademie für Kriegsstudien (Akadmia Sztuki Wojenna). Seit 2017 nimmt ein polnischer Offizier am jährlichen Lehrgang „Weltraumlage“ des Weltraumkommandos der Bundeswehr teil.


NATO-Projekte mit Beteiligung Deutschlands und Polens:

  • Beide Länder sind Sponsoren des Cooperative Cyber Defence Centre of Excellence der Allianz in Estland
  • Framework Nations Projekte mit Beteiligung beider Länder:
  • Multinational Air Group
  • Civil Military Cooperation
  • GeoMetoc
  • Joint Fire Support
  • Logistics
  • Multinational Medical Command

Quelle: BMVg


Die Mitte der 2000-er Jahre begonnene Vertiefungen der Wehrkooperation versackte dagegen. 2015 vereinbarten beide Landstreitkräfte, bis 2020 ihre Panzertruppen gegenseitig zu integrieren. Triebfeder dafür wäre ein Ausbau der polnischen Panzerwaffe über den Leopard-2 gewesen. Doch das scheiterte wegen deutscher Inkonsequenz und polnischer Ambitionen (siehe hierzu von loyal: „Europas Panzerkarussell“). Polen setzt nun auf eine außer-europäische Rüstungskooperation mit Süd-Korea zur Erneuerung seiner Landstreitkräfte.

Das so genannte „Cross-Attachement“ der deutsch-polnischen Panzertruppen läuft inzwischen nur noch über eine Patenschaft der beteiligten Großverbände – der Panzergrenadierbrigade 41 der Bundeswehr und der 10. Panzerkavalleriebrigade von Polens Armee. Eine Integration oder Unterstellung von Einheiten und Verbänden ist nicht mehr vorgesehen, so die Sprecherin des Verteidigungsministeriums. Folgt man der Rückmeldung aus dem Wehrressort ist mit engerer Zusammenarbeit inzwischen nur noch mehr gemeinsames Training gemeint. Verwiesen wird unter anderem auf das jüngste Manöver „Dragon 2024“ – eine Teilübung des Quadriga/Steadfast Defender Manöververbunds. Hier standen je ein deutsches und ein französisches Infanteriebataillon unter Führung einer polnischen Brigade.

Bei der Übung „Dragon 2024“ – Teil von Quadringa/Steadfast Defender – standen je ein deutsches und ein französisches Infanteriebataillon unter Führung einer polnischen Brigade. (Foto: Bundeswehr / Marco Dorow)

Ebenfalls nicht vom Fleck kommt die 2016 vereinbarte gemeinsame Führung der U-Boote beider Länder. Die „Submarine Operating Authority” im Führungszentrum der Deutschen Marine in Glücksburg existiert nur pro forma. Hier ist der Hauptgrund, dass es kaum etwas zum gemeinsamen Führen gibt. Deutschlands kleine U-Boot-Flotte erholt sich erst von jahrelanger Auszehrung wie massivem Ersatzteilmangel. Polen verfügt nur noch über ein veraltetes U-Boot. Die Erneuerung der U-Boot-Flotte über das „Orka-Programm“ wurde immer wieder geschoben. Sinnvoll wäre es, wenn sich Polen in die deutsch-norwegische U-Boot-Kooperation über das Modell 212 DC von Thyssen-Krupp Marine Systems einbeziehen ließe. Allerdings gibt es auch hier diverse Offerten, darunter ein Angebot Süd-Koreas.


PESCO-Rüstungsvorhaben im Rahmen der EU mit Beteiligung Deutschlands und Polens:

  • Military Mobility
  • European Medical Command
  • Network of LogHubs in Europe and Support to Operations
  • European Secure Software Defined Radio
  • Integrated Unmanned Ground System
  • EU Radionavigation Solutions
  • Integrated European Joint Training and Simulation Centre
  • Defence of Space Asset.

Quelle: BMVg


Im zentralen europäischen Rüstungsfeld der Luftverteidigung wird eine deutsch-polnische Zusammenarbeit ebenfalls schwierig. Sockel beider Armeen zur Flugabwehr ist das US-amerikanische Patriot-System. Die Bundeswehr unterstützte Polens Streitkräfte mit einem Patriot-System von Januar bis November 2023 zur Sicherung des NATO-Luftraums gen Osten. Eine strukturierte Zusammenarbeit steht aber aus. Ihre mobile Flugabwehr im Mittel- und Nahbereich erneuern beide Länder über unterschiedliche Systeme. Polens neuer Regierungschef Donald Tusk kündigte erst Ende April an, dass sein Land Deutschlands European Sky Shield Initiative (ESSI) beitreten wolle. Sky-Shield soll vor allem mit US-amerikanische Patriot Systeme und deutsche IRIS-T SLM über Europa Raketen-Abwehrschirme aufbauen. Die PIS verweigerte sich noch dem Projekt. Polens PIS-naher Präsident Andrzej Duda bezeichnete Sky Shield als „deutsches Wirtschaftsprojekt“.

Zusammengerauft zur Kooperation haben sich Polen und Deutschland bei den Waffenhilfe für die Ukraine. Diese erhält Leopard-Panzer aus beiden Ländern. Deutschland hat dabei die Ausbildung sowie die technisch-logistische Versorgung für die Leopard 2A5+ übernommen, Polen für die Leopard 2A4. Vorangegangen waren politische Querelen sowie Streit um die technischen Zuständigkeiten beteiligter Unternehmen. Seit neuestem führen Deutschland und Polen eine „Capability Coalition“ (siehe hierzu von loyal: „Rüstungskoalitionen für die Ukraine“) für gepanzerte Fahrzeuge, mit der die ukrainische Panzerwaffe langfristig entwickelt werden soll. Der Gehalt dieser Initiative lässt sich noch nicht absehen.

Im Bereich der Nuklearwaffen gibt es in Teilen der polnischen Politik seit längerem ein Interesse, wie Deutschland zum Träger für US-Atomwaffen im Rahmen der NATO zu werden. Vor allem im nationalistischen Lager verspricht man sich davon eine erhöhte Abschreckung gegen Russland, und Aufwertung der eigenen Rolle in der NATO. Polen ist mit Begleitschutz-Manövern seiner Luftwaffe bereits bei der nuklearen Teilhabe dabei. Polens wie Deutschlands Luftwaffe werden mit dem US-amerikanischem Kampfjet F35 gerüstet, der für die Verbringung der Teilhabe-Bombe B61-12 ausgelegt ist. Allerdings gibt bis dato weder ein Interesse der NATO-Partner an einer Stationierung von Atomwaffen in Polen noch einen Konsens dazu in der polnischen Politik. Präsident Duda äußerte vor Kurzem, Polen sei bereit für die Aufnahme von Atomwaffen der Allianz. Ministerpräsident Tusk entgegnete daraufhin, er müsse diesen Vorschlag mit Duda zunächst besprechen.

Mit Blick auf 2025 könnte es dagegen ad hoc zu einer sehr engen militärischen Zusammenarbeit Deutschlands und Polens kommen. Ab dann soll die EU Rapid Deployment Capacity bestehen, geläufig als „EU-Eingreifbrigade“. Würde sie im ersten Halbjahr aktiviert, wäre sie ein deutsch-polnischer Kampfverband. Denn die Eingreif-Kapazität würde aus den dann aktiven Battlegroups zusammengestellt, welche in diesem Zeitraum eine polnische und deutsche Kampfgruppe sind. Jüngst regte Polens Außenminister Radosław Sikorski an, die Rapid Deployment Capacity auch als schwere Brigade abbilden zu können. Das jetzige Konzept geht von leichten Kräften aus – ausgelegt auf Evakuierungseinsätze und den Einstieg in eine Stabilisierungsoperation.

 

 

 

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