Wilder Westen im Hohen Norden
Grönland spielte lange keine Rolle in der internationalen Politik. Mit Donald Trump hat sich das jetzt geändert. Die USA wollen die zu Dänemark gehörende Insel übernehmen. Kopenhagen wehrt sich gegen diese Ambitionen. Wie geht es weiter in der Arktis?
US-Vizepräsident JD Vance hat kürzlich klargestellt: „Ein neuer Sheriff ist in der Stadt.“ Gemeint war sein Chef, Präsident Donald Trump. Der Satz evoziert Bilder aus einem Western: Mit dem Colt am Oberschenkel schreitet der neue Gesetzeshüter breitbeinig und in jeder Sekunde schussbereit vorbei an Saloon, Hufeisen-Schmiede und Krämerladen und signalisiert allen Schurken, dass sie hier nichts mehr verloren haben. Seine „Stadt“: Das sind im erweiterten Sinne auch all jene Länder, die nach Meinung des Scheriffs eigentlich eingemeindet gehören: Kanada, Panama – und Grönland.
Den Wilden Westen in den hohen Norden hat noch vor Amtsantritt Trumps dessen ältester Sohn getragen. Donald Trump Jr. landete am 7. Januar mit der markanten blau gestrichenen Privatmaschine seines Dads, genannt Trump Force One, auf der Insel. Was er dort wollte, wurde nicht so richtig klar. Klar war nur, dass es eine Machtdemonstration war. Der Welt sollte gezeigt werden: Die USA interessieren sich für Grönland.
Trump geht es um Bereicherung
Inzwischen hat die Sache andere Dimensionen angenommen. Es ist nicht mehr nur Interesse. Es ist Gier. Trump erklärte auf seinem Kanal Truth Social: „Im Interesse der nationalen Sicherheit und der Freiheit in der Welt sind die USA der Ansicht, dass der Besitz und die Kontrolle von Grönland eine absolute Notwendigkeit sind.“ Solch ein Satz könnte so ähnlich auch aus dem Mund des russischen Diktators Wladimir Putin stammen. Trump will Grönland – aber nicht aus militärischen, sondern vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. Es geht um Bereicherung. Denn unter dem dicken Eispanzer sind alle möglichen Rohstoffe zu finden. Die sind sein Hauptantrieb, was die Insel angeht. So wie er auch die am Boden liegende Ukraine mit einem Abkommen über Rohstoffgewinnung erpresst, will er Gold, Erze, seltene Erden aus der Arktis.
Strategisch haben die USA in Bezug auf Grönland bereits jetzt alles, was sie sich wünschen. Sie unterhalten dort seit langem Militärbasen. Es gibt ein entsprechendes Abkommen mit Dänemark, das 1951 geschlossen wurde, nachdem 1946 der Kauf der Insel durch die USA von Dänemark erstmals abgelehnt wurde. Noch im Jahr 1951 baute Washington die Thule-Airbase im äußersten Nordwesten Grönlands. Bis 2023 hieß der Flugplatz so. Heute ist es die Pituffik-Spacebase. Von dort aus überwachen die USA Raketenstarts und Weltraumaktivitäten in der nördlichen Hemisphäre. Laut Vertrag kann Washington jederzeit so viele Stützpunkte auf der Insel errichten, wie es will. Die USA müssen Dänemark nicht einmal fragen. Wenn es also nur um die – sicherlich steigende – strategische Bedeutung der Arktis geht, könnten die USA dort schon jetzt schalten und walten wie sie wollten.

Dass Trump so zäh an seiner Idee festhält, Grönland den USA einzuverleiben, kann also nur wirtschaftliche Gründe haben. In seiner ersten Amtszeit bot er Dänemark an, das Gebiet zu kaufen, was Kopenhagen ablehnte. Nun zieht er die Daumenschrauben fester und gebärdet sich dabei nicht anders als die amerikanischen Siedler im 19. Jahrhundert, die sich das scheinbar herrenlose Land im Wilden Westen einfach nahmen.
In der PR-Schlacht um Grönland hat Trump aber kürzlich eine Schlappe erlitten. Die Frau von Vizepräsident Vance, Usha, wollte in die Hauptstadt Nuuk reisen und dort einem vom US-Konsulat gesponserten Schlittenhunderennen beiwohnen. Geplant waren schöne Bilder der Second Lady vor arktischer Kulisse mit jubelnden Grönländern. Es kam anders. Die grönländische Politik sprach keine Einladung aus und war auch nicht bereit, die Delegation zu empfangen. Ohnehin war man in Nuuk befremdet über den Besuch zu einer Zeit, da nach der soeben stattgefundenen Parlamentswahl die Parteien in Koalitionsverhandlungen steckten. Vor dem US-Konsulat hatte es wegen der Übernahme-Pläne Proteste von Grönländern gegeben – die Bilder gingen um die Welt und zeigten, was die Einheimischen von Trump halten. Nun wurden die Reisepläne geändert. Usha Vance wurde plötzlich von ihrem Mann begleitet, und das Ehepaar Vance landete statt in Nuuk auf der Pituffik Space-Base. Der Vizepräsident Vance und seine Gattin trafen dort US-Soldaten und waren nach drei Stunden wieder weg.
Grönländer selbst wollen Unabhängigkeit
Die Grönländer haben in den vergangenen Wochen mehrfach deutlich gemacht, dass sie die Unabhängigkeit wollen – und bis auf eine Minderheit kein Teil der USA sein wollen. Vorerst haben die Ambitionen Trumps Grönland und Dänemark einander wieder nähergebracht. Das Verhältnis war zuvor nicht immer konfliktfrei gewesen – aber momentan weiß man in Grönland, dass man bis auf weiteres in dem Königreich besser aufgehoben ist. Ein Besuch der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen in Nuuk verlief in der vergangenen Woche überaus harmonisch. Auch sie kam mit ihrem Partner. Ehemann Bo Tengberg und sie wurden vom scheidenden Regierungschef Múte B. Egede und dessen Frau begrüßt. Frederiksen ließ keinen Zweifel an ihrer Haltung: „Die USA werden Grönland nicht übernehmen. Grönland gehört den Grönländern“, sagte die Sozialdemokratin.
Da Trumps Pläne also in Grönland selbst nicht gut ankommen, Dänemark an der Seite der Grönländer steht, würde Trump also derzeit nichts anderes übrig bleiben, als sich die Insel mit militärischer Gewalt zu holen. Dann aber hätte sich der Sheriff aus Washington ein für allemal auf das Niveau von Wladimir Putin begeben. Der zeigt in der Ukraine seit mehr als drei Jahren gegen jedes Recht und gegen den Willen der Ukrainer, dass er sich das nimmt, von dem er meint, es gehöre ihm.